Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf der Grundlage der von Ihnen zur Verfügung gestellten Informationen wie folgt beantworte:
Der grundsätzliche Unterschied zwischen Vermächtnis und Teilungsanordnung besteht in der Rechtsposition der Beteiligten.
Sie können entweder alle Kinder zu Erben (entweder zu gleichen Teilen oder zu einer anderen Quote) einsetzen und dann mittels Teilungsanordnung verfügen, wer was erhalten soll. Dann treten die Erben alle gemeinsam als Erbengemeinschaft in die bestehenden Rechtspositionen des Erblassers ein und werden gemeinsam Eigentümer/Forderungsinhaber/Gläubiger/Schuldner bezüglich aller Positionen (Aktiva und Passiva) des gesamten Nachlasses. Dies wird sich insbesondere bei den Positionen bemerkbar machen, die von Ihnen nicht in der Teilungsanordnung erwähnt werden, also bei weiteren Gegenständen und Vertragsverhältnissen, die den Erben dann gemeinsam gehören und von ihnen verwaltet bzw. verteilt werden müssen. In diesem Fall sollte Testamentsvollstreckung angeordnet werden, damit die Verteilung zumindest der in der Teilungsanordnung genannten Positionen gesichert ist.
Bei der Vermächtnislösung wird (zur Konfliktvermeidung sinnvollerweise nur) ein Kind als Erbe eingesetzt, tritt damit in die oben beschriebene Rechtsposition des Erblassers und wird Alleineigentümer sämtlicher Immobilien, Inhaber sämtlicher Wertpapierdepots etc. Der Erbe muss sich dann um die gesamte Nachlassabwicklung kümmern. Die beiden anderen Kinder haben die Möglichkeit, ihr jeweiliges Vermächtnis geltend zu machen. Es handelt sich dabei um einen schuldrechtlichen Herausgabeanspruch des Vermächtnisnehmers gegen den Alleinerben auf Zahlung eines Betrages X oder Übertragung des Eigentums an einer Immobilie, einem Gegenstand oder einer Forderung. Alternativ kann das enterbte Kind auch seinen Pflichtteil geltend machen. Durch diese Lösung können zahlreiche Konflikte vermieden werden, weil keine gemeinsamen Entscheidungen in einer Erbengemeinschaft erforderlich sind, sondern weil es klare Rechtsansprüche gibt.
Die Kinder können immer den Pflichtteil geltend machen, wenn sie nicht als Erbe eingesetzt wurden oder nur zu einem Erbteil (Quote), der geringer ist als der Pflichtteil. Dasselbe gilt für das Vermächtnis. Wenn einem Kind nur ein Vermächtnis zugedacht wird, dessen Wert geringer ist als der Pflichtteil, dann wird das Kind das Vermächtnis ausschlagen und stattdessen den Pflichtteil verlangen. Sie können für diesen Fall einen Ersatzvermächtnisnehmer nach § 2190 BGB
bestimmen. Das ändert jedoch nichts daran, dass ein Kind immer den Pflichtteil verlangen kann.
Wenn Sie keinen Ersatzvermächtnisnehmer bestimmen, dann verbleibt der Gegenstand (das Haus, das Guthaben etc.) beim Erben.
Konkret auf Ihren Fall angewendet bedeutet das folgendes:
Wenn Sie alle drei Kinder zu Erben zu gleichen Teilen einsetzen, dann bilden alle drei Kinder eine Erbengemeinschaft. Wenn Tochter A und deren Abkömmlinge das Erbe ausschlagen, dann besteht die Erbengemeinschaft (die zunächst gemeinsam den gesamten Nachlass erhält) nur noch aus B und C. Tochter A wird dann den Pflichtteil verlangen, den B und C aus der Erbmasse bezahlen müssen. Wenn keine liquiden Mittel vorhanden sind, muss das Haus verkauft werden oder das Geld anderweitig beschafft werden. B und C können den Pflichtteil auch aus ihrem eigenen Vermögen bezahlen oder ein Darlehen aufnehmen, wenn sie damit das Haus „retten" möchten. Jedenfalls wird Tochter A nur einen Betrag von 45 TEuro erhalten.
Danach müssen B und C sehen, wie sie ihre Erbengemeinschaft gemeinsam fortführen (z.B. als gemeinsame Eigentümer des Hauses bei einer Vermietung) oder wie sie die Erbengemeinschaft auseinandersetzen, indem sie das Haus verkaufen oder indem es einer übernimmt und den anderen auszahlt.
Es macht vermutlich wenig Sinn, die Kinder zu zwingen, das Vermögen in der Familie zu halten, wenn die Kinder das partout nicht wollen. Schließlich kann ein geerbter Gegenstand auch eine Belastung für den Erben darstellen. Insbesondere macht es wenig Sinn, der Tochter A ein Haus mit Inhalt zuzuwenden, wenn von vorneherein klar ist, dass sie es nicht möchte und das Erbe oder Vermächtnis diesbezüglich ausschlagen wird.
Wenn Sie allerdings Tochter A nicht benachteiligen möchten und sie deshalb z.B. als Erbin zu einem Drittel (also alle Kinder zu gleichen Teilen) einsetzen, ohne eine Teilungsanordnung zu treffen, dann steht ihr auch im Ergebnis rechnerisch ein Drittel das Nachlasses zu. Dann werden die Kinder das Haus vermutlich erst recht verkaufen müssen, um den Betrag von 90 TEuro aufbringen zu können. Im Übrigen hat bei einer Eigentümergemeinschaft jeder Miteigentümer das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, notfalls durch Teilungsversteigerung. Dies dürfte ein Ergebnis sein, welches Ihnen am wenigsten behagt, wenn Ihr Haus in der Zeitung in der Rubrik „Zwangsversteigerungen" auftaucht. Sie können dieses Recht zur Aufhebung der Gemeinschaft zwar nach § 2044 BGB
ausschließen, zumindest für eine gewisse Zeit, aber damit belasten Sie alle Kinder noch stärker als bei den anderen Lösungen, so dass ich davon abrate.
Im Ergebnis wird es vermutlich das Beste sein, wenn Sie Tochter B als Alleinerbin einsetzen und den anderen Kindern die von Ihnen erwähnten Zuwendungen in Form von Vermächtnissen zukommen lassen. Die Anrechnung von Schenkungen und Wohnvorteil bei C wäre ausdrücklich zu erwähnen. Falls C damit nicht einverstanden ist, bleibt auch ihm die Ausschlagung und die Geltendmachung des Pflichtteils. Damit belasten Sie B zwar mit der gesamten Nachlassabwicklung, aber Sie stellen am Ehesten sicher, dass Ihr Vermögen in der Familie bleibt. Wenn A dann das Vermächtnis ausschlägt und den Pflichtteil verlangt, dann können Sie das nicht ändern. Es wäre jedoch das geringere Übel.
Angesichts der Komplexität der Angelegenheit empfehle ich Ihnen, dass Sie eine umfassende anwaltliche Testamentsberatung in Anspruch nehmen und den Wortlaut von einem Anwalt aufsetzen lassen. Die ist jedoch im Rahmen dieser Online-Erstberatung nicht abschließend möglich, weil dazu Ihre konkreten Lebensumstände einbezogen werden müssen und zunächst geklärt werden muss, welche der o.g. Lösungen Sie bevorzugen. Das Problem bei einer Testamentsgestaltung liegt immer darin, dass der Ernstfall kurzfristig oder erst in Jahrzehnten eintreten kann. Das Testament sollte daher auch künftige Änderungen berücksichtigen. Es wird daher auf Ihre persönlichen Umstände (Alter, Finanzsituation etc.) ankommen. Sie müssen z.B. berücksichtigen, dass Sie jetzt zwar über Immobilienvermögen und evtl. sonstige Guthaben verfügen, dass sich dies aber schnell ändern kann, wenn Sie z.B. eines Tages einen erhöhten Finanzbedarf für Pflege haben und deshalb möglicherweise im Erbfall gar nicht mehr alle Vermögensgegenstände im Nachlass vorhanden sein werden.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine erste Orientierung geben und Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Plewe
Rechtsanwältin
Diese Antwort ist vom 16.03.2012 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sehr geehrte Frau Plewe,
Super, recht herzlichen Dank für diese umfangreiche und sehr verständliche Darstellung.
Erlauben Sie mir noch eine Nachfrage.
Variante:Tochter B Alleinerbin, A und C Vermächtnisnehmer
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, stehen jedem Kind bei Ausschlagung der Pflichtteil zu, auch dann, wenn der Wert des anzunehmenden/ zugedachten Vermächtnisses ( das ja angenommen werden könnte) über dem Wert des Pflichtteils liegt. Tochter A wird ausgezahlt werden müssen.
Sie schreiben: Die Anrechnung von Schenkungen und Wohnvorteil bei C wäre ausdrücklich zu erwähnen. Falls C damit nicht einverstanden ist, bleibt auch ihm die Ausschlagung und die Geltendmachung des Pflichtteils.
Falls C ausschlägt, kann man dann die Schenkung und das Wohnrecht ( 80T€ also über Pflichtteil 45T€) zur Berechnung heran ziehen und wäre damit seinem Anspruch nicht schon genüge getan? Da es sich bei beiden Zuwendungen um eine Schenkung handelt, käme da nicht ein Pflichtteilsergänzungsanspruch für Tochter B zum tragen? Im Notarvertrag 94 zur Grundstücksschenkung wurde ein Anrechnen auf den Pflichtteil festgelegt, beim Wohnrecht ist nichts vereinbart.
Abschließend nochmals vielen Dank auch für das Erwähnen, dass Lebensumstände sich ändern können. Ich denke, vernünftig wäre es von mir die Erbmasse zu Lebzeiten zu verringern (Schenkung) und damit Pflichteilsansprüche gering zu halten.
Hoffen wir auf ein langes Leben
Herzliche Dank und freundliche Grüße nach Koblenz
Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Nachfrage beantworte ich gerne wie folgt:
Wenn Tochter B Alleinerbin wird, dann hat sie keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch. Ihr stünde allenfalls ein Anspruch zu, wenn die Vermächtnisse zu Gunsten der beiden anderen Kinder so hochwertig wären (und von A und C nicht ausgeschlagen werden würden), dass der Tochter B ein Rest verbliebe, der geringer als ihr eigener Pflichtteil wäre. Aber das steht ja bei der von Ihnen geschilderten Konstellation nicht zu befürchten.
Die Schenkung an C im Jahr 1994 ist auf seinen Pflichtteil anzurechen, da Sie dies damals bei der Schenkung so angeordnet hatten. C hat sich damals bewußt darauf eingelassen, anderenfalls hätte er die Schenkung nicht angenommen.
Die Anrechnung dieser Schenkung wird unter Berücksichtigung der Kaufkraft erfolgen, d.h. der Wert des Grundstücks im Jahre 1994 wird durch Index-Hochrechnung auf das Jahr des Erbfalls korrigiert werden, wobei eine sonstige Wertsteigerung (z.B. Ackerland wird zu Bauland) unberücksichtigt bleibt.
Der Wohnwert hingegen wird nicht auf den Pflichtteil angerechnet, da Sie die Anrechnung nicht sofort bei der Zuwendung verfügt hatten, § 2315 BGB
.
Im Rahmen der Überlegungen zur Erbrechtsreform 2009 war erwogen worden, eine rückwirkende Anrechnung zuzulassen, jedoch hat der Gesetzgeber dies dann wegen verfassungsrechtlicher Bedenken nicht umgesetzt.
Es wäre in Ihrem Fall zu überlegen, ob Sie zumindest das künftige mietfreie Wohnen anrechnen lassen können. Sie können folgende Konstruktion versuchen: Falls man die derzeitige Wohnsituation als Mietvertrag ohne Mietzahlung ansehen kann, können Sie diesen Mietvertrag mit der gesetzlichen Kündigungsfrist kündigen, sich aber bereit erklären, den Sohn C weiter dort wohnen zu lassen, wenn er entweder künftig Miete zahlt oder sich den künftigen Wohnwert auf den Pflichtteil anrechnen lässt. Falls er nicht reagiert, aber auch nicht auszieht, könnte man den künftigen Wohnwert auf den Pflichtteil anrechnen lassen. Falls er damit nicht einverstanden wäre, könnte er ja ausziehen.
Ich kann Ihnen zwar nicht garantieren, dass dies vor einem Gericht Bestand haben wird, aber einen Versuch wäre es wert.
Die Verringerung des dereinstigen Nachlasses durch Schenkungen ist ein gangbarer Weg, allerdings gilt auch dann zu berücksichtigen, dass Sie das Geld möglicherweise noch selbst brauchen könnten. Außerdem werden Schenkungen auf den Pflichtteil angerechnet, sofern sie innerhalb von 10 Jahren vor dem Erbfall erfolgt sind, mittlerweile zwar nur anteilig, je nachdem wie viele Jahre seit der Schenkung vergangen sind, aber immerhin.
Da Sie erwähnen, das Ihnen Tochter B bei der Bewirtschaftung hilft, wäre zu überlegen, ob Sie ihr dafür ein Entgelt zukommen lassen können. Wenn es sich bei der Zuwendung um eine Bezahlung für eine Gegenleistung handelt, liegt keine (auf den Pflichtteil anzurechnende) Schenkung vor.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Plewe
Rechtsanwältin