Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf der Grundlage der von Ihnen zur Verfügung gestellten Informationen wie folgt beantworte:
Wenn Sie und Ihr Bruder Erben aufgrund gesetzlicher Erbfolge geworden sind, dann bilden Sie beide eine Erbengemeinschaft zu je ein halb. Ihnen steht jeweils der hälftige Anteil am Nachlass zu. Hierzu gehören Rechte, Pflichten, Verbindlichkeiten, Vermögenswerte, Eigentum an Gegenständen etc.
Nach Ihren Angaben besteht der Nachlass (nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten) in einem Geldbetrag in Höhe von 5.000,00 Euro, der sich aktuell auf einem Sparbuch befindet.
Von diesem Betrag steht Ihnen jeweils die Hälfte, somit jeweils 2.500,00 Euro zu.
Die grundsätzliche Annahme Ihres Bruders, dass Schenkungen berücksichtigungsfähig sind, ist zwar richtig, jedoch wird sich dies vermutlich faktisch nicht auswirken.
Nach § 2325 BGB
sind die Schenkungen, die der Erblasser einem Dritten gemacht hat, dem Nachlass hinzuzurechnen. Aus diesem erhöhten Betrag ist dann der Pflichtteil zu berechnen, der jedem Pflichtteilsberechtigten verbleiben muss. Wenn der tatsächlich hinterlassene Erbteil (o.g. Betrag von 2.500,00 Euro) geringer ist als der auf diese Weise berechnete Pflichtteil, dann könnte einem Pflichtteilsberechtigten (Ihrem Bruder und Ihnen) ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehen.
Sie haben in Ihrer Anfrage nicht mitgeteilt, wann Ihre Mutter verstorben ist. Sofern es sich um ein Datum nach dem 01.01.2010 handelte, gilt die neue Regelung nach § 2325 Abs. 3 BGB
, wonach Schenkungen nur anteilig anzurechnen sind, falls der Zeitpunkt der Schenkung bereits länger zurückliegt. Ohnehin sind Schenkungen grundsätzlich nicht anzurechnen, wenn sie zum Zeitpunkt des Erbfalls länger als zehn Jahre zurück liegen. Für jedes volle Jahr, welches zwischen Schenkung und Erbfall vergangen ist, verringert sich der anzurechnende Betrag um ein Zehntel.
In der folgenden Beispielsrechnung gehe ich davon aus, dass zwischen der Schenkung und dem Tod Ihrer Mutter mindestens zwei volle Jahre, jedoch noch nicht drei volle Jahre vergangen sind, so dass die Schenkung nur zu 80 % berücksichtigt wird.
Es ergibt sich folgende Berechnung:
Der Nachlass beträgt 5.000,00 Euro. Die Schenkung in Höhe von 12.000,00 Euro ist nur zu 80 % anzurechnen, also nur zu einem Betrag von 9.600,00 Euro, so dass sich ein rechnerischer (fiktiver) Gesamtnachlass in Höhe von 14.600,00 Euro ergibt. Ihnen und Ihrem Bruder muss hieraus ein Pflichtteil von einem Viertel, somit ein Betrag von 3.650,00 Euro zustehen. Hieraus erhalten Sie beide einen Anteil von 2.500,00 Euro aus den tatsächlichen Nachlass (vom vorhandenen Sparbuch), so dass sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 1.150,00 Euro ergibt. Da dieser Betrag nicht aus dem Nachlass bezahlt werden kann (weil der Nachlass selbst bereits durch die oben genannte Zahlung erschöpft ist) steht Ihrem Bruder und Ihnen jeweils ein Anspruch in dieser Höhe gegen Ihren Sohn zu (§ 2329 BGB
). Nach dieser Regelung kann der Pflichtteilsberechtigte (Ihr Bruder und Sie) von dem Beschenkten (Ihrem Sohn) die Herausgabe des Geschenkes in der Höhe verlangen, die zur Auffüllung des Pflichtteilsanspruchs erforderlich ist (1.150,00 Euro). Allerdings kann die Herausgabe nur nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gefordert werden. Es handelt sich dabei um spezielle Regelungen in den §§ 812 ff. BGB
. Ihr Sohn kann die Herausgabe nach § 818 Abs. 3 BGB
verweigern, sofern er selbst nicht mehr bereichert ist. Nach Ihren Angaben wurde das Geld vollständig verbraucht, so dass ich davon ausgehe, dass eine Bereicherung des Sohnes nicht mehr vorliegt. In diesem Fall muss Ihr Sohn die Zahlung nicht aus seinem eigenen Vermögen erbringen. Er müsste allerdings beweisen, dass die Schenkung direkt für die Sanierung verwendet wurde.
Sie hatten allerdings nicht mitgeteilt, wem das von Ihnen erwähnte Haus gehört. Falls das Haus auch dem Sohn gehört, wäre er möglicherweise bereichert, falls durch die Sanierungskosten eine Wertsteigerung des Hauses erfolgt wäre. Falls das Haus Ihrer Mutter gehört hatte und somit in den Nachlass gefallen wäre, würde sich ohnehin eine völlig andere Berechnung ergeben.
Jedenfalls hat Ihr Bruder keinen Anspruch darauf, einen prozentualen Anteil an der Schenkung zu erhalten, sondern die rechnerische Berücksichtigung der Schenkung dient nur dem Zweck, Ihren Bruder so zu stellen, als ob ihm der Pflichtteil aus dem Vermögen Ihrer Mutter gezahlt worden wäre, wenn Ihre Mutter den Betrag nicht verschenkt hätte. Da der Pflichtteil jedoch geringer ist als der gesetzliche Erbteil, muss die Berechnung nach dem oben genannten Rechengang erfolgen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine erste Orientierung geben und Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Plewe
Rechtsanwältin
Antwort
vonRechtsanwältin Karin Plewe
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Guten Tag und vielen Dank für die mehr als ausführliche Antwort!
Kurz nachfragen möchte ich folgendes,
können wir das Sparbuch zunächst auflösen, oder gibt es da Bedenken? Z.B. wegen der Haftung.
Das Haus für das das Geld verwendet wurde gehört mir, meine Mutter hatte noch ein Wohnrecht daran, mein Sohn ist vor ein paar Jahren in die dritte Wohnung eingezogen. Mein Bruder ist der Ansicht, da das Geld zur Sanierung meines Hauses verwendet wurde, bin eigentlich ich der Beschenkte und ich müsse die Ergänzung seines Pflichtteils aus eigener Tasche zahlen. Besteht da eine Haftung über das Erbe hinaus?
Sehr geehrter Fragesteller,
das Sparbuch können Sie nur einvernehmlich mit Ihrem Bruder auflösen. Es steht Ihnen beiden hälftig zu. Wenn Ihr Bruder einverstanden ist, ist die Auflösung kein Problem.
Zunächst war Ihr Sohn der Beschenkte. Deshalb müssen auch die Ansprüche gegen Ihren Sohn als erstes geprüft werden. Wenn Ihr Sohn nicht mehr bereichert ist, muss er nichts bezahlen. Sie selbst haben von Ihrer Mutter nichts geschenkt bekommen. Der Umweg über Ihren Sohn führt nicht automatisch dazu, dass Sie als Beschenkter gelten.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Plewe
Rechtsanwältin