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Gehalt einbehalten - rückfordern??

9. Juni 2008 12:57 |
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Arbeitsrecht


Beantwortet von

Rechtsanwältin Miriam Helmerich

Hallo,
im August und September 2007 habe ich versehentlich vom Arbeitgeber Gehalt bekommen - (ca. 2000,00 Euro)- obwohl ich Anspruch auf Geldersatzleistungen wegen Rehabilitationsmassnahmen hatte. Mir ist es nicht aufgefallen, da es lt. Aussage der Sozialarbeiterin Arbeitgeber gibt, die bei Reha-Aufenthalten wieder in die Gehaltsfortzahlungen einsteigen.

Der Fehler wurde von seitens des AG im Oktober bemerkt und man sprach mit mir darüber, wollte jedoch das komplette Monatsgehalt einbehalten - gegen diesen Einbehalt habe ich mich gewehrt.
Danach hat sich bis letzte Woche nichts mehr getan, das Gehalt wurde normal ausbezahlt - die Forderung steht auf keiner der Folgegehaltsabrechnungen. Durch die Umstände zwischen Einbehalt und Auszahlung des Gehaltes, konnte mir bis heute - auch auf mein Nachfragen hin, keiner den kongreten Betrag mitteilen, eine schriftliche Aufforderung zur Rückzahlung gibt es nicht.
Nun will der AG das Geld zürück.

Frage: Darf er mein komplettes Gehalt einfach einbehalten oder Anteile davon? (Ich habe noch einen 4 Jährigen Sohn und bin verheiratet)

Kann es sein, das die Forderung schon verjährt ist? Unser AG ist tariflich in der AVR (welche am BAT angelehnt ist)- hab mal gehört, das die Frist 6 Monate nach dem Auszahldatum liegt?




Sehr geehrte Fragestellerin,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich aufgrund der von Ihnen gemachten Angaben und unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes nunmehr wie folgt beantworten möchte:

Aufgrund Ihrer Angaben gehe ich bei meinen weiteren Ausführungen davon aus, dass Sie die Zahlungen Ihres Arbeitgebers zu Unrecht erhalten haben.

Die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) finden nur dann Anwendung auf das Arbeitsverhältnis, wenn dies zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart wurde. Diese Regelungen können Sie im Übrigen unter www.diag-mav.net/arhilfen/gesetz/avr/avr.htm nachlesen.

Grundsätzlich kann ein Arbeitgeber, soweit keine vertragliche Regelung getroffen wurde, zu viel gezahlte Vergütung oder entsprechende Ersatzleistungen gemäß § 812 BGB zurückfordern. Der Arbeitnehmer kann sich gegenüber diesem Rückzahlungsanspruch auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB ) berufen, wenn das überzahlte Entgelt restlos für seine laufenden Lebensbedürfnisse verbraucht wurde. Der Wegfall der Bereicherung ist vom Arbeitnehmer zu beweisen. Hinsichtlich kleinerer und mittlerer Einkommen besteht die Möglichkeit des Beweises des ersten Anscheines für den Wegfall der Bereicherung. Dies kommt jedoch nur bei einer Überzahlung in geringem Umfang in Betracht. Wenn Sie sowohl Geldersatzleistungen vom Sozialversicherungsträger als auch Leistungen vom Arbeitgeber in etwa gleicher Höhe erhalten haben, dürfte diese Argumentation hinfällig sein.

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber auch die Möglichkeit, die Aufrechnung mit Entgeltansprüchen des Arbeitnehmers, so hier geschehen, zu erklären. Dabei kann sich die Aufrechnung nur auf den Nettobetrag erstrecken; die Verpflichtung zur Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen bleibt von der Aufrechnung unberührt.

Sollte tatsächlich das Regelwerk AVR auf Ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden, so wurde im Übrigen eine Aufrechnungsmöglichkeit des Arbeitgebers ausdrücklich geregelt:

Anlage 1
X
(d) Hat der Mitarbeiter bei den Dienstbezügen eine Überzahlung erhalten, so ist er verpflichtet, diese dem Dienstgeber zurückzuerstatten. Die überzahlten Dienstbezüge können gegen zukünftig auszuzahlende Dienstbezüge aufgerechnet werden. Das gilt auch für Überzahlungen bei Bezügen nach Abschnitt XII bis XV der Anlage 1 zu den AVR, in Monatsbeiträgen festgelegte Zulagen und bei überhöhten sonstigen Leistungen sowie für alle dem Mitarbeiter ohne Rechtsgrund gewährten Bestandteile der Dienstbezüge (Abschnitt II Abs. a der Anlage 1 zu den AVR) bzw. der Bezüge nach Abschnitt XII bis XV der Anlage 1 zu den AVR, in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen und sonstigen Leistungen.

Allerdings dürften meines Erachtens unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit der AVR, die Pfändungsschutzbestimmungen des § 850 ZPO Anwendung finden. Dementsprechend hätte Ihr Arbeitgeber im Falle einer Aufrechnung die Pfändungsgrenzen des § 850 c ZPO zu beachten. Die Pfändungsgrenzen bestimmen sich nach der Höhe des Einkommens und etwaigen Unterhaltsverpflichtungen.

Die Forderung Ihres Arbeitgebers ist noch nicht verjährt.
Die Ausschlussfristen, sollten die AVR Anwendung finden, betragen gemäß § 23 jedoch tatsächlich 6 Monate.
§ 23 Ausschlussfrist
(1) Ansprüche aus dem Dienstverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Mitarbeiter oder vom Dienstgeber schriftlich geltend gemacht werden, soweit die AVR nichts anderes bestimmen. (2) Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruches aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen unwirksam zu machen.

Entsprechend dem Wortlaut werden auch beide Vertragsparteien gebunden. Auch der Dienstgeber muss die Ansprüche innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend machen.

Ihr Arbeitgeber hätte seinen Rückforderungsanspruch, mit dem er letztlich die Aufrechnung begehrt, zunächst zu beziffern. Dies ist bislang nicht geschehen. Aus diesem Grund könnte der Anspruch auf Rückforderung aufgrund der Ausschlussfristen erloschen sein. Wenn das Regelwerk der AVR keine Anwendung finden, die Ausschlussfrist nicht greift oder Sie sich nicht darauf berufen, könnte Ihr Arbeitgeber nach Bezifferung des Anspruches zwar die Aufrechnung erklären, müsste jedoch die Pfändungsgrenzen beachten.
Bitte beachten Sie, dass dies nur eine erste Einschätzung ist. Eine nähere rechtliche Beurteilung kann im Rahmen dieses Forums und ohne Kenntnis der vertraglichen Regelungen nicht erfolgen.

Abschliessend möchte ich Sie noch darauf hinweisen, dass durch das Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts anders ausfallen kann. Im Falle von Unklarheiten machen Sie bitte von der kostenlosen Nachfragefunktion Gebrauch.

Mit freundlichen Grüßen

Miriam Helmerich
Rechtsanwältin



Rückfrage vom Fragesteller 9. Juni 2008 | 14:40

Nochmal zum Verständnis für mich - das Gehalt wurde im Oktober 2007 - zurück gerechnet, sprich die Forderung des AG entstand. Danach ist nichs mehr passiert - bis letzte Woche. Ist die Forderung nun nach AVR verjährt oder nicht?

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 9. Juni 2008 | 16:17

Sehr geehrte Fragestellerin,

dieser Teil meiner Beantwortung war in der Tat mißverständlich. Ich bitte dies zu entschuldigen. Die geregelten Ausschlussfristen führen nicht zu einer Verjährung des Anspruches. Die Verjährung ist eine sog. Einrede dh derjenige, der sich darauf berufen möchte, muss die Verjährung geltend machen. Grundsätzlich verjähren arbeitsrechtliche Ansprüche innerhalb von drei Jahren.

Eine vertraglich geregelte Ausschlussfrist, wie in diesem Fall, führt dagegen dazu, dass ein Recht erlischt, wenn es nicht rechtzeitig geltend gemacht wird. Im Gegensatz zur Verjährung muss diese im Rahmen der Auseinandersetzung nicht ausdrücklich geltend gemacht werden, sondern sie ist von Amts wegen zu berücksichtigen.

Sollte also der Rückforderunganspruch entsprechend Ihren Angaben im Oktober 2007 fällig geworden sein, das Regelwerk Anwendung finden und die Voraussetzung vorliegen, was nach erster Einschätzung der Fall ist, wäre der Anspruch nach Ablauf von 6 Monaten erloschen.

Ich hoffe, ich konnte die Unklarheiten nunmehr beseitigen und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Miriam Helmerich
Rechtsanwältin

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