Sehr geehrter Fragesteller,
grundsätzlich sind im Öffentlichen Dienst zwei große Gruppen von Dienstverpflichteten zu unterscheiden:
a) Beamte
Für diese Gruppe finden die beamtenrechtlichen Gesetze und Verordnungen (BRRG, zukünftig Beamtenstatusgesetz, landesrechtliche Beamtengesetze) Anwendung. Streitigkeiten sind vor den Verwaltungsgerichten auszutragen.
b) Angestellte
Für diese Gruppe findet arbeitsrechtliche Regelungen und Gesetzes Anwendung, vor allem aber die umfassenden Tarifwerke TVÖD oder TV-L (früher BAT oder andere Tarifverträge). Streitigkeiten sind vor dem Arbeitsgericht auszutragen.
Daneben gibt es noch eine kleine Gruppe von Angestellten, die ein "Zwitterdasein" führen. Diese sind durch Arbeitsvertrag eingestellt, im Arbeitsvertrag wird aber umfassend auf beamtenrechtliche Regelungen Bezug genommen. Für diese Angestellten gilt auch im Versorgungsfall Beamtenrecht, Rentenanwartschaften in DRV oder VBL sind im Gegensatz zu den übrigen Angestellten nicht eingezahlt worden. Diese Angestellten sind häufig - aber nicht immer - bei gesetzlichen Versicherungen oder Berufsgenossenschaften angestellt und werden meist als "Dienstordnungsbeamte" o. ä. bezeichnet.
Zu dieser letzten Gruppe von Angestellten gehören Sie offenbar. Die Konsequenz aus dieser rechtlichen Konstellation ist, dass Sie weiterhin Angestellter und kein Beamter sind. Die Anwendung des Beamtenrechts ist arbeitsvertraglich vereinbart, deswegen sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG
auch die Arbeitsgerichte für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis zuständig und nicht die Verwaltungsgerichte. Die Verwaltungsgerichte wären zuständig, wenn Sie als Beamter durch den Dienstherrn "ernannt" worden wären - also kein Vertrag vorläge. In diesem Fall läge kein Arbeitsvertragsverhältnis vor, sondern ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis vor.
Deshalb ist auch in Ihrem Fall bei einem Zwangspensionierungsverfahren das Arbeitsgericht zuständig - auch wenn es für den Richter sicher kein gewohntes Terrain darstellt, beamtenrechtliche Regelungen anwenden zu müssen. Die beamtenrechtlichen Regelungen sind aber auch nicht durchgängig anwendbar, sondern nur soweit sie dem Wesen nach auf ein Arbeitsverhältnis anwendbar sind.
Das BetrAVG ist auf Ihren Fall nicht anwendbar. Das BetrAVG regelt den Fall einer ´zusätzlichen´ betrieblichen Altersversorgung, die neben der gesetzlichen Altersversorgung gezahlt wird. Dies wird schon daraus deutlich, dass das BetrAVG in § 18 BetrAVG
Sonderregelungen für den Öffentlichen Dienst enthält, die sich in erster Linie mit den Zusatzversorgungseinrichtungen des ÖD befassen. Sie haben hingegen eine Gesamtversorgungszusage. Rentenbeiträge oder Beiträge in eine betriebliche Altersversicherung wurden für Sie nie geleistet. Eine durch regelmäßige Beitragszahlungen erworbene Anwartschaft, wie dies für eine betriebliche Altersversorgung typisch ist, haben Sie also gar nicht. Darüber hinaus verweist Ihr Arbeitsvertrag auch umfassend auf das für Bayrische Beamte geltende Versorgungsrecht. Das bedeutet, dass Sie derzeit noch nach dem BeamtVG zu versorgen sind, was auch bedeutet, dass für Sie das jeweils aktuell geltende Beamtenversorgungsrecht mit den entsprechenden Übergangsregelungen gilt. Seit der GG-Änderung m letzten Jahr ist der Bayrische Landesgesetzgeber ermächtigt, ein eigenes Versorgungsrecht zu schaffen. Dies ist meines Wissens noch nicht erfolgt, deswegen gilt für Sie weiterhin das BeamtVG. Das Bundesverfassungsgesetz hat bereits 2005 festgestellt, dass die Reduzierung des Ruhegehaltssatzes unter 75 % verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
Mit freundlichen Grüßen
Eckart Johlige, Rechtsanwalt
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,
vielen Dank für ihre Einschätzung der Rechtslage.
Ich darf ihre Antwort insoweit (aufgrund fehlender Information meinerseits) noch einmal zur Diskussion stellen, als ich nicht von Beginn an (= vor 30 Jahren) einen solchen Versorgungsvertrag erhalten habe (gab es nur auf Grundlage entsprechender Leistungen), sondern anfänglich einen ganz normalen Arbeitsvertrag inne hatte; somit selbstverständlich auch Rentenbeiträge etc. über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren abgeführt wurden.
Es existiert in meinem Fall also sehrwohl eine durch regelmäßige Beitragszahlungen erworbene Anwartschaft (wenngleich diese in der Praxis sicherlich auszahlungstechnisch in einer auf Grundlage des Versorgungsvertrages "beamtenmäßig" zu berechnendengsmäßig zu berechnenden "Gesamtpension" aufgehen wird.
Meine Nachfrage auf Grundlage dieser Zusatzinformation:
Ist die von Ihnen vertretene Rechtsauffassung (= keine Anwendung des BetrAVG) auch für das Vorhandensein einer durch regelmäßige Beitragszahlungen erworbene Anwartschaft gültig?
Ich hätte grundsätzlich gerne etwas ausführlicher über das Thema "Zwangspensionierungsmöglichkeiten bei einem Angestellten", ggf. unter Nennung von Fundstellen (wie in meiner Anfrage erbeten) informiert werden wollen.
Meine Bitte um Präzisierung:
Gehe ich Recht in der Annahme, dass Sie eine Zwangspensionierungsmöglichkeit für Angestellte in meinem Fall grundsätzlich als möglich ansehen? Auf welcher Rechtsgrundlage? Zu dieser Frage kann ich ihren bisherigen Ausführungen keine eindeutige Antwort entnehmen - oder überlese ich da etwas?
Vielen Dank.
Sehr geehrter Fragesteller,
ich bitte zunächst um Verständnis, dass die Möglichkeiten, im Rahmen dieses Forums umfassende Fundstellen und Zitate aus der Rechtsprechung darzulegen, begrenzt sind. Der hier antwortende Anwalt hat nur 120 Minuten Zeit, die Anfrage zu beantworten, danach wird ihm die Frage automatisch entzogen. Dies macht es bei komplizierten Sachverhalten beinahe unmöglich, umfassend zu antworten.
Bei Zwangspensionierungsverfahren empfehle ich dringend die Beauftragung eines auf Öffentliches Dienstrecht spezialisierten Anwalts. Hiervon gibt es allerdings nicht allzu viele.
"Nähere Informationen" über den Ablauf eines Zwangspensionierungsverfahren zu geben, ohne eine konkrete Fragestellung zu haben, ist aus meiner Sicht kaum möglich. Jedes Verfahren verläuft aufgrund der individuellen Fallgestaltungen und zumeist medizinischen Sachverhalte anders. Ich bin gerne bereit, im Rahmen einer Mandatierung hierzu nähere Auskünfte zu erteilen, was aber auch nähere Informationen über Ihren Fall voraussetzt.
Fundstellen zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragestellungen will ich jedoch gerne nennen.
a) Zwangspensionierungen bei Angestellten sind zulässig, Rechtsgrundlage hierfür ist die vertragliche Vereinbarung dieser Möglichkeit, vgl. BAG, Urteil v. 24.9.1996, 3 AZR 423/95
, aus dem ich auszugweise zitiere:
"Die Parteien hatten arbeitsvertraglich vereinbart, daß der Kläger eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen erhält. Er war bei seiner Alters- und Invaliditätsversorgung so zu behandeln, als wäre er als Beamter tätig gewesen. Nach § 96 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen (LBG NW) richtet sich die Versorgung der Landesbeamten nach den Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG). Als Beamter hätte der Kläger nach § 96 Abs. 1 LBG NW in Verb. mit § 4 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG nur dann Ruhegehalt erhalten, wenn er gemäß § 45 ff. LBG NW wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden wäre. Bei Beamten ist die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit von einer Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zu unterscheiden. Bei Arbeitnehmern ist unter einer "Versetzung in den Ruhestand" die Umwandlung des Arbeitsverhältnisses in ein Versorgungsverhältnis zu verstehen, das den Arbeitnehmer nur noch zur Einhaltung von Restpflichten gegenüber dem Arbeitgeber und den Arbeitgeber zur Zahlung der Ruhestandsbezüge verpflichtet (BAG Urteil vom 15. Oktober 1985 - 3 AZR 93/84
)."
b) Die Versorgung richtet sich nach dem jeweils gültigen Beamtenversorgungsrecht, vgl. BAG, Urteil vom 22.2.2000, 3 AZR 39/99
, aus dem ich auszugweise zitiere:
"Die Beklagte hatte das Beamtenversorgungsgesetz in der bei Eintritt des Versorgungsfalles geltenden Fassung anzuwenden. Die Parteien haben nach dem eindeutigen Wortlaut des Dienstvertrages eine dynamische Verweisung auf das Beamtenrecht vereinbart. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Dienstvertrages richtet sich die Altersversorgung des Klägers "nach den für die bremischen Beamten jeweils geltenden beamtenrechtlichen Bestimmungen". Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 des Dienstvertrages sind die "für die bremischen Beamten jeweils geltenden versorgungsrechtlichen Vorschriften entsprechend anzuwenden". Diese dynamische Verweisung ist sachgerecht und entspricht am besten den Interessen beider Vertragsparteien (vgl. ua. BAG 16. August 1988 - 3 AZR 61/87
- AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 8
, zu 2 b der Gründe). Statische Verweisungen und die damit verbundene Zementierung bestimmter Versorgungsregelungen müssen deutlich zum Ausdruck gebracht werden (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. ua. Urteil vom 23. September 1997 - 3 AZR 529/96
- AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 23
= EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 14, zu I 2 der Gründe mwN)."
c) Dass Sie daneben auch vorher Rentenansprüche aus dem Angestelltenverhältnis erworben haben, schließt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen nicht aus. Nach § 55 BeamtVG sind Renten nämlich auf die zu erwartende Beamtenversorgung anzurechnen. Sie erhalten dann einerseits Rente von der DRV und daneben Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen. Die Versorgung ist dann unter Beachtung des § 55 BeamtVG zu kürzen. Sofern Sie aufgrund der vorzeitigen Pensionierung - sofern diese rechtmäßig erfolgen sollte, was sicherlich gerichtlicher Klärung bedarf - noch keine Rente seitens der DRV erhalten, besteht die Möglichkeit die beamtenrechtliche Versorgung nach § 14 a BeamtVG vorübergehend bis zum Erhalt der Rente zu erhöhen.