Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf der Grundlage der von Ihnen gemachten Angaben wie folgt beantworte.
Ich möchte gern einige erläuternde Sätze vorausschicken, bevor ich Ihre Fragen beantworte.
Aufgrund der Eheschließung Ihrer Mutter mit deren neuen Partner sind Sie dessen Stiefkind geworden. Damit stehen Ihnen die Freitbeträge aus § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG
(400.000 €) zu. Dies weil gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 Kinder und Stiefkinder der Steuerklasse I unterfallen.
Stiefkinder sind in Steuerklasse I unter Nr. 2 gesondert aufgeführt, sie zählen somit ebenfalls zur Steuerklasse I. Stiefkinder stehen nur zu einem der beiden Ehepartner in einem Kindschaftsverhältnis als dessen leibliche Kinder. Im Verhältnis zum anderen Ehepartner besteht ein Stiefkindverhältnis, das jeweils durch die Ehe des leiblichen Elternteils begründet wird. Im ErbStG besteht ein eigenständiger Begriff des „Stiefkindes", der nicht unbedingt das Bestehen eines zivilrechtlichen Verwandtschaftsverhältnisses voraussetzt (H 72 ErbStH). Der Kinderfreibetrag von 400 000 € steht auch Stiefkindern zu; denn in § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG
wird nicht zwischen eigenen leiblichen, adoptierten Kindern und Stiefkindern unterschieden (Jülicher in: Troll, ErbStG, 38. Aufl., Rn 11).
Vor diesem Hintergund ist es grundsätzlich irrelevant, ob Sie von Ihrer Mutter oder Ihrem Stiefvater erben. Der Freibtrag ist derselbe.
1.) Wäre es sinnvoll, dass mein Stiefvater meine Mutter als Alleinerbin einsetzt, so dass meine Schwester und ich nur von ihr erben, sofern sie ihren Ehemann überlebt? Kann also so der frühere Eigentumsanteil an mich und meine Schwester über unsere Mutter steuerfrei (weil insgesamt innerhalb der für ein Kind derzeit geltenden Steuerfreigrenzen befindlich) vererbt werden?
Dies ist die typische Gestaltung des Berliner Testaments. Das Einsetzen Ihrer Mutter als Alleinerbin für den Fall, dass Ihr Stiefvater vorverstirbt, führt zur Schlusserbfolge von Ihnen und Ihrer Schwester. D. h. zunächst wird Ihre Mutter Vollerbe Ihres Stiefvaters und sodann werden Sie und Ihre Schwester Schlusserben. Meist ist eine Bindungsklausel mit einbezogen, so dass der Erstversterbende nicht von der eingesetzen Schlusserbfolge abweichen kann.
In steuerrechtlicher Hinsicht bleiben die Freibeträge der Schlusserben beim Berliner Testament beim ersten Erbgang auf den überlebenden Ehegatten unberücksichtigt. Sie erben als Schlusserben mit den entsprechenden Freibeträgen direkt von Ihrer Mutter.
2.) Wie wäre es steuerlich beim klassischen Berliner Testament? Wirkt die Vorerbschaft meiner Mutter sich vielleicht „schon" so aus, dass das Erbe von dieser insgesamt mit den Steuerfreibeträgen für ein leibliches Kind weitervererbt werden kann (auch bezogen auf das Vorerbe von ihrem Ehemann)?
Eine weitere Konstellation des Berlinder Testaments ist die Einsetzung als Vor- und Nacherben. D. h. Ihre Mutter erbt als Vorerbin direkt vom Erblasser. Die Freibeträge bestimmen sich nach deren Verwandschaftsverhältnis zum Erblasser.
Sie als Nacherbe unterliegen bis zum Eintritt des Nacherbfalls grundsätzlich keiner Steuerpflicht. Der dem Nacherbe zufallende Erwerb gilt erbschaftsteuerlich als vom Vorerben stammend (§6 Abs. 2 S. 1 ErbStG
). Also bestimmen sich Steuerklasse und Freibeträge nach dem Verwandschaftsverhältnis der Nacherben zum Vorerben. Auf Antrag des Nacherben kann das Verhältnis zum Erblasser maßgebend sein.
3.) Der unwahrscheinliche Fall des gleichzeitigen Ablebens (Flugzeugabsturz etc): Könnte nur für den Eintritt dieses Falles geregelt werden, dass unser Stiefvater meine Schwester und mich für diesen Fall bereits als Erben einsetzt?
Auslegung der Schlusserbenklausel ergibt regelmäßig, des sie auch die Erbfolge im Fall des gleichzeitigen Versterbens bzw. "annähernd" gleichzeitigen Versterbens erfasse. Ich würde allerding empfehlen, eine spezielle Klausel mit klarstellender Funktion in das Testament aufzunehmen.
4.) Gibt es für meine Fragestellungen sonst etwas, das aus Ihrer Sicht geregelt werden sollte?
Hinsichtlich der Übertragung von Eigentum oder Eigentumsanteilen an Grundstücken möchte ich darauf hinweisen, dass insofern die notarielle Form zwingend ist. Insbesondere würde ich sodann eine Absicherung durch eine Wohnrechtsklausel vornehmen. Ferner ist an eine Pflichtteilsklausel zu denken.
5.) Wie ist das Testament ohne Hinzuziehung eines Notars von der Form her aufzusetzen, jeder für sich handschriftlich mit identischem Inhalt oder reicht es, wenn einer es handschriftlich aufsetzt und beide unterschreiben?
Ein gemeinschaftliches Testament kann eigenhändig errichtet werden. Dies setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Errichtung die beiden Testierenden verheiratet sind (§ 2265 BGB
). Es ist nicht notwendig zwei Einzeltestamente zu errichten (§§ 2266
, 2267 BGB
). Ein Ehegatte errichtet das gemeinsamen Testament eigenhändig (also komplett handschriftlich geschrieben) und es unterzeichnen beide Ehegatten das gemeinsame Testament. Angabe von Ort und Datum sind erforderlich.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen umfassend beantworten. Sofern Sie Hilfe bei der Errichtung oder einzelnen Formulierungen haben, können Sie mich gern unter der angebenen Email-Adresse kontaktieren.
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