Sehr geehrte Fragestellerin,
zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1.
Leider suchen Sie erst rechtlichen Rat, nachdem das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.
Der Arbeitsvertrag, den Ihnen Ihr Arbeitgeber vorgelegt hat, ist, abstrakt gesehen, dermaßen nachteilig, daß man dieses "Angebot" des Arbeitgebers schon als dreist bezeichnen muß.
Nun haben Sie diesen Vertrag unterzeichnet, so daß der Vertrag grundsätzlich wirksam ist.
2.
Man kann daran denken, die Unterzeichnung des Vertrags gem. § 119 Abs. 1 BGB
wegen Irrtums anzufechten. Sie haben vermutlich bei der Unterzeichnung des Vertrags nicht ansatzweise erkannt, welche Nachteile der Vertrag mit sich bringt bzw. mit sich bringen kann.
Eine Anfechtung wegen Irrtums erfolgt in der Weise, daß Sie dem Arbeitgeber gegenüber schriftlich erklären (per Einschreiben mit Rückschein), daß Sie die Anfechtung des Vertrags wegen aller in Betracht kommender Gründe, insbesondere wegen Irrtums gem. § 119 BGB
, erklären.
Wenn die Anfechtung greift, was ggf. in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren zu klären wäre, wäre der neue Arbeitsvertrag von Anfang an nichtig mit der Folge, daß Ihr bisheriger Vertrag wieder Gültigkeit hätte.
3.
Ist es korrekt und rechtsmäßig von meinem Arbeitgeber die Verträge an die Mitarbeiter auszuhändigen noch bevor die Verhandlungen und die Vertragsunterzeichnung mit der neuen Arbeitgeberverband abgeschlossen sind?
Grundsätzlich ist dagegen kaum etwas einzuwenden. Schließlich handelt es sich um einen individuellen Arbeitsvertrag, den der Arbeitgeber mit jedem einzelnen Arbeitnehmer abzuschließen sucht.
4.
Was bedeutet es für mich, wenn die Verträge durch die Gewerkschaft als nichtig bezeichnet werden? Gilt dann mein alter Vertrag weiterhin?
Ob die Gewerkschaft die Verträge als nichtig bezeichnet, ist zunächst unerheblich, da sich daraus nicht zwangsläufig ergibt, daß die Verträge auch nichtig sind. Ob die Verträge, aus welchen Gründen auch immer, nichtig sind, muß im Zweifelsfall das Arbeitsgericht entscheiden.
5.
Sind die Verträge auch dann hinfällig und unwirksam, wenn es zu keinem Abschluß zwischen meinem Arbeitgeber und dem neuen Arbeitgeberverband zu dem gewechselt werden soll, kommt?
Was sollte ich dann beachten?
Da ein Individualvertrag vorliegt, der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen worden ist, kommt es auf den Wechsel bezüglich des Arbeitgeberverbands nicht an.
6.
Grundsätzlich müßte zunächst geprüft werden, wie sich der neue Vertrag nicht nur abstrakt, sondern auch konkret in Ihrem Fall für Sie auswirkt.
So wird z. B. gesagt, daß Ansprüche aufgrund betrieblicher Übung nicht mehr bestehen sollen. Das ist im Grunde eine nachteilige Klausel für den Arbeitnehmer, die sich für Sie aber dann nicht auswirkt, wenn Sie (noch) keine Ansprüche aus betrieblicher Übung erworben haben.
Das ist nur ein Beispiel. Auf diese Weise müßten alle neuen vertraglichen Regelungen dahingehend überprüft werden, wie sie sich für Sie auswirken. Wenn das Ergebnis feststeht, kann man entscheiden, ob der Versuch, den Vertrag wegen Irrtums anzufechten, Sinn macht.
Deshalb empfehle ich, sich anwaltlich beraten zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt
Diese Antwort ist vom 16.08.2010 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sie sagen das der Wechsel bezüglich des Arbeitgeberverbandes nicht ausschlaggebend ist für den neuen Arbeitsvertrag.
Was ist jedoch wenn der Arbeitgeber in dem Vertrag Vereinbarungen zur Lohnzahlung bzw. Urlaubsabgeltung etc. anhand des an den Arbeitgeberverbandes und dessen Satzung gebundenen Tarifvertrag macht?
Gelten diese dann auch, wenn es zu keinem Wechsel kommen sollte?
Diese wären dann nämlich von Vorteil für meine Person und einige andere Mitarbeiter.
Vielen Dank auch hier für Ihre Antwort im Voraus.
Sehr geehrte Fragestellerin,
zu Ihrer Nachfrage nehme ich wie folgt Stellung:
Hier muß man unterscheiden zwischen dem Individualarbeitsvertrag und tarifvertraglichen Vereinbarungen. Ein Tarifvertrag kann dazu führen, daß z. B. ein bestimmter (Mindest)lohn, um nur ein Beispiel zu nennen, gezahlt werden muß. Das gilt natürlich ebenso für Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
Der Arbeitgeber darf stets mehr leisten, als es der Tarifvertrag vorsieht. D. h. behinhaltet der individuelle Arbeitsvertrag bessere Bedingungen als der Tarifvertrag, gilt selbstverständlich der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgehandelte Arbeitsvertrag. Der Tarifvertrag regelt also nur die untere Grenze.
Aus diesen Gründen muß man alle Einzelheiten kennen, um ausloten zu können, welcher Weg der Günstigere ist.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt