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Unterhalt für Volljährige nach zehnmonatiger Orientierungszeit?

27. Mai 2007 14:20 |
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Familienrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Wolfram Geyer

Eine volljährige Tochter macht im Juli 2006 ihr Abitur mit sehr gutem Erfolg. Da sie seit einigen Jahren an Anorexie erkrankt ist, will sie sich zunächst in intensive Behandlung begeben, um gesund(er)zu werden. Außerdem will sie sich im Hinblick auf ein mögliches Studien- bzw. Ausbildungsziel orientieren. Sie verläßt die Wohnung der Mutter, bei der Sie gelebt hat und die bis zur Volljährigkeit das alleinige Sorgerecht hatte, und bezieht eine Wohnung im Haus eines Verwandten. Der Vater zahlt weiterhin seinen Anteil des Kindesunterhaltes, da der Tochter eine Orientierungszeit zusteht und er ein ernsthaftes Bemühen bei der Bekämpfung der Krankheit erwartet.
Im Mai 2007 ist die Tochter immer noch sehr krank. Sie hat zwei Aufenthalte in verschiedenen Kliniken hinter sich, die sie beide in eigener Verantwortung abgebrochen hat. Was die berufliche Orientierung angeht, so besucht sie seit Ende April 2007 ein auf ein Jahr angelegtes Seminar zur Berufs- und Selbstfindung. Dies ist in freier Trägerschaft organisiert und der Besuch, der auch eine Vollzeitunterbringung beinhaltet, ist mit erheblichen Kosten verbunden. Die Entscheidung hat die Tochter in Absprache mit der Mutter getroffen. Wie genau die Finanzierung aussieht, ist dem Vater nicht bekannt.

Fragen: Wie lange ist der Vater nach nunmehr zehnmonatiger Orientierungs- und Genesungszeit, die sowohl in gesundheitlicher als auch in studienorientierender Hinsicht erfolglos war,
noch unterhaltspflichtig? Ist er verpflichtet für die Dauer des privaten Berufs- und Selbstfindungsseminars (bis Ende März 2008) Unterhalt zu zahlen? Oder besteht Unterhaltspflicht erst wieder, wenn ein Studium oder eine Ausbildung aufgenommen wird?

Sehr geehrter Ratsuchender,


Ihre Frage ist nicht einfach und an dieser Stelle nicht eindeutig zu beantworten. Nach überschlägiger Prüfung des Falles anhand Ihrer Angaben tendiere ich allerdings eher dazu, dass eine Unterhaltspflicht auch während der Dauer des privaten Berufs- und Selbstfindungsseminars noch besteht.

Wie Ihnen möglicherweise bekannt ist, verliert das unterhaltsberechtigte Kind seinen Anspruch nicht unbedingt automatisch mit Eintritt der Volljährigkeit, solange es sich um eine den Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Ausbildung aktiv und nachweislich bemüht (vgl. BGH NJW 1998, 1555 ).

Hierbei ist dem unterhaltsberechtigten Kind zum Einen eine gewisse Orientierungsphase von bis zu ca. einem Jahr zuzubilligen. Zum Anderen müssen die unterhaltsverpflichteten Eltern darüber hinaus während der Dauer einer Krankheit in der Regel die Überbrückungszeit bis zu einer angemessenen Berufsausbildung finanzieren, weil es hier an einem Verschulden des Kindes fehlt, seine eigene Leistungsfähigkeit herzustellen bzw. seiner Obliegenheit zur Ableistung einer Berufsausbildung nachzukommen (vgl. BGH FamRZ 1998, 671 , OLG Hamm FamRZ 1990, 904 ).

Ihr Fall weist die Besonderheit auf, dass die Verzögerung der Berufsausbildung sowohl auf gesundheitlichen Gründen beruht als auch teilweise auf eigenem Versagen des Kindes, soweit die Tochter die Krankenhausaufenthalte ohne nachvollziehbaren Grund abgebrochen hat.

Auch ist bei einer hier absehbaren Verzögerung von 1 ¾ Jahren im Rahmen einer Gesamtabwägung durchaus zu prüfen, inwieweit die Finanzierung des Lebensunterhalts des Kindes für die Eltern wirtschaftlich zumutbar ist, ansonsten kann der Unterhaltsanspruch entfallen (vgl. BGH NJW 2001, 2117). Erst mit Beginn einer qualifizierenden Berufsausbildung bestünde dann ein Anspruch nach §§ <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__1601.html" target="_blank">1601</a>, <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__1610.html" target="_blank">1610</a> Abs. 2 <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/index.html" target="_blank">BGB</a>.

Allerdings wird hier die Schwere und Langwierigkeit der Krankheit zu Gunsten der Tochter zu berücksichtigen sein. Im Übrigen müssen die Eltern ein nur vorübergehendes Versagen, soweit ein solches hier überhaupt wegen des Abbruchs des Krankenhaltsaufenthalts anzunehmen ist, hinnehmen.

Für die Tochter spricht im vorliegenden Fall der Umstand, dass sie sich nunmehr anscheinend bemüht, ihre Krankheit zu überwinden und im Rahmen des privaten Berufs- und Selbstfindungsseminars auch die Eigenständigkeit anstrebt.

Ein Vorbereitungslehrgang zu einer anschließenden Berufsausbildung wird deshalb von Literatur und Rechtsprechung als unschädlich für den Unterhaltsanspruch angesehen (z.B. OLG Hamm FamRZ 2000, 904 ).

Eine andere Frage ist es, ob diese Art von Vorbereitung wirklich geeignet für die Tochter ist und ob die finanziellen Mittel der Eltern hierfür überhaupt ausreichen. Falls nicht, müsste hier von den Beteiligten nach entsprechenden Alternativen gesucht werden.


Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen und stehe im Bedarfsfall gerne für Rückfragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen


Wolfram Geyer
Rechtsanwalt

Rückfrage vom Fragesteller 27. Mai 2007 | 20:53

Sehr geehrter Herr Anwalt,

ich bedanke mich für ihre differenzierte Antwort, die mir wirklich weiterhilft. Eine Nachfrage möchte ich noch stellen:
Wie beurteilen Sie die unterhaltsrechtliche Lage für den Fall, dass das Kind auch die jetzige Orientierungsmaßnahme abbricht und sich qualifizierten therapeutischen Maßnahmen verweigert? Zugespitzt: Wie lange sind Eltern unterhaltsverpflichtet, wenn erwachsene Kinder aufgrund dauerhafter Krankheit ohne Berufsausbildung bleiben?

MfG Fragesteller

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 27. Mai 2007 | 23:12

Sehr geehrter Ratsuchender,

denkbar ist grundsätzlich durchaus eine dauernde Unterhaltspflicht leistungsfähiger Eltern, solange das Kind arbeitsunfähig ist und auch keiner Ausbildung nachgehen kann.

Wenn die Tochter jedoch die Orientierungsmaßnahme aufgibt und sich erfolgversprechenden Therapien entzieht, kann sie ihren Unterhaltsanspruch zumindest teilweise gemäß § <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://bundesrecht.juris.de/bgb/__1611.html" target="_blank">1611</a> BGB verwirken, wenn sie mit ihrem Verhalten nachweislich eine Ursache für die eigene Bedürftigkeit setzt. Dies hätte zur Folge, dass nur noch Billigkeitsunterhalt zu zahlen ist, wobei sich der noch zu leistende Beitrag zum Unterhalt unter anderem nach der Schwere der Verfehlung richtet und anhand aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln ist.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfram Geyer
Rechtsanwalt

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