Sehr geehrter Fragesteller,
Frage 1:
"Wie kann ein rückwirkender Anspruch auf Kindergeld für den Zeitraum Juni 2012 – Februar 2015 durchgesetzt werden, sofern dieser besteht? Sollte Einspruch eingelegt werden? Wie soll ich nun weiter verfahren?"
Da Ihre Schwester ab 2011 volljährig war, richtet sich die Frage des Kindergelds bei volljährigen nach § 2 II BKGG (Bundeskindergeldgesetz), der wie folgt lautet:
"Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es
1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitssuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes oder einen Freiwilligendienst im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 zur Einrichtung von „Erasmus+", dem Programm der Union für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport, und zur Aufhebung der Beschlüsse Nr. 1719/2006/EG, Nr. 1720/2006/EG und Nr. 1298/2008/EG (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 50) oder einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes oder einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts" im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) oder einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a
des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) oder einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes leistet oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist."
Würden also die in der Norm genannten Voraussetzungen für den streitigen Zeitraum vorliegen, bestünde ohne Weiteres ein Anspruch auf Kindergeld, der auch noch rückwirkend geltend gemacht werden könnte.
Allerdings wurde mit Bescheid von Oktober 2014 der Antrag nach § 2 II Nr. 3 BKGG abgelehnt, weil man nach Stellungnahme der Reha-/Schwerbehindertenstelle der Agentur für Arbeit keine ursächliche Behinderung feststellen konnte.
Danach hätte also nur ein Anspruch bestanden, wenn man die Stellungnahme widerlegt hätte oder aber Ihre Schwester nach § 2 II Nr. 1 BKGG bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitssuchende gemeldet gewesen wäre.
Da dies vermutlich nicht der Fall gewesen ist, besteht bei Ihrer Schwester für den genannten Zeitraum bedauerlicherweise kein Anspruch auf Kindergeld, wenn die Voraussetzung des § 2 II Nr. 3 BKGG nicht dargelegt werden kann.
Dies hätte man aber grundsätzlich im Rahmen der Widerspruchsfrist des ablehnenden Bescheids angreifen müssen.
Allerdings scheint es nach Ihrer Schilderung nicht fernliegend, dass der Anspruch zu Unrecht abgelehnt worden ist, denn wie man einen GdB von 50 % einfach ignorieren kann, wird sich erst nach Durchsicht der Unterlagen ergeben. Hierzu sollte Ihre Schwester den gesamten Sachverhalt unter Vorlage der Unterlagen anwaltlich vor Ort prüfen lassen. Hierzu dürfte ihr Beratungs- wie auch Prozesskostenhilfe zustehen. Dann kann konkret geprüft werden, ob und wie man eine Behinderung in diesem Zeitraum darlegen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Raphael Fork
-Rechtsanwalt-
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Diese Antwort ist vom 06.08.2015 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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