im nachfolgend summarisch geschilderten Fall möchte ich Sie gerne um eine Erstauskunft bitten:
Ein Ehepaar hat zwei Kinder A und B - A hat vor wenigen Jahren den Kontakt zur Familie nach einem Streit praktisch abgebrochen. Daraufhin haben die Eltern in ihrem gemeinschaftlichen Testament B als Alleinerben eingesetzt, wenn eines der beiden Eltern verstirbt. B muss dann dem überlebenden Elternteil genau bestimmte monatliche Zahlungen leisten. A wurde zwar als Ersatzerbe bestimmt, ist aber sonst im Testament nicht erwähnt und damit enterbt. Der Erbfall ist noch nicht eingetreten.
Da ich mich in dieser Materie wenig auskenne, bitte ich Sie um Auskunft zu folgenden Fragen:
1) Könnte A seinen Pflichtteil schon zu Lebzeiten der beiden Eltern fordern ?
2) Kann A nach Wegfall eines Elternteils einen Pflichtteilsanspruch auch gegen Vermögenswerte richten, die ausschliessliches Eigentum des überlebenden Elternteils waren und sind ?
3) Hätte B die Möglichkeit die Alleinerbschaft auszuschlagen und dann seinen Pflichtteil zu fordern ?
4) Die Eltern haben B Schenkungen zugewendet - dadurch verringert sich ja der Wert des Nachlasses, aus dem sich dann im Erbfall eine evtl. geforderter Pflichtteil von A errechnet. Hätte A irgendwelche Ausgleichsansprüche gegen B aufgrund einer solchen Schenkung ?
Ein Erbanteil oder ein Pflichtteil kann nicht zu Lebzeiten des Erblassers oder der Erblasser velangt werden. Das Erbrecht und damit auch das Pflichtteilisrecht entsteht erst mit dem Erbfall, also mit dem Tod des Erblassers.
Zu Ihrer 2) Frage:
Das Pflichtteilsrecht bezieht sich ausschließlich auf das Vermögen des verstorbenen Ehegatten. Bei gemeinsamen Eigentum, beispielsweise einer Immobilie bei der die Ehegatten jeweils hälftige Eigentümer sind, bezieht sich die Berechnung des Pflichtteils auf die Hälfte die dem Erblasser zuzurechnen ist. Sowohl beim Ehestand der Zugewinngemeinschaft wie auch bei der Gütertrennung ist das Eigentum der Ehepartner getrennt zu betrachten.
Zu Ihrer 3) Frage:
B kann das Erbe im Erbfall ausschlagen und an dessen Stelle den Pflichtteil geltend machen. Der Pflichtteil wäre dann nicht mit den testamentarischen Auflagen beschwert. Wenn B also die Zahlungsverpflichtungen an den überlebenden Ehegatten nicht übernehmen möchte, kann er das Erbe ausschlagen und sich seinen Pflichtteil auszahlen lassen. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbes. In Ihrem Fall beträgt der Pflichtteil ein Achtel des Vermögens des Erblassers wenn ein Elterteil verstirbt und die Eheleute im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben.
Zu Ihrer 4) Frage:
Schenkungen der letzten 10 Jahre werden bei der Berechnung des Pflichtteils hinzugerechnet. Wenn B also beispielsweise 10.000,- € von dem verstorbenen Elternteil schenkungsweise bekommen hat, erhöt sich entsprechend der Pflichtteil. Zu beachten ist hier aber einmal die 10-Jahresfrist und von welchem Elternteil die Schenkung erfolgte, also aus welchem Vermögen der Schenkungsbetrag abgeflossen ist. Hat B Schenkungen allein von dem überlebenden Elternteil bekommen, erhöht sich der Pflichtteil in Bezug auf erstversterbenen Elternteil nicht.
Rückfrage vom Fragesteller12. Dezember 2006 | 16:24
Sehr geehrter Herr RA Straeter,
vielen Dank für Ihre sehr schnelle Antwort, die für mich nun vieles klargestellt hat !
Ich würde gerne noch eine Nachfrage anschliessen: Die monatl. Raten müssten vom Alleinerben ja evtl. über einen sehr langen Zeitraum nach dem Erbfall gezahlt werden. Andererseits könnte es ja sein, dass der Nachlasses auch bei sorgfältigem Umgang aufgrund schlechter wirtschaftlicher Entwicklung die Raten nicht mehr "hergibt". Es könnte somit der Extremfall eintreten, dass der Alleinerbe die Raten nicht mehr aus dem ererbten Vermögen bezahlen kann - dann wäre der Alleinerbe ja wohl mit seinem Privatvermögen "dran". Würde es hier eine Möglichkeit für den Alleinerben geben, um sein finanzielles "Ausbluten" zu verhindern ?
Mit freundlichen Grüssen
Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt12. Dezember 2006 | 17:10
Mit der Annahme des Erbes (also der Nichtausschlagung) wird entsteht auch die Verpflichtung die Auflage zu erfüllen. Die Erfüllung der Auflage, (die Zahlung) ist nicht auf das Erbe beschränkt. Es kommt also auch eine Haftung mit dem Provatvermögen des Erben in Betracht.
Sinnvoll kann hier sein eine entsprechende Klausel ins Testament mit aufzunehmen, die diesen Fall regelt.