Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
vielen Dank für Ihre Anfrage. Aufgrund Ihrer Sachverhaltsschilderung möchte ich Ihre Frage wie folgt beantworten:
Ihr Vater und Ihre Stiefmutter hatten ein sog. Ehegattentestament errichtet. Die beiden haben sich jeweils als Erbe des zuerst versterbenden Ehegatten eingesetzt. Die Abkömmlinge wurden damit enterbt.
Nach dem von Ihnen zitierten Wortlaut handelt es sich um ein sog. Berliner Testament. Das heisst, die Kinder werden als Schlusserben eingesetzt, so dass ihnen beim Tode des Erstversterbenden lediglich ein Pflichtteilsanspruch gegen den überlebenden Ehegatten als Alleinerbe zusteht.
Wenn Ihr Vater und Ihre Stiefmutter in Zugewinngemeinschaft gelebt haben, dann hatte Ihre Stiefmutter nach dem Tod Ihres Vaters einen gesetzlichen Erbteil von 1/2. Die andere Hälfte teilte sich unter seinen drei Kindern auf. Jedes Kind hatte also einen gesetzlichen Erbteil von 1/6. Da Sie als Abkömmling aufgrund des Berlier Testaments enterbt waren, hatten Sie einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte Ihres gesetzlichen Erbteils. Das heisst, Sie hatten einen Pflichtteilsanspruch von 1/12 gegen Ihre Stiefmutter, die Alleinerbin Ihres Vaters war. Sie hatten somit gegen Ihre Stiefmutter einen Anspruch auf die Auszahlung eines 1/12 des Nachlasses Ihres Vaters.
Wenn Sie auf diesen Pflichtteilsanspruch nicht verzichtet haben, dann können Sie diesen Anspruch nunmehr gegen die Erben Ihrer Stiefmutter geltend machen.
Ihre Halbgeschwister müssten Ihnen dann den Betrag auszahlen, der dem 1/12 des Nachlasses Ihres Vaters (nicht Ihrer Stiefmutter) entspricht, dies setzt aber voraus, dass der Nachlass der Stiefmutter mindestens so hoch ist, wie Ihr Pflichtteilsanspruch.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen hiermit eine erste rechtliche Orientierung geben. Diese Auskunft kann aber u.U. nicht eine umfassende anwaltliche Beratung bezüglich der konkreten Höhe und der Durchsetzung Ihrer Ansprüche ersetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Ina Hänsgen
Rechtsanwältin
Meine Stiefmutter ist nicht gestorben. Ich möchte jetzt auch noch keinen Pflichtteilanspruch geltend machen, sondern erst im Falle des Todes meiner Stiefmutter, oder gibt es Verjährungszeiten?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Ratsuchende,
vielen Dank für die weitere Sachverhaltsaufklärung im Rahmen Ihrer Nachfrage.
Die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen ist in § 2332 BGB
geregelt. Danach verjähren Pflichtteilsansprüche in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in 30 Jahren von dem Eintritt des Erbfalls an.
Für Sie bedeutet das, dass Ihr Pflichtteilsanspruch gegen Ihre Stiefmutter drei Jahre nachdem Sie Kenntnis von dem Tod Ihres Vaters und von dem Sie ausschließenden Testament hatten, verjährt ist. Ihre Stiefmutter bzw. ihre späteren Erben werden sich deshalb wohl schon jetzt auf eine Verjährung Ihres Pflichtteilsanspruchs berufen können, aber sie müssen dies nicht tun.
Ich hoffe, ich konnte damit Ihre Nachfrage (wenn auch nicht in Ihrem Interesse) zu Ihrer Zufriedenheit beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Ina Hänsgen
Rechtsanwältin