Sehr geehrter Fragesteller:
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich möchte anhand des geschilderten Sachverhaltes im Rahmen einer Erstberatung wie folgt beantworten:
Vorab sei gesagt, dass eine abschließende Antwort erst nach Durchsicht der Testamente möglich ist.
Ich gehe bei meiner Antwort davon aus, dass Ihre Eltern ein sog. Berliner Testament erreichtet haben. Dies kann zwar unzutreffend sein, ist aber der häufigste Form eines gemeinschaftlichen Testamentes.
Mit dem Tod Ihrer Mutter trat für Ihren Vater eine Bindung an seine eigenen wechselbezüglichen Verfügungen in dem gemeinschaftlichen Testament ein.
Wechselbezügliche Verfügungen liegen vor, wenn die eine ohne die andere nicht getroffen worden wäre.
Haben sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben und als Erben des Längstlebenden das gemeinsame Kind eingesetzt, wird nach § 2270 Abs. 2 BGB
vermutet, dass hinsichtlich der getroffenen Verfügungen Wechselbezüglichkeit vorliegt.
Dagegen kann Ihr Vater unter Lebenden als Erbe über die Erbschaft grundsätzlich unbeschränkt verfügen. Damit meine ich, dass die Vollmacht an die Ehefrau nicht zu beanstanden wäre-
Es wäre noch zu prüfen, ob etwaige Pflichtteilsansprüche zur Ihren Gunsten verjährt sind.
A. Tod meines Vaters
1. Auf welchen Anteil hat seine Ehefrau Anspruch, auf welchen ich?
Ihr Vater sollte aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments verwehrt sein, einen bindend eingesetzten Schlusserben (hier: Sie) durch ein Vermächtnis, durch eine Auflage, durch Testamentsvollstreckung oder durch eine diesen benachteiligende Teilungsanordnung zu belasten. Hierunter fällt m.E. das im Testament angeordnete Wohnrecht.
Insoweit sollten Sie als Alleinerbe gelten.
2. Was passiert mit der schuldenfreien Wohnung, die mein Vater in die 2. Ehe eingebracht hat?
Alles, was zum Zeitpunkt des Todes dem Vater gehört, wird von seinen Erben geerbt.
3. Gleiche Frage für den aus erster Ehe von ihm eingebrachte Hausrat und für das auf dem Wertpapierkonto verbliebene Restsumme?
Siehe Antwort 2.
4. Wie kann ich verfahren, falls ich die Wohnung, in der die überlebende Ehegattin meines Vaters Wohnrecht hat, verkaufen will? Oder zum eigenen Gebrauch benutzen will?
Wenn Sie Erbe werden (ggf. nach Verfahren vor dem Nachlassgericht -wegen der von Ihnen geltend zu machenden Unwirksamkeit der Wohnrechtseinräumung) stehen Ihnen die Befugnisse eines Eigentümers, einschließlich Räumungsmöglichkeiten.
B. Mein Tod vor den meines Vaters
1. Hat meine Ehefrau bzw. ihre Tochter irgendein Anspruch auf die Hinterlassenschaft meines Vaters?
Nein: Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden (§2069 BGB
).
Nach § 1924 BGB
treten an die Stelle eines zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebenden Abkömmlings die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge (Erbfolge nach Stämmen). Weder Ihre Ehefrau noch deren Tochter sind Abkömmlinge von Ihnen. Somit steht diesen Personen kein Anrecht auf die Erbschaft Ihres Vaters.
2. Hätte nach meinem Tod mein Vater Anspruch auf ein Anteil meines Erbteils? (Gemeinschaftliches Vermögen: 1 E-Wohnung, Wertpapierkonto, Hausrat? Wieviel? Ab wann?
Ihr Vater ist Verwandte zweiter Ordnung von Ihnen. Neben Verwandten der zweiten Ordnung (§ 1925 BGB
) erbt der Ehegatte die Hälfte, wobei § 1931 Abs. 3 BGB
zu beachten ist. Danach erhöht sich dieser Erbteil um 1/4, wenn die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand (Zugewinngemeinschaft) lebten. Konkret: Wenn Sie weder Gütertrennung noch Gütergemeinschaft vereinbart haben und Sie kinderlos sind, Erbt Ihre Ehefrau 3/4; Ihr Vater 1/4. Ihr Vermögen (Erbmasse) wird nicht nach Arten beurteilt, sondern als eine einzige Erbmasse behandelt. Erbe wird Ihr Vater zum Zeitpunkt Ihres Todes.
Zur abschließenden Prüfung können Sie mir das Testament Ihrer Eltern vorlegen, dann kann ich die Antwort konkretisieren, wobei dies entsprechend gesondert zu vergüten wäre. Gerne können Sie mich diesbezüglich kontaktieren.
Ich hoffe, Ihnen eine erste rechtliche Orientierung gegeben zu haben.
Mit freundlichen Grüßen.
Antwort
vonRechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M.
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Fachanwalt für Migrationsrecht