Sehr geehrte Fragestellerin,
Sie können für das kostenfreie Wohnen etc. zwar keinen Ausgleich fordern in dem Sinne dass Ihr Bruder nachträglich ein Entgelt zu zahlen hätte. Diese Leistungen Ihres Vaters könnten jedoch möglicherweise als Schenkung angesehen werden, so dass diese dem Nachlass zunächst hinzuzurechnen und später vom Pflichtteilsanspruch Ihres Bruders abzuziehen sein könnten.
Ob diese Leitungen als Schenkung einzustufen sind, hängt davon ab, ob sie das Vermögen Ihres Vaters verringert haben. Eine solche Einstufung wird höchst schwierig abzugrenzen sein und auch vom Ermessen eines Gerichts abhängen.
Wenn Ihr Bruder z.B. in einer separaten Wohnung gewohnt hat, die anderenfalls Mieteinkünfte gebracht hätte, dann wäre das Vermögen Ihres Vaters um die entgangenen Mieteinkünfte geschmälert. Falls Ihr Bruder jedoch nur ein Zimmer in der elterlichen Wohnung bewohnt hat, welches ohnhin keine Mieterträge gebracht hätte, dann wäre das jetzt von Ihnen geerbte Vermögen auch nicht größer als es nun ist.
Für Lebensmittel, Fahrzeugbenutzung etc. dürfte es schwierig werden, einen Betrag festzusetzen, zumal diese Kosten nicht mehr nachweisbar sein dürften.
Anstandsschenkungen werden bei der Pflichtteilsberechnung nicht berücksichtigt, also z.B. Geburtstags - und Weihnachtsgeschenke im üblichen Rahmen. Hierzu könnten auch die o.g. Positionen gehören.
Sie können jedoch auch Ihren Bruder zur Auskunftserteileung über erhaltene Schenkungen auffordern und dabei die Auffassung vertreten, dass das kostenfreie Wohnen eine Schenkung darstellte. Ob Ihnen jedoch ein Gericht in dieser Ansicht folgen wird, kann nicht vorhergesagt werden.
Zu Frage 2:
Die Zeit, die für die Errichtung des Nachlassverzeichnisses erforderlich ist, hängt auch davon ab, was zum Nachlass gehört und ob z.B. Werte noch zu ermitteln sind. Die Frist bis zum 15.08. ist nicht zu beanstanden, wenn Sie sozusagen nur durch die Wohnung gehen müssen und Gegenstände aufzählen müssen. Falls Sie das zeitlich nicht schaffen, können Sie auch um Fristverlängerung bitten oder eine vorläufige Aufstellung über die Ihnen bekannten Werte einreichen und z.B. vermerken, welche Angaben (und aus welchem Grund!) derzeit noch nicht möglich sind. Wenn Sie dem Anwalt gegenüber Ihre Verpflichtung zur Errichtung des Verzeichnisses anerkennen und lediglich aus nachvollziehbaren Gründen noch Zeit brauchen, dürfte es keine Probleme geben. Notfalls hilft es auch, wenn Sie eine Abschlagszahlung auf den zu erwartenden Pflichtteilsanspruch anbieten.
Die Aufzählung dient der Berechnung des Pflichtteils. Deshalb sind alle Gegenstände aufzuführen, die einen Wert darstellen. Gebrauchsgegenstände (Kleidung, Schuhe, Geschirr etc.) werden im Regelfall keinen erzielbaren Erlös bringen, so dass diese pauschal angegeben werden können. Anders könnte es sich bei Elektrogeräten verhalten. Hier kommt es auf den Einzelfall an.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine erste Orientierung geben.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Plewe
Rechtsanwältin
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Antwort
vonRechtsanwältin Karin Plewe
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Sehr geehrter Frau Rechtsanwältin!
Vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort.
Eine kurze Frage habe ich jedoch noch zur Bewertung des Nachlasses:
Der Betrieb meines Vaters wurde zum 31.12.06 aufgelöst. Kann ich hier für den Nachlass (Büromöbel, Computer, Software, Plotter....) den Abschreibungswert des Steuerberaters benutzen?
Mit freundlichen Grüssen
Sehr geehrte Fragestellerin,
Sie können es versuchen, aber ich glaube nicht, das sich der Anwalt Ihres Bruders damit zufrieden gibt. Zum Vermögen zählt eigentlich der Verkehrswert der Gegenstände. Dieser ist (vor allem bei der früher möglichen degressiven Abschreibung) üblicherweise höher als der Buchwert.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Plewe
Rechtsanwältin