Sehr geehrte Ratsuchende,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf Grundlage Ihrer Angaben wie folgt beantworte:
A) Da der Arbeitsvertrag keinen Standort bzw. eine Betriebsstätte ausweißt, kann Ihr Arbeitgeber dies im Rahmen seines Dispositions- bzw. Weisungsrecht näher konkretisieren, um flexibel auf etwaige Änderungen des Personalbedarfes zu reagieren und Kündigungen zu vermeiden. Aufgrund des Weisungsrechts kann der Arbeitgeber die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Ort und Art bestimmen (§ 106
Gewerbeordnung).
Allerdings steht das Dispositions- und Weisungsrecht dem Arbeitgeber nicht unbeschränkt zur Verfügung. Seine Grenzen findet das Weisungsrecht in den Gesetzen, des Kollektiv- und des Einzelarbeitsvertragsrechts. Die Ausübung des Weisungsrechts muss nach billigem Ermessen (§ 315 BGB
) erfolgen (§ 106 GewO
; BAG 12.12.1984 - 7 AZR 509/83
- NZA 1985, 321
).
Ein Arbeitnehmer, der eine bestimmte Tätigkeit bereits über einen langen Zeitraum ausübt, kann darauf vertrauen, dass er seinen sozialen Standard nicht mehr verliert. Insoweit haben Sie bezüglich des Arbeitsortes durch die Dauer der Anstellung in Stuttgart einen gewissen sozialen Standard erworben. Ohne eine entsprechende Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag kann der Arbeitgebers Sie nicht gegen ihren Willen an einem anderen Ort (Berlin) versetzen.
Selbst wenn der neue Einsatzort nur wenige Kilometer von dem bisherigen Einsatzort entfernt ist, ist eine Versetzung ohne eine entsprechende Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag und ohne Ihre Zustimmung nicht möglich. LAG Nürnberg, Urteil vom 17.2.2004, Az.: 10 Ca 7134/02
; LAG Rheinland-Pfalz, Az.: 5 Sa 227/03
; LAG Rheinland-Pfalz, 04.11.1999, Az.: 6 Sa 720/99
.
B) Soweit Ihr Arbeitgeber nach Ablauf der Elternzeit und Schließung der Zweigneiderlassung in Stuttgart nur noch eine Betriebsstätte in Berlin betreibt kann er Ihnen auch nur dort einen gleichwertigen Beschäftigungsplatz zur Verfügung stellen.
C) Es besteht weiterhin ein Arbeitsvertrag, der während der Elternzeit ruht. Demnach muss Ihnen der Arbeitgeber eine entsprechende gleichwertige Beschäftigung zuweisen. Insoweit wäre der Arbeitsvertrag für Sie von Vorteil, wenn nicht explizit Stuttgart als Arbeitsort ausgewiesen wird.
Gem. § 18 I 1 BErzGG darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, höchstens jedoch acht Wochen vor deren Beginn, und während der Elternzeit nicht kündigen.
Im Falle einer Schließung der Zweigniederlassung und eines Arbeitvertrages nur für den Standort Stuttgart bestünde für den Arbeitgeber hingegen dann die Möglichkeit gem. § 18 I 2 und 3 BerzGG, soweit die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde Ihre Zustimmung erklärt, für das Arbeitsverhältnis aufgrund besondere Umstände die Kündigung des Arbeitsverhältnisses auszusprechen.
Ein solcher besonderer Umstand liegt dann vor, wenn außergewöhnliche Umstände es rechtfertigen, die vom Gesetz als vorrangig angesehenen Interessen des Elternzeitberechtigten hinter die des Arbeitgebers zurücktreten zu lassen (so für die vergleichbare Regelung des § 9 III MuSchG
BVerwG [21. 10. 1970], BVerwGE 36, 160
.
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer nach Rückkehr aus der Elternzeit nicht mehr im Betrieb eingesetzt werden kann (OVG Münster 21. 3. 2000, NZA-RR 2000, 406
).
So wäre im konkreten Fall eine Stilllegung der Niederlassung in Stuttgart und einer fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in Berlin der Arbeitgeber in der Lage mangels Beschäftigungsmöglichkeit für die Zukunft, das Arbeitsverhältnis - nach Zustimmung - zu kündigen.
Bei einem vollständigen Wegfall des Arbeitsplatzes ist es dem Arbeitgeber grundsätzlich nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis ohne Rücksicht auf den Wegfall der vereinbarten Arbeitstätigkeit weiter bestehen zu lassen. Eine „Besitzstandswahrung“ des Arbeitsplatzes ohne Rücksicht auf geänderte Betriebsabläufe sei nicht Sinn und Zweck der Regelung in § 18 I 1 und 2 BErzGG
D) Im Falle einer Schließung der Niederlassung Stuttgart würde es sich allenfalls anbieten eine Beschäftigung in Berlin nach Ablauf der Elternzeit anzutreten und dies dem Arbeitgeber vorzuschlagen.
Soweit für Sie eine „Versetzung“ nach Berlin gänzlich ausscheidet, wovon ich aufgrund Ihrer Darstellung ausgehe, wäre mit dem Arbeitgeber im Falle einer Schließung der Niederlassung Stuttgart über eine Abfindung für die Auflösung des Arbeitsverhältnis nach Ende der Elternzeit zu verhandeln.
Da das Arbeitsverhältnis bereits seit 1999 besteht wäre nach Ablauf der Elternzeit eine Kündigungsfrist von vier Monaten zum Ende eines Kalendermonats einzuhalten (sofern das Arbeitsverhältnis 10 Jahre bestanden hat). Dies wäre dann als Mindestmaßstab für eine Abfindung heranzuziehen.
Ich hoffe Ihnen einen hilfreichen Überblick verschafft zu haben. Sollten sich noch eine Nachfrage ergeben, stehe ich Ihnen gerne im Rahmen der kostenlosen Nachfragefunktion zur Verfügung.
Mit besten Grüßen
Marcus Schröter
Rechtsanwalt & Immobilienökonom
Antwort
vonRechtsanwalt Marcus Schröter, MBA
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Vielen Dank.
Eine kurze Nachfrage: was wäre wenn im Arbeitsvertrag als Arbeitsplatz Stuttgart drin stehen würde?
Kann er dann mich nach Berlin "verlagern"?
Danke
L
Der Arbeitgeber könnten Ihnen betrieblich kündigen, soweit nicht als milderes Mittel eine Weiterbeschäftigung in Berlin möglich ist. Hier bestünde die Möglichkeit einer Änderungskündigung durch den Arbeitgeber. Sicherlich kann der Arbeitgeber Sie nicht gegen Ihren Willen nach Berlin verlagern, Ihnen aber wie ausgfeührt betrieblich kündigen, wenn Sie eine Versetzung nach Berlin ablehnen.
Mit besten Grüßen
Marcus Schröter
Rechtsanwalt & Immobilienökonom