Sehr geehrter Ratsuchender,
1.
Sie sollten sich in dem gerichtlichen Verfahren durch einen auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt vor Ort, am Besten einen Fachanwalt für Arbeitsrecht vertreten lassen.
Zwar müssen Sie – jedenfalls in der ersten Instanz – die Anwaltskosten gemäß § 12a Abs. 1 Satz 1
des Arbeitsgerichtsgesetzes selber bezahlen, auch wenn Sie mit der Kündigungsschutzklage erfolgreich sind – eine Kostenerstattung durch die unterlegene Partei findet nicht statt.
Es ist jedoch die Bedeutung der Angelegenheit für Sie zu bedenken. Hier geht es darum, die Sozialwidrigkeit der Kündigung und die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu begründen sowie mit guten Argumenten eine möglichst hohe Abfindung zu erhalten.
Auf der Grundlage einer genauen Sachverhaltsanalyse und unter Heranziehung der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung dürfte für Sie meines Erachtens ein besseres Ergebnis zu erzielen sein. Hier wird sich die Erfahrung eines von Ihnen zu beauftragenden Rechtsanwalts auszahlen können, zumal Sie mitteilen, dass der Beistand der Gewerkschaft sich nicht allzu viel Mühe zu machen scheint.
2.a
Früher wurde die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nur dann bejaht, wenn die Umstände so gravierend waren, dass sie zugleich einen außerordentlichen Kündigungsgrund darstellten (BAG NJW 1965, 787
). Mittlerweile hat das Bundesarbeitsgericht jedoch anerkannt, dass die Normzwecke des § 9 KSchG
und des § 626 BGB
unterschiedlich sind und stellt daher nunmehr geringere Anforderungen.
Es genügt, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer „zu unerträglichen Bedingungen führt“ (BAG NJW 1982, 2015
), wobei diesen allerdings die volle Beweislast hierfür trifft.
Sie sollten also ins Feld führen, dass Sie gerade wegen der (ebenfalls zu belegenden) Vorkommnisse der letzten neun Monate am Arbeitsplatz psychosomatische Beschwerden bekommen haben.
Es ist zu empfehlen, dass Sie die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden und sich möglichst detaillierte ärztliche Atteste über die Art, die Dauer und das erstmalige Auftreten Ihrer Beschwerden ausstellen lassen.
Nicht nachweisen müssen Sie insofern ein Verschulden des Arbeitgebers an der jetzigen Situation.
Häufig wird es auch bereits als ausreichend angesehen, wenn aufgrund zerstörten Vertrauensverhältnisses keine tragfähige Grundlage mehr für eine weitere Zusammenarbeit ersichtlich ist.
Ich würde die Unzumutbarkeit anhand der von Ihnen geschilderten Umstände bejahen.
2.b
Für die Höhe der Abfindung spielt nicht nur Ihr Alter und die Dauer der Betriebszugehörigkeit eine Rolle, sondern z.B. auch die Frage, inwieweit Sie gegenüber anderen Arbeitnehmern wesentlich schwieriger eine neue Arbeitsstelle in Ihrem Beruf finden werden.
Im Übrigen legt § 10 KSchG
nur die Höchstgrenze von im vorliegenden Fall 15 Monatsgehältern fest (maßgeblich ist das zuletzt verdiente Brottogehalt nebst Sachbezügen), ansonsten greift ein richterliches Ermessen ein.
Zu berücksichtigen sind neben den oben genannte Kriterien auch alle weiteren Umstände des Einzelfalles. Besonders stark ins Gewicht dürfte zu Ihren Gunsten das Maß der Sozialwidrigkeit fallen. Nach Ihren Angaben hat Ihr Arbeitgeber keinerlei soziale Rechtfertigung vorzutragen (was allerdings noch im Einzelnen überprüft werden sollte), darüber hinaus hat er versucht, das Arbeitsverhältnis mit unlauteren Methoden zu beenden.
Ein weiteres Kriterium ist der Familienstand. Je mehr Familienmitglieder Sie zu ernähren haben, desto höher wird die Abfindung ausfallen können.
Zu Lasten des Arbeitnehmers geht aber gegebenenfalls die schlechte wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers, die allerdings eben nur eines von mehreren Kriterien darstellt. Das Argument, dass es sich bei dem Behindertenwohnheim um eine karitative Einrichtung handelt, geht in diese Richtung.
Nach weit verbreiteter, aber nicht einheitlicher Praxis wird in durchschnittlichen Fällen oder wenn keine besonderen Umstände vorgetragen werden, für jedes Beschäftigungsjahr ein halbes Monatseinkommen festgesetzt.
Eine genaue Prognose kann ich an dieser Stelle nicht abgeben, ich denke jedoch, dass Sie innerhalb des aufgezeigten Rahmens von neun bis 15 Monatsgehältern eine überdurchschnittliche Abfindung zu erwarten haben. Letztlich ist dies auch eine Sache des Verhandlungsgeschicks.
Ich hoffe, Ihnen eine nützliche Auskunft gegeben zu haben.
Gerne können Sie hier noch Rückfragen zum Verständnis an mich stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
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