Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage!
Nachfolgend möchte ich gerne unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung sowie Ihres Einsatzes Ihre Frage wie folgt beantworten:
1. Die Beteiligung an den Kosten einer Klassenfahrt für das unterhaltsberechtigte Kind kann allenfalls als Sonderbedarf verlangt werden. Bei Sonderbedarf handelt es sich gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB
um einen über den laufenden Unterhaltsbedarf hinausgehenden unregelmäßigen und außergewöhnlich hohen Bedarf.
2. Wie Sie richtig sagen, bestehen hier unterschiedliche Ansichten in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte. So haben das OLG Köln (FamRZ 1999, 531) und das OLG Bremen (FamRZ 2003, 1585) eine Verpflichtung zur Kostenbeteiligung als Sonderbedarf bejaht.
3. Im Jahre 2006 hat der BGH jedoch die Voraussetzungen für den Sonderbedarf klargestellt (BGH, Urteil vom 15.2.2006 - XII ZR 4/04
- die Rechtsprechung des BGH geht dabei natürlich derjenigen der Oberlandesgerichte vor).
Der BGH stellte heraus, dass von unregelmäßigem Sonderbedarf im Sinne von § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB
nur dann die Rede sein kann, wenn das kostenauslösende Ereignis nicht mit Wahrscheinlichkeit vorhersehbar war. Denn bei Vorhersehbarkeit ist der Unterhaltsempfänger (bzw. der betreuende Elternteil im Rahmen der Vermögenssorge) gehalten, Rücklagen aus dem laufenden Unterhalt zu bilden im Hinblick auf die sich ankündigenden Kosten.
In diesem Fall ging es zwar um die Beteiligung an den Kosten einer Kommunionsfeier, die Grundsätze sind jedoch auf die Frage einer Klassenfahrt übertragbar.
Mit dieser Rechtsprechung betont der BGH, dass zusätzlich als Sonderbedarf geltend gemachter Unterhalt die Ausnahme bleiben soll für unvorhersehbare „Engpässe“, wie z.B. Mehrkosten bei plötzlicher Krankheit o.ä.
Danach wäre eine Kostenbeteiligung an einer Klassenfahrt nicht verpflichtend, da diese Kosten absehbar waren, zumal diese regelmäßig frühzeitig angekündigt werden und Klassenfahrten zur Schulausbildung dazugehören.
Zu diesem Ergebnis kommen explizit zur Frage „Kosten einer
Klassenfahrt“ auch das OLG Zweibrücken (FamRZ 2001, 444
) und das OLG Hamm FamRZ 2001, 444
).
4. Auf die Frage, ob es sich bei den Kosten der Klassenfahrt angesichts des laufend gezahlten Unterhaltes um einen außergewöhnlich hohen Bedarf handelt, kommt es daher gar nicht mehr an.
Jedoch dürfte dies im Hinblick auf den gezahlten Unterhalt nach Einkommensgruppe 9 der Düsseldorfer Tabelle zu verneinen sein.
Ich würde Ihnen daher zusammenfassend raten, dem Jugendamt gegenüber die Kostenbeteiligung unter Hinweis auf das o.g. Urteil des BGH sowie auf den laufend gezahlten Unterhalt abzulehnen.
Ich hoffe Ihnen eine erste rechtliche Orientierung ermöglicht zu haben und wünsche Ihnen viel Erfolg und alles Gute!
Ich möchte Sie gerne noch abschließend auf Folgendes hinweisen:
Die von mir erteilte rechtliche Auskunft basiert ausschließlich auf den von Ihnen zur Verfügung gestellten Sachverhaltsangaben. Bei meiner Antwort handelt es sich lediglich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes, die eine vollumfängliche Begutachtung des Sachverhalts nicht ersetzen kann.
Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen geholfen haben. Sie können mich natürlich gerne über die Nachfrageoption mit mir Verbindung aufnehmen, wenn noch Unklarheiten bestehen.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Driftmeyer
Rechtsanwalt
Sehr geehrter Herr RA,
vielen Dank für die gute und individuelle Beantwortung meiner Fragestellung.
Falls ich das Begehren des Jugendamtes ablehne, was wird bzw. was kann passieren.
Ich habe bereits einen langfristigen, zähen und am Ende teuern Rechtsstreit hinter mir wegen der ablehnenden Haltung des Jugendamtes bezüglich meiner (zugegeben hohen) berufsbedingten Kosten. Es wäre nicht schön, nun deshalb wieder mit solchen Streitereien vor Gericht zu landen.
Vielen Dank vorab,
Ihr Fragesteller
Sehr geehrter Ratsuchender,
Ihre Nachfrage möchte ich wie folgt beantworten:
Hier liegt offensichtlich eine Beistandschaft des Jugendamtes (JA) für die Geltendmachung des Kindesunterhaltes vor.
Das JA müsste eine evtl. Forderung vor dem Familiengericht geltend machen.
Bei einer Forderung von 140,00 € ist dies m.E. jedoch nicht wahrscheinlich, da der Aufwand kaum im Verhältnis zur Forderungshöhe steht – ganz ausschließen kann man die Einreichung einer Klage naturgemäß aber leider nicht.
Ohne vorherige Klagandrohung ist jedoch i.d.R. nicht mit einer gerichtlichen Geltendmachung zu rechnen.
Ich würde empfehlen, das Ablehnungsschreiben an das JA mit einer Bitte um Stellungnahme zu verbinden und die Reaktion des JA zunächst abzuwarten.
Sollte das JA an der Forderung festhalten, kann ein Prozess nur durch Erfüllung der Forderung vermieden werden. Diese Entscheidung kann ich Ihnen leider nicht abnehmen (wie bereits ausgeführt, ist die Forderung des JA nach der BGH-Rechtsprechung nicht begründet).
Ggf. akzeptiert das JA nach Rücksprache aber auch eine geringere Kostenbeteiligung.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Nachfrage hiermit beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Driftmeyer
Rechtsanwalt