Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Sorgerechtsentscheidungen können immer abgeändert werden, da sich Lebensumstände ändern können bzw. neue Tatsachen es rechtfertigen, dass eine gerichtliche Entscheidung in einer Kindschaftssache neu verhandelt wird. Maßstab ist immer das Kindeswohl. Eine sog. materielle Rechtskraft gibt es in Sorge- und Umgangsverfahren nicht.
Das ist aber nicht so einfach. Erforderlich sind die besonderen Voraussetzungen des § 1696 BGB
, dh. es müssen triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Umstände für eine Änderung sprechen.
Es ist zu fragen, ob eine Änderungsentscheidung deutliche und nachhaltige Vorteile für das Kind bringt. Das Änderungsinteresse muss das Bestandsinteresse deutlich überwiegen.
Der Kindsmutter wurde ihre bisherige Alleinsorge aberkannt und auf Sie übertragen. Dafür muss es schwerwiegende Gründe gegeben haben, dass das Familiengericht so entschieden, und das OLG dieses so bestätigt hat.
Wenn die Kindsmutter nunmehr versucht wieder das gemeinsame Sorgerecht zu erhalten, muss sie nachweisen, dass sie nunmehr erziehungsgeeignet ist. Dies wird nur mit einem neuen Gutachten gelingen. Ein Gutachten wird aber nur eingeholt, wenn die gemeinsame Sorge für Ihren Sohn auch förderlich wäre. Der bloße Wunsch der Kindsmutter, dass sie wieder sorgeberechtigt wird, reicht nicht aus, um vor Gericht etwas zu erreichen. Selbst wenn sie die Erziehungseignung wieder erlangt hätte, hat das nicht automatisch zur Folge, dass sie dann auch wieder das Sorgerecht erlangt. Die gemeinsame Sorge müsste zudem auch für Ihren Sohn förderlich sein.
Sie schreiben nicht, welchen Antrag die Kindsmutter beim Familiengericht stellt, um Ihren Sohn „zu sich zu holen". Sie kann keinen Antrag auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht stellen, weil sie dazu erst einmal sorgeberechtigt sein müsste. Ein solcher Antrag wäre unbegründet. Selbst wenn das Familiengericht (AG) zu dem Entschluss käme (aufgrund Gutachten und Bericht des Jugendamts), dass die Kindsmutter ihre Erziehungseignung wiedererlangt hat, würde das nicht das Aufenthaltsbestimmungsrecht tangieren. Ihr Sohn hat sich jetzt bei Ihnen eingelebt, so dass diese Kontinuität Vorrang genießt.
„Wilde Behauptungen" gegen Sie sind mit Sicherheit ganz ungeeignet, um bei Gericht um das Kind zu „kämpfen". Solches Verhalten offenbart, dass sie sich gegen Sie stellt, was keine Basis für ein neues gemeinsames Sorgerecht wäre. Erforderlich ist diesbezüglich eine tragfähige Kommunikation zwischen den Eltern, wozu sie anscheinend nicht fähig oder unbelehrbar ist.
Wenn die Kindsmutter also jährlich neue Anträge stellt, dann muss das Gericht prinzipiell diese ernst nehmen und kann diese nicht mit dem Hinweis, dass in der Sache ein OLG-Urteil vorliegt, einfach negativ bescheiden. Um ein neues Sorgerechtsverfahren aber in Gang zu bringen, muss sie stichhaltige Fakten darlegen und nicht nur Wünsche oder irgendwelche Behauptungen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Wie wäre der Fall wenn er 14 wird und den Wunsch äußert wieder bei der Mutter zu leben? Kann dann das Gutachten welches ihr die Unfähigkeit zur Erziehung bescheinigt hat außer Acht gelassen werden. Und nur der Wille des Kindes berücksichtigt werden? Auch wenn in dem selben Gutachten gesagt wird sein Wille ist nicht zu berücksichtigen?
Die Beachtung des Willens eines Kindes setzt schon viel früher ein als mit 14 Jahren. Selbst der mutmaßliche Wille eines Dreijährigen kann beachtlich sein, BVerfG 3189/09.
Wenn der 14-jährige den Willen hat, zur Mutter zu wechseln, wird erneut geprüft, ob diese das (Mit-)Sorgerecht wiedererlangen kann, um dem Wunsch des Jungen zu erfüllen. Das frühere Gutachten, wonach der Wille des Kindes wegen Beeinflussung durch die Mutter unbeachtlich war, kann nicht mehr herangezogen werden, da die Mutter nunmehr keinen Einfluss auf ihn hatte.
Sollte ein Gericht die Mutter wieder für erziehungsgeeignet halten und der Wille des Kindes nachvollziehbar sein, so spricht nichts gegen eine erneute Sorgerechtsübertragung. Bleiben aber erhebliche Zweifel an der Eignung der Mutter, kann dem Verbleib des Kindes bei der Mutter nicht entsprochen werden, so dass der Wille des 14-Jährigen diesbezüglich unbeachtlich sein wird. In Betracht käme dann die Unterstützung des Vaters durch eine Familienhilfe, damit etwaige Probleme mit dem Vater behoben werden könnten. Sind die Differenzen zu groß, kommt auch eine Fremdbetreuung (Jugendeinrichtung) in Betracht.
Lesen Sie hierzu auch OLG Brandenburg, 9 UF 25/12
, wo die Mutter das Sorgerecht zurück erhielt, weil sie alle Anstrengungen unternommen hatte, um ihr Erziehungsverhalten zu ändern.
Ich hoffe, ich habe Ihnen weiterhelfen können.
Mit freundlichen Grüßen
A. Schmidt-Fröhlich
Rechtsanwältin