Sehr geehrter Fragesteller,
für Ihre Frage darf ich mich herzlich bedanken und diese unter Zugrundelegung des von Ihnen geschilderten Sachverhalts wie folgt beantworten:
Soweit ich Sie verstanden habe, hat Ihr Arbeitgeber Sie während Ihres Studiums finanziell unterstützt, wobei Sie während des Studiums zum Teil in Vollzeit, zum Teil in Teilzeit in der Firma gearbeitet haben. Sozusagen als Gegenleistung haben Sie sich hierbei verpflichtet, nach dem Studium für einige Jahre (Sie sagten, in etwa die Studienzeit) für den Arbeitgeber zu einem gewissen Gehalt tätig zu sein. Das vereinbarte Monatsgehalt liegt nach Ihren Aussagen weit unter dem Durchschnittsgehalt für Personen mit derselben Ausbildung wie Sie. Weiterhin geben Sie an, dass der Folgearbeitsvertrag eine Art Rückzahlungsvereinbarung enthält, in der Höhe der während des Studiums geleisteten Gehälter.
Ihre Frage ist nun, soweit ich Sie richtig verstanden habe, welche Konsequenzen eine Kündigung durch Sie zu diesem Zeitpunkt hätte und inwieweit die Regelungen im Folgearbeitsvertrag zur Rückzahlungspflicht der gezahlten Gehälter, die Höhe des neuen Gehalts und die Dauer der Bindung für Sie verbindlich sind.
Vorab möchte ich Ihnen mitteilen, dass für eine abschließende, tatsächliche Bewertung eine genaue Prüfung des besagten Folgearbeitsvertrags notwendig wäre. Denn bei der Formulierung von sogenannten Rückzahlungsklauseln können einige rechtliche Probleme auftauchen, die zu einer Unwirksamkeit so einer Klausel führen können. Ob das in Ihrem Fall auch so ist, kann man nur nach Durchsicht des Vertrags verbindlich mitteilen.
Nach den von Ihnen gemachten Angaben könnte es einige Punkte geben, die zu einer Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel sprechen. Hierbei kommen insbesondere folgende Gesichtspunkte in Betracht:
Aufgrund der relativ langen Bindungsdauer, des eventuell weitaus zu geringen Arbeitsentgelts, der Höhe der rückzuzahlenden Beträge sowie während des Studiums tatsächlich geleisteter Arbeitsstunden könnte es sich bei der Rückzahlungsvereinbarung um eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 BGB handeln. Voraussetzung hierfür wäre zunächst, dass die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB hier anwendbar sind (sog. AGB-Vorschriften). Dies müsste man zunächst vorab prüfen. Daneben könnte man prüfen, ob Ihr Arbeitgeber damals bei Vertragsschluss Ihre Unerfahrenheit und wirtschaftliche Abhängigkeit ausgenutzt hat und der Folgevertrag in vollem Umfang oder teilweise gem. § 138 Abs. 2 BGB nichtig ist.
Für die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 BGB gilt folgendes: Die Rückzahlungsverpflichtung ist unangemessen, wenn der Arbeitgeber durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Ihre Kosten durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch Ihre Belange hinreichend zu berücksichtigen und Ihnen einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Hierbei müssen die wechselseitig anzuerkennenden Interessen und grundrechtlich geschützte Rechte beider Vertragspartner berücksichtigt und bewertet werden. Art, Gegenstand, Zweck und besondere Eigenarten des jeweiligen Geschäftes - hier des Arbeitsverhältnisses - sind zu berücksichtigen (BAG vom 18.11.2008 – 3 AZR 192/07).
In diesem Bereich gibt es umfangreiche Rechtsprechung der Arbeitsgerichte. So stellte beispielsweise das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in seinem Urteil vom 14.12.2011 (Az. 3 Sa 263/11) bei einer vierjährigen Bindung des Arbeitnehmers nach dem Studium fest, dass bei einer Rückzahlungsvereinbarung mit Bindungswirkung die Vorteile der Ausbildung einerseits und die Dauer der Bindung andererseits in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Maßgeblich sind hierbei Dauer der Ausbildung und Qualität der erworbenen Qualifikationen. Diesbezüglich ist anerkannt, dass bei einer Fortbildungsdauer von mehr als zwei Jahren ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung eine Bindung von fünf Jahren grundsätzlich als angemessen zu erachten ist. Abweichungen davon sind jedoch möglich.
Darüber hinaus ist es auch äußerst kritisch zu bewerten, wenn eine Rückzahlungsklausel pauschal die Rückzahlung aller während der Ausbildung gezahlten Gehälter bei Kündigung verlangt. Rückzahlungsklauseln müssen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zum einen grundsätzlich eine Staffelung der Rückzahlungsbeträge (verteilt auf den Zeitraum der Arbeit nach dem Studium) enthalten sowie Ausnahmen von der Rückzahlungspflicht vorsehen. Das Bundearbeitsgericht legte in seinem Urteil vom 28.05.2013, Az. 3 AZR 103/12, fest, dass ein Arbeitnehmer vertraglich nicht in jedem Fall der Eigenkündigung verpflichtet werden kann, die Ausbildungskosten zurückzuzahlen. So entfällt die Rückzahlungspflicht, wenn der Arbeitnehmer wegen eines Grundes kündigt, der in der "Sphäre" des Arbeitgebers liegt, also der Arbeitgeber den Grund für die Kündigung gegeben hat. Hierbei kommt aber nicht jeder erdenkliche Grund in Betracht (auch mit Ihrer Begründung, Sie sähen keine langfristigen Perspektiven könnte es dabei schwierig werden, jedoch wäre der Grund Ihrer Kündigung unerheblich, wenn die Rückzahlungsverpflichtung unwirksam ist).
Dementsprechend müsste die Rückzahlungsvereinbarung auch diesbezüglich auf Ihre Wirksamkeit geprüft werden.
Unabhängig davon könnte - wie bereits erwähnt - der Folgearbeitsvertrag aufgrund der möglichen Ausnutzung Ihrer damaligen Unerfahrenheit nichtig sein. Eine abschließende Bewertung ist auch hier momentan nicht möglich.
Sie sehen, es gibt hier einige Ansatzpunkte, wie man den möglichen vertraglichen Rückforderungsansprüchen Ihres Arbeitgebers nach einer Kündigung entgegentreten könnte, sofern man im Vertrag entsprechende Anhaltspunkte findet oder man äußere Umstände bei Vertragsschluss mit in die Bewertung einbezieht.
Da ich davon ausgehe, dass es sich bei den gezahlten Gehältern um eine nicht unerhebliche Summe handelt, würde ich Ihnen empfehlen, vor einer Kündigung den Folgearbeitsvertrag von einem Anwalt prüfen zu lassen. Selbstverständlich können Sie mich diesbezüglich auch gerne über meine Kontaktdaten kontaktieren, ich stehe Ihnen für eine Prüfung gerne zur Verfügung.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort eine erste Einschätzung der Rechtslage geben. Sollte Ihnen etwas unklar sein oder ich etwas übersehen haben, nutzen Sie bitte gerne die kostenlose Nachfragefunktion.
Bitte beachten Sie, dass bereits kleine Änderungen und/oder Ergänzungen in der Sachverhaltsdarstellung zu einer vollkommen anderen rechtlichen Beurteilung führen können.
Für Ihre berufliche Zukunft wünsche ich Ihnen alles Gute und verbleibe
mit besten Grüßen aus München
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