Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworten darf.
Bitte beachten Sie, dass die nachstehenden Ausführungen lediglich eine erste rechtliche Einschätzung auf Grundlage Ihrer Angaben darstellen. Hierbei ist der Umfang meiner Beratung durch die gesetzlichen Vorgaben des § 4 RVG
begrenzt.
Hat der Pflichtteilsberechtigte bereits über einen bestimmten Teil des Nachlasses und dessen Wert Kenntnis, so kann er bereits eine Teilklage auf den Mindestwert des Pflichtteils erheben und diese mit einer Stufenklage bezüglich des restlichen Teils verbinden.
Der Pflichtteilsberechtigte kann auch dann eine Teilklage auf den Mindestwert des Pflichtteils erheben und diese mit einer Stufenklage bezüglich des restlichen Teils verbinden, wenn er über einen bestimmten Teil des Nachlasses und dessen Wert Kenntnis hat, also noch nicht alle Aktiva und Passiva bekannt sind. Das OLG Hamburg (Urteil vom 22. 10. 1998 - 2 U 9/98
) hat jedoch entschieden, dass ein Teilurteil über den Pflichtteilsanspruch dann zulässig ist, wenn zweifelsfrei geklärt ist, dass dem Pflichtteilsberechtigten ein Guthaben in bestimmter Höhe zusteht. Ähnlich hat das Brandenburgische Oberlandesgericht (Urteil vom 07.01.2004, Az. 13 U 25/03
) entschieden.
Nach Ihren Schilderungen und des Zitates des Gerichts „es fehlt an einer nachvollziehbaren Aufstellung, woraus sich die Aktiva und die Passiva des Nachlasses zusammensetzen" ergibt sich, dass in Ihrem konkreten Fall ein Guthaben in bestimmter Höhe nicht ersichtlich ist, da offenbar nicht alle Aktiva und insbesondere Passiva bekannt sind. Etwas anderes käme dann in Betracht, wenn der Erbe, gegen den sich Ihr Anspruch als Pflichtteilsberechtigter richtet, selbst von einem Mindestanspruch bzw. von einem bestimmten Wert des Nachlasses ausgeht. Dies könnten Sie zur Grundlage Ihrer Klage auf Grund der oben zitierten Entscheidung machen.
Sollte solch eine Angabe fehlen, müssen Sie wohl oder übel auf die Nachlassverzeichnisse warten.
Daher ist eine Teilklage zum jetzigen Zeitpunkt mangels Kenntnis eines Mindestwertes nicht erfolgversprechend. Daran ändert meines Erachtens nichts, dass das Wertgutachten des Mietshauses vorliegt und die Erben das Gutachten anerkannt haben. Denn was sie vermutlich nicht anerkannt haben ist, dass damit der Nachlass einen bestimmten Wert hat.
Ich hoffe, dass ich Ihnen in dieser Sache einen ersten hilfreichen Überblick verschaffen konnte. Ich weise Sie darauf hin, dass Ihre Frage ausschließlich auf Grundlage Ihrer Schilderung beantwortet wurde und eine endgültige Einschätzung der Rechtslage nur nach umfassender Sachverhaltsermittlung möglich ist. Die Antwort dient einer ersten rechtlichen Einschätzung. Dies kann jedoch eine persönliche und ausführliche Beratung durch einen Rechtsanwalt in den seltensten Fällen ersetzen. Ich weise Sie zudem darauf hin, dass das Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben möglicherweise zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen kann.
Bei eventuellen Unklarheiten nutzen Sie bitte die kostenlose Nachfragefunktion.
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,
vielen Dank für Ihre Auskunft.
Grundsätzlich sind die Möglichkeiten einer Teilklage von Ihnen verständlich gemacht worden.
Das mir freundlicherweise benannte Urteil des OLG Hamburg (Urteil vom 22.10.1998 -2 U 9/98
) war im Gegensatz zum zweiten Link (OLG Brandenburg) leider nicht im Internet auffindbar - auch nicht über den hierzu aktiven Link in Ihrer Antwort. Der Link führte nicht zum Ziel.
Vielleicht ist es Ihnen möglich mir hierzu einen anderen Link bekannt zugeben.
Zu Ihren Ausführungen hinsichtlich des Gerichtszitates: „es fehlt an einer nachvollziehbaren Aufstellung, woraus sich die Aktiva und die Passiva des Nachlasses zusammensetzen" und Ihrer Schlussfolgerung: "… ergibt sich in Ihrem konkreten Fall ein Guthaben in bestimmter Höhe nicht ersichtlich ist, da offenbar nicht alle Aktiva und insbesondere Passiva bekannt sind" muss ich konkretisieren:
1.
Als das Gericht dies feststellte und im Protokoll vorstehenden Satz niederschrieb,lag nur das Wertgutachten der Immobilie per Todestag vor. Das Gutachten per Schenkungstag wurde erst später erstellt. Also war der Wert nach meinem Verständnis zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht beziffer- und begründbar.
Aktuell liegen nach dem Niederstwertprinzip nunmehr beide Wertgutachten vor. Streit hierüber gibt es nicht. Die Immobilie ist von den beiden Erben zwischenzeitlich verkauft worden, (innerhalb der 5 Jahresfrist nach Erbanfall).
Im notariellen Kaufvertrag haben beide Erben den 25%-igen Pflichtteilsergänzungsanspruch als Sicherheit für den Pflichtteilsberechtigten auf einem Notarkonto hinterlegt. (Der Betrag entspricht ca. dem 25%gen Wert des Gutachterwertes nach Niederstwert).
2.
Beide Erben behaupten, dass der Nachlass lediglich aus "Hemd und Hose" bestand. Weder Aktiva noch Passiva wären angeblich vorhanden, obwohl das Miethaus bis zum Todestag des Erblasser (Empfänger der Früchte aus seinem eingetragenem Nießbrauchrecht) jährliche Mieteinnahmen von ca. 50.000 lt. Steurerklärung und Gutachten festgestellt wurden.
Frage:
A.
Unter Würdigung der Sachverhalte in Ziffer 1 und Ziffer 2 stellt sich nun die Frage, ob Ihr Hinweis:
("Etwas anderes käme dann in Betracht, wenn der Erbe, gegen den sich Ihr Anspruch als Pflichtteilsberechtigter richtet, selbst von einem Mindestanspruch bzw. von einem bestimmten Wert des Nachlasses ausgeht")
als Möglichkeit gewertet werden kann, dass die Teilklage rechtlich zulässig ist, also vor Erstellung der ausgeurteilten notariellen Nachlassverzeichnisse ?
B.
Trifft in Anbetracht der Sachverhalte in Ziffer 1 und 2 noch Ihr Hinweis zu:
("Der Pflichtteilsberechtigte kann auch dann eine Teilklage auf den Mindestwert des Pflichtteils erheben und diese mit einer Stufenklage bezüglich des restlichen Teils verbinden, wenn er über einen bestimmten Teil des Nachlasses und dessen Wert Kenntnis hat, also noch nicht alle Aktiva und Passiva bekannt sind)" ?
Nach meinem Verständnis liegt doch eigentlich durch den unbestrittener Wert der Immobilie Kenntnis über einen bestimmten Teil des Nachlasses vor. Der 25%-ige Pflichtteils-ergänzungsanspruch (die Höhe entspricht in etwa dem festgestellten Gutachterwert) auf dem Notarkonto kann doch m.E. nicht so lange dort festgehalten werden, bis irgendwann die notariellen Nachlassverzeichnisse erstellt wurden.
Wenn dem so wäre, wäre eine Teilklage sinnlos, da nach dem Eingang der Nachlassverzeichnisse der Übergang zur dritten Stufe sich die Zahlung des sich aus dem Nachlasswert und der Pflichtteilquote ohnehin ergeben würde.
Zu berücksichtigen wäre u.U. noch, dass die beiden Erben den sonstigen Nachlass defacto über ihre Anwälte mit Null beschrieben haben und Passiva bisher nicht behauptet wurden und, dass durch die gerichtlich zugesprochen Nachlassverzeichnisse (Kammergerichtsurteile) wegen der jährlichen Mieteinnahmen des Erblasser von ca. 50.000 Euro u.U. noch erhebliche Aktiva zum Todestag auftauchen (spätestens bei Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung).
Vielen Dank im Voraus!
Mit freundlichen Grüßen
Fred Müller
Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Nachfrage möchte ich wie folgt beantworten.
Sie tragen selbst vor, dass „Beide Erben behaupten, dass der Nachlass lediglich aus "Hemd und Hose" bestand." sowie, dass weder Aktiva noch Passiva vorhanden wären. Bedenken Sie bitte, dass trotz des „unbestrittenen" Wertes der Immobilie dies nichts darüber aussagt, ob Ihnen ein Mindestbetrag zusteht. Das ist es, worauf es in den oben zitierten Entscheidungen ankommt.
Läge man diese Aussagen und den auf dem Notaranderkonto hinterlegten Betrag in Höhe von 25% aus dem Erlös zu Grunde, könnte man daran denken, dass hier ein Mindestbetrag existiert. Ihr Gedanke ist, dass auf Grund der oben genannten Behauptungen und des Geldes auf dem Anderkonto bereits ein Mindestbetrag existiert, und zwar nach den eigenen Angaben der Erben. Es ist jedoch keine ausdrückliche Aussage darüber ersichtlich, dass die Erben davon ausgehen, dass Ihnen mindestens die Summe auf dem Anderkonto zusteht, jedoch ist Raum für solch eine Auslegung. Nach Ihren Angaben wäre hier lediglich mit einer Erhöhung des Anspruchs wegen der Mieteinnahmen zu erwarten. Das Gericht sieht in Ihrem Fall offenbar noch Raum für Passiva. Schließlich hat ein Mietshaus nicht nur Mieteinnahmen, sondern auch Ausgaben (Versicherungen, Grundsteuer etc). Daher stellt sich das Gericht in Ihrem Fall auf den Standpunkt, dass eine Teilklage noch nicht in Betracht käme.
Sollten die Erben bereits in einem laufenden Prozess dem Gericht gegenüber diese Angaben gemacht haben ("Hemd und Hose" „Aktiva und Passiva mit Null") könnte eine Teilklage zulässig sein, da der Anspruch bezifferbar ist.
Eine Teilklage wäre in diesem Fall nicht sinnlos, da Ihnen der Mindestbetrag zugesprochen werden würde, und im Übrigen die Stufenklage fortgeführt wird (Mieteinnahmen etc).
Allerdings muss ich Ihnen aus anwaltlicher Vorsicht und in Anbetracht des Kostenrisikos, zumal mir nicht alle Aussagen und Dokumente vorliegen, raten, zunächst auf die Nachlassverzeichnisse zu warten und zum jetzigen Zeitpunkt von einer Teilklage abzusehen.
Sollten Sie es wünschen, kann ich im Rahmen einer gesonderten Beauftragung mich gerne mit Ihrem Fall ausführlich befassen und Ihnen genauere Auskünfte geben, ob eine Teilklage unter Berücksichtigung aller vorhandenen Dokumente und nach umfassender Sachverhaltsanalyse erfolgversprechend ist.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass hier eine abschließende Beurteilung nicht möglich ist.
Mit freundlichen Grüßen
Mikael Varol
Rechtsanwalt
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