Sehr geehrter Fragesteller,
Lassen Sie mich Ihre Anfrage wie folgt beantworten:
Leider verraten Sie mir nicht, auf was für einen Text Sie da gestoßen sind. Ich vermute, dass Sie aus dem Testament der Eltern zitieren. Richtig? Wenn die Passage so im Testament steht wäre das im übrigen gut. Die dort angesprochene Rechtsfolge besteht aber auch ohne eine entsprechende Angabe im Testament.
Zunächst ein paar allgemeine Dinge zur Bindungswirkung bei Ehegattentestamenten und zu Schenkungen durch den überlebenden Ehegatten:
Die Ehegatten können im Testament bestimmen, ob und in welchem Umfang das Testament für den überlebenden bindend sein soll. Vom Gesetz her ist in § 2271 BGB
geregelt, dass grundsätzlich sog. wechselbezügliche Verfügungen für den Überlebenden bindend sein sollen. Wechselbezügliche Verfügungen sind solche, bei denen man davon ausgehen kann, dass ein Ehegatte sie nicht ohne den anderen gemacht hätte. Die Einsetzung der gemeinsamen Kinder zum Schlusserben ist eine solche wechselbezügliche Verfügung.
Viele Ehegattentestamente enthalten keine abweichende Regelung zur Bindung (obwohl das möglich wäre) und sind daher in dem oben genannten Sinn für den Überlebenden nicht mehr zu ändern. Das könnte in Ihrem Fall so sein.
Für die geschilderte Problematik ist allerdings nicht ausschließlich dieser. Punkt relevant, weil ja nach Ihren Angaben der Vater kein abweichendes Testament erstellt hat.
Allerdings gibt es auch für den Fall, dass der Überlebende nach dem Tod des zuerst Versterbenden Schenkungen macht, im Gesetz eine entsprechende Regelung. Hier bestimmt § 2287 BGB
in analoger Anwendung, dass sog. beeinträchtigende Schenkungen gegenüber dem Schlusserben unwirksam sein sollen. Grundsätzlich handelt es sich bei einer Einräumung eines unentgeltlichen Wohnrechts für Lebensgefährtin um eine solche Schenkung. Diese wäre daher gegenüber Ihrem Bruder und Ihnen unwirksam.
Ausnahmsweise würde nur dann etwas anderes gelten, wenn Ihr Vater ein sog. lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hatte. Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn im Gegenzug für die Einräumung des Wohnrechts die Lebensgefährtin eine rechtliche Verpflichtung zur Pflege oder Versorgung des Vaters eingegangen wäre. Das wäre dann zu prüfen bzw. müsste Frau Müller dazu Angaben machen und diese beweisen können.
Fazit:
Die Einräumung des unentgeltlichen Wohnrechts ist zunächst einmal eine beeinträchtigende Schenkung in dem Sinne, dass für Sie und Ihren Bruder dadurch der Wert des Erbes gemindert wird. Eine solche Schenkung ist gemäß § 2287 BGB
in analoger Anwendung grundsätzlich Ihnen gegenüber unwirksam. Eine Ausnahme bestünde nur dann, wenn ausnahmsweise der Vater ein elbzeitiges Eigeninteresse an dieser Schenkung hatte. Das müsste Frau Müller aber darlegen und beweisen. Sofern sie das nicht kann, haben Ihr Bruder und Sie als Erben einen Anspruch darauf, dass das Wohnrecht aus dem Grundbuch gelöscht wird und dass Frau Müller die Wohnung räumt.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Sofern Sie in der Sache weiteren Bedarf an Beratung oder anwaltliche Vertretung haben können Sie sich gerne an mich wenden. Aufgrund der diversen Kommunikationsmittel spielt die räumliche Entfernung dabei keine Rolle.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Lars Winkler
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Rechtsanwalt Lars Winkler
Den zitierten Text habe ich hierher:
http://www.advogarant.de/Infocenter/Rechtsinfo/Erbrecht/Testament/Oeffnungsklausel.html
Er stammt nicht aus einem Testament. Unser Vater hat kein weiteres Testament erstellt.
Über rechtliche Verpflichtung zur Pflege oder Versorgung des Vaters haben wir keinerlei Informationen.
Unsere allgemeinen Informationen über diese Lage sind, dass unser Vater wollte, dass Frau Müller weiterhin in der Wohnung leben darf, und sie nicht von uns "rausgeworfen" werden sollte.
Daher meine End-Frage: Wie hoch stehen die Chancen auf eine Löschung dieses Eintrages im Grundbuch?
1000 Dank
Sehr geehrter Fragesteller,
Lassen Sie mich Ihre Nachfrage wie folgt beantworten:
Die Chancen auf Löschung stehen sehr gut. Das gilt unter zwei Bedingungen:
Erstens muss das Testament der Eltern für den Vater bindend geworden sein. Nur dann sind solche Schenkungen zum Nachteil der Schlusserben überhaupt verboten Wie von mir dargestellt. Die meisten Ehegatten Testamente sind bindend. Insofern stehen die Chancen sehr gut, man muss aber das Testament im Original sehen.
Zweitens darf es keinen solchen „Pflegevertrag" geben. Wenn der Vater lediglich wollte, dass Frau Müller nicht hinausgeworfen werden kann, dann reicht das definitiv nicht. Hier muss man einfach sehen, was Frau Müller vorbringt, wenn sie (anwaltlich) zur Zustimmung zur Löschung des Wohnrechts aufgefordert wird.
Insofern sollte man es hier durchaus darauf ankommen lassen und Frau Müller verbindlich mit Fristsetzung auffordern der Löschung im Grundbuch zuzustimmen.
Mit freundlichen Grüßen,
Lars Winkler
Rechtsanwalt