Sehr geehrter Ratsuchender,
Vielen Dank für die Anfrage.
Vorab möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass dieses Forum dafür angedacht ist, einen ersten Eindruck zu der Rechtslage zu vermitteln. Durch Weglassen oder Hinzufügen von wesentlichen Tatsachen kann die Beurteilung Ihres Anliegens anders ausfallen. Auf Grundlage Ihrer Angaben beantworte ich die Frage weiter wie folgt:
1)
Beschäftigte haben das Recht, eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" der Arbeit fern zu bleiben, um für einen nahen Angehörigen in einer akut auftretenden Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder die sofortige pflegerische Versorgung des betroffenen Angehörigen selbst sicherzustellen. § 616 BGB
liefert hierfür den Freistellungsanspruch und den Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung:
"Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt."
2)
Ist das Kind länger krank, greift § 45 SGB V
und verschafft grundsätzlich Anspruch auf Freistellung und Krankengeld:
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§ 45 SGB V
Krankengeld bei Erkrankung des Kindes
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben, eine andere in ihrem Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist. § 10 Abs. 4 und § 44 Absatz 2 gelten.
(2) Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 besteht in jedem Kalenderjahr für jedes Kind längstens für 10 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte längstens für 20 Arbeitstage. Der Anspruch nach Satz 1 besteht für Versicherte für nicht mehr als 25 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für nicht mehr als 50 Arbeitstage je Kalenderjahr.
(3) Versicherte mit Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 haben für die Dauer dieses Anspruchs gegen ihren Arbeitgeber Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung, soweit nicht aus dem gleichen Grund Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht. Wird der Freistellungsanspruch nach Satz 1 geltend gemacht, bevor die Krankenkasse ihre Leistungsverpflichtung nach Absatz 1 anerkannt hat, und sind die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt, ist der Arbeitgeber berechtigt, die gewährte Freistellung von der Arbeitsleistung auf einen späteren Freistellungsanspruch zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines erkrankten Kindes anzurechnen. Der Freistellungsanspruch nach Satz 1 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden.
(4) Versicherte haben ferner Anspruch auf Krankengeld, wenn sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben, sofern das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist und nach ärztlichem Zeugnis an einer Erkrankung leidet,
a) die progredient verläuft und bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat,
b) bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativmedizinische Behandlung notwendig oder von einem Elternteil erwünscht ist und
c) die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt.
Der Anspruch besteht nur für ein Elternteil. Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3 gelten entsprechend.
(5) Anspruch auf unbezahlte Freistellung nach den Absätzen 3 und 4 haben auch Arbeitnehmer, die nicht Versicherte mit Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 sind.
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3)
Festzuhalten ist damit, dass ein Anspruch auf Freistellung und Bezug von Krankengeld gemäß § 45 Abs. 2 SGB V für 20 Arbeitstage möglich wäre, wenn ein entsprechendes ärztliches Zeugnis vorlegelegt wird, dass die persönliche Pflege durch die Kindsmutter auf der anstehenden Kur erforderlich ist.
4)
Wären jedoch Kind UND Mutter erkrankt, so bestünde nach §§ 3
, 9 EFZG
für bis zu 6 Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann.
Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.
Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Koberger,
ich habe noch eine Nachfrage: Aus § 45 SGB V
ergibt sich ergibt sich der Bezug von Krankengeld für 20 Tage. Aber wie sieht es mit einem Anspruch auf dann halt unbezahlte Freistellung aus? Das ergibt sich nicht aus § 45 SGB V
, aber vielleicht woanders raus? Und was ist mit § 616 BGB
?
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für die Nachfrage, worauf ich wie folgt antworte:
Der Freistellungsanspruch aus § 616 BGB
ist zu dem Freistellungsanspruch bei gleichzeitiger Zahlung des Krankengeldes (§ 45 SGB V
) subsidiär.
Das heißt, dass der Arbeitnehmer zunächst seinen Anspruch auf bezahlte Freistellung ( § 616 BGB
) geltend machen kann ( 5 Tage -vgl. BAG bei Kind unter 8 Jahren; BAG, Urteil vom 19.4.1978, Aktenzeichen 5 AZR 834/76
) und, wenn dieser bezahlte Freistellungsanpsruch erschöpft ist, unbezahlte Freistellung unter Krankengeldbezug bei gleichzeitigem Abzug der bereits in Anspruch genommenen Freistellungstage (15 Tage) geltend machen kann.
5 Tage (bezahlte Freistellung)
+ 15 Tage (Freistellung bei Krankengeldbezug - nicht bei Privatversicherten!)
= Anspruch auf insgesamt 20 Freistellungstage
Nur in der sehr schweren Situation, dass ein Kind unheilbar krank ist und nur noch wenige Wochen oder Monate zu leben hat, hat der betreuende Elternteil einen zeitlich nicht begrenzten Anspruch auf Freistellung und Kinderkrankengeld (§ 45 Abs. 4 SGB V
).
Auch wenn die Gesetzeslage leider nicht mehr als insgesamt 20 Arbeitstage Freistellungsanspruch hergibt, hoffe ich dennoch, Ihnen weiter geholfen zu haben. Wie gesagt wäre eine längere Freistellung ( 6 Wochen) bei einer echten Mutter / Kind Therapie möglich, also wenn beide erkrankt sind/wären.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kohberger
Rechtsanwalt