Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne wie folgt beantworte. Dieses Forum dient dazu, Ihnen eine erste rechtliche Orientierung zu verschaffen, kann und soll keinesfalls die Beratung bei einem Kollegen vor Ort ersetzen.
Dies vorausgeschickt, gehe ich auf Ihre Frage wie folgt ein:
Zunächst ist es wichtig, dass Ihre Freundin den Termin beim Jugendamt in jedem Fall wahrnimmt.
Die Bedenken im Hinblick auf den Kindesvater kann ich durchaus nachvollziehen. Wenn aber das Kindeswohl dem Umgang nicht entgegensteht, dann sollte hier im Gespräch beim Jugendamt unbedingt signalisiert werden, dass einem Umgangsrecht zugestimmt werden wird.
Allerdings ist es üblich nach einer derart langen Umgangsunterbrechung und damit Verlust des Bezuges vom Kind zum Kindesvater eine Umgangsanbahnung zunächst zu durchlaufen. Dies geschieht in der Form, dass zunächst Umgang im Beisein der Kindesmutter oder einer anderen 3. Person für eineige Stunden, dann für einen ganzen Tag stattfindet. Erst wenn das Vater-Kind-Verhältnis wieder behutsam aufgebaut wurde, findet dann der Wochenendumgang statt.
Wenn also der Sohn nicht derat unter der Trennung zum Vater gelitten hat, dass er von sich aus zunächst den Umgang komplett verweigert, was in diesem Alter nicht unüblich wäre, dann sollte beim Jugendamt einer Umgangsanbahnung zugestimmt werden.
Hierzu muss dann der Kindesvater anreisen und den stundenweisen Umgang zunächst wahrnehmen. Es besteht auch keine Verpflichtung der Kindesmutter das Kind zum Umgang zu bringen und dort wieder abzuholen. Bei größeren Entfernungen kann man sich darauf verständigen, dass jeder Elternteil eine Strecke übernimmt, es trifft jedoch grundsätzlich den Umgangsberechtigten, also den Kindesvater die Pflicht das Kind abzuholen und auch wieder zurückzubringen.
Wichtig ist, dass die Kindesmutter im Gespräch beim Jugendamt Binungstoleranz zeigt. Unter Bindungstoleranz versteht man, dass die Kindesmutter Verständnis dafür aufbringt, dass Vater und Sohn Umgang miteinander pflegen und dies auch künftig realisiert wird. Einwendungen sollten nur insoweit erhoben werden, dass es dem Kindeswohl nicht dienlich ist, ohne die übliche Umgangsanbahnung direkt in einen Wochenendumgang einzusteigen.
Aufgrund der seinerzeitigen Geschehnisse und dem damit einhergehenden allen Seiten durchaus nachvollziehbaren Vertrauensverlust zwischen Mutter und Vater, sollte in jedem Fall vereinbart werden, dass, wenn der Wochenendumgang dann stattfindet, die Mutter erfährt, wo der Umgang stattfindet und welche Personen zugegen sind.
Wenn Bedenken dahingehend bestehen, dass der Vater nach wie vor Drogen konsumieren sollte, müsste dies in jedem Fall auch in dem Gespräch thematisiert werden, insbesondere im Hinblick auf die lange Fahrtstrecke, die später einmal zu absolvieren wäre.
Die Mutter sollte beim Gespräch deutlich machen, dass hier zunächst eine Vertrauensbasis wieder aufgebaut werden muss, da der Vater seinerzeit verschwunden ist und sich nicht um die Belange des Kindes mehr gekümmert hat.
Aufgrund Ihrer Schilderung hat die Mutter erst einmal nicht zu befürchten, das alleinige Sorgerecht wieder zu verlieren. Wichtig ist allerdings, dass die Mutter eine Bindung zwischen Vater und Sohn zulässt und toleriert, auch wenn das am Anfang mit Sicherheit schwer fallen wird.
Die Mutter sollte einer Umgangsanbahnung in beschriebener Form, die über einen Zeitraum von 3 bis 6 Monaten ausweitend stattfinden sollte, ihre Zustimmung erteilen. Einem sofortigen Umgangswochenende kann sie durchaus widersprechen.
Da nicht bekannt ist, wo das Kind während eines Umganges dann untergebracht ist, sollte das Jugendamt am Wohnort des Vaters dann die Wohnverhältnisse noch überprüfen, bevor dann der Wochenendumgang stattfindet.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine erste rechtliche Orientierung verschaffen, sollte etwas unklar geblieben sein, nutzen Sie bitte die kostenlose Nachfragefunktion.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Sonntag und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Tobias Rösemeier
- Rechtsanwalt -
Antwort
vonRechtsanwalt Tobias Rösemeier
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Rechtsanwalt Tobias Rösemeier
Fachanwalt für Familienrecht
Sehr geehrter Herr Rösemeier,
vielen Dank für die gute, schnelle Antwort; - super.
Bitte gewähren Sie mir noch folgende Nachfrage, - nur um sicher zu sein dass sich der Schreibteufel nicht eingeschlichen hat, - weil wir das Wort nicht kennen;-
Ist der Begriff „Binungstoleranz" richtig oder sollte es Bindungstoleranz heissen?
Noch eine letzte Frage zum alleinigen Sorgerecht: kann der Vater nach, - sagen wir einer Umgangszeit (jedes zweite Wochenende) von zwei Jahren mit den Sohn das hälftige Sorgerecht bekommen, obwohl er keinen Unterhalt zahlt, die Mutter aber das „tägliche Brot" Schule, Gesundheit, Erziehung und 100% Job zu bewältigen hat. Der Vater des Jungen könnte dann sporadisch kurz auftaucht und entscheidend mitreden und Forderungen stellen, welche die Mutter dann noch zusätzlich neben ihrer Tagesverantwortung und Last zu bewältigen hat.
Sehr geehrter Fragesteller,
sehr gerne beantworte ich Ihre Nachfrage wie folgt.
Tatsächlich hat sich der Schreibteufel eingeschlichen und das "d" geklaut (ich werde dies umgehend zur Anzeige bringen ;) Es heißt richtig, Bindungstoleranz.
Von Vorteil ist in Ihrem Fall, dass hier bereits das alleinige Sorgerecht der Mutter zugesprochen wurde. Grundsätzlich könnte der Kindesvater einen Antrag auf die gemeinsame elterliche Sorge stellen, wobei er sich hier ja schon einmal disqualifiziert hat, so dass der Weg zum gemeinsamen Sorgerecht zurück nicht einfach sein würde.
Der Unterhalt selbst hat mit dem Sorgerecht nichts zu tun. Auch wenn es durchaus schwer nachvollziehbar ist, weil alles emotional ineinander spielt, sind es rechtlich gesehen 2 Paar Stiefel.
Aber selbst wenn im schlimmsten Fall der Vater die gemeinsame Sorge erhalten würde, so hätte die Mutter nach wie vor das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind inne, weil das Kind bei der Mutter lebt. Im Rahmen des Aufenthaltsbestimmungsrechtes kann sie alle täglichen Entscheidungen alleine treffen.
Im Rahmen der gemeinsamen elterlichen Sorge sind nur Entscheidungen von besonderer Bedeutung gemeinsam zu treffen. Dies sind beispielsweise Operationen des Kindes, die keine Notoperationen sind, die Wahl der Schule oder aber auch der Ausbildung oder aber ein Umzug in eine andere Stadt.
Können sich die Eltern im Rahmen der gemeinsamen elterlichen Sorge über eine wichtige Entscheidung nicht verständigen, so kann auch in diesem Fall das Familiengericht angerufen werden, dieses wird dann im Sinne des Kindeswohles einem Elternteil die alleinige Entscheidungsbefugnis übertragen.
Ich gehe aber aufgrund Ihrer Schilderung nicht davon aus, dass es wieder zur Herstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge kommen wird.
Sollte ein derartiges Verfahren angestrebt werden, empfehle ich Ihnen, sich in jedem Fall von einem Fachanwalt für Familienrecht vor Ort vertreten zu lassen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Tobias Rösemeier
- Rechtsanwalt -