Vermeidung Hauptverfahren

Question

Sehr geehrte Anwältin, sehr geehrter Anwalt,      Ich bitte um Rat bei der Bearbeitung eines schwerwiegenden Problems.    Was würden Sie an meiner Stelle tun?          Sachverhalt:  Ich bin 63 Jahre alt, als Arzt in einem kleinen Ort seit 30 Jahren tätig und dort sehr bekannt.      Vor 2 Jahren gab es bei mir eine Hausdurchsuchung, da ich auf einer angekauften  Steuer CD einer Schweizer Bank stand. Diese Angelegenheit ist mittlerweile  aufgearbeitet, die Steuerschulden sind bezahlt.      Als Zufallsfund fand sich eine riesige Sammlung erotischen und pornografischen  Bildmaterials, gesammelt und gespeichert über einen Zeitraum von 40 Jahren.  Das gespeicherte Datenvolumen umfasste 50 Terabyte, ist also unüberschaubar  groß. Dieser Datenbestand wurde sichergestellt und einer inhaltlichen Prüfung  durch die Staatanwaltschaft unterzogen.      Nach 18 Monaten wurde mir ohne weitere Ankündigung und ohne Aufforderung   zur Stellungnahme eine Anklageschrift zugestellt.       Darin wurde mir vorgeworfen, dass im Datenbestand 500 Videoclips und 3550 Bild-  dateien nach den Bestimmungen des &#167;184 b und 184c &lpar;kinder- und jugendpornographische Schriften&rpar; strafbar seien. Statistisch gesehen waren das 0,007 Promille der gespeicherten Dateien.      Diese Anklage brachte mich aus der Fassung, da ich in all den Jahren nicht das Gefühl hatte, etwas Strafbares zu tun. Es handelte sich bis zur Mitte der 90-er Jahre um Scans aus Männermagazinen, nach Aufkommen des Internets um Bezug von Dateien von Erotik- und Pornowebseiten, die häufig kostenpflichtig waren, nunmehr oft schon seit 20 Jahren auf dem Markt agieren, einen riesige Nutzergemeinde haben und sämtlich im  Impressum die Volljährigkeit der dargestellten Personen versichern. In keinem Fallwurde Bildmaterial aus dem "Darknet", über Tauschbörsen oder aus sonstigen dunklen Quellen bezogen.      Ich versicherte mich umgehend der Vertretung durch einen auf das Fachgebiet Sexualrecht spezialisierten Anwalts. Dieser verlangte zweimalig Akteneinsicht, die bis heute nicht gewährt wurde.      Statt dessen erhielt ich jetzt die Ladung zur öffentlichen Hauptverhandlung in 5 Wochen vor dem wohnortnahen Amtsgericht.      Das ist eine berufliche und soziale Katastrophe, da die Lokalpresse regelmäßig von dort berichtet.      Allein die Tatsache, dass in einer solchen Verhandlung über mich berichtet wird, bedeutet das wirtschaftliche Aus für meine Praxis. Es bedarf keiner Verurteilung - auch ein Freispruch oder aber eine Verfahrenseinstellung würde den wirtschaftlichen und sozialen Tod in der Gemeinde bewirken, da dann jeder Zeitungsleser weiß, weswegen gegen mich ermittelt wurde.       Ich hatte bei meinem Anwalt folgendes angeregt:      &lpar;1&rpar;  Abfragen, ob Erledigung anders möglich sei.       Angebot der Staatsanwaltschaft telefonisch:      Ohne weitere Prüfung 1 Jahr Gefängnis auf Bewährung plus Bewährungsauflage.  Meine Antwort war ablehnend, da ich dann vorbestraft wäre und meine Berufserlaubnis entzogen würde. Außerdem sah ich keine Grundlage für einen Schuldspruch in dieser Höhe &#8211; zumal noch ohne rechtliche Anhörung meiner Person.      &lpar;2&rpar;  Antrag auf Verlegung des Hauptverfahrens an ein wohnortfernes Gericht:       Antwort: aussichtslos.      &lpar;3&rpar;  Vorabantrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Hauptverhandlung.      Antwort: Antrag kann nur in der Hauptverhandlung gestellt werden.   &lpar;Schlecht, denn dann hätte mich der Lokalreporter schon gesehen und erkannt&rpar;      &lpar;4&rpar;  Direktes Schreiben an den Strafrichter vor der Hauptverhandlung mit Vortrag meiner Argumente und Vorlage entlastender Beweise.      Antwort: nicht sinnvoll und sogar schädlich. In der Hauptverhandlung gilt das mündlich Vorgetragene. Somit sei die Hauptverhandlung der Ort, mich zu entlasten. Ich müsse mich also der Hauptverhandlung unbedingt stellen, um ein günstiges Ergebnis für mich zu erreichen.      Leider wäre auch ein günstiges Ergebnis in der Hauptverhandlung für mich ungünstig.      Ich sehe keinen Ausweg mehr. Gehe ich zur Hauptverhandlung, ist das mein wirtschaft- liches und gesellschaftliches Aus. Gehe ich nicht zur Hauptverhandlung, wird man mich verhaften und polizeilich vorführen.      Meine Fragen an Sie:      &lpar;1&rpar;  Was würden Sie in meiner Lage tun? Bedenken Sie die Existenzgefährdung und den drohenden Verlust der Berufserlaubnis.      &lpar;2&rpar;  Gibt es doch noch Möglichkeiten, die Hauptverhandlung örtlich zu verlegen, zu vermeiden oder zu verschieben? Wenn ja, welche?  Insbesondere ist ohne Akteneinsicht eine Verteidigung nicht möglich. Auch nach Akteneinsicht brauche ich Zeit, um Beweise zu entkräften.      Was würden Sie also in meiner Lage tun?  Für einen guten Rat wäre ich Ihnen dankbar.

Rechtsanwalt Michael Pilarski · Accepted Answer

Antwort vom Rechtsanwalt: Sehr geehrter Fragesteller,    Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:    Eingangs möchte ich Ihnen mitteilen, dass abschließende und vernünftige Beurteilung der Sach- und Rechtslage ohne die Einsicht in die Ermittlungsakten nicht möglich ist.     Ihrer Sachverhaltsschilderung nach zu urteilen, befinden Sie sich tatsächlich in einer Zwickmühle.     Grundsätzliche würde ich es durchaus für möglich halten, dass man Ihnen, wenn Sie tatsächlich keine Kenntnis vom Alter der abgebildeten Personen hatten und dies auf den Seiten sogar versichert wurde, Vorsatz möglicherweise nicht nachweisen könnte. Zum Nachweis des Vorsatzes zeiht ein Gericht Indizien heran, denn subjektive Vorgänge können objektiv nicht unmittelbar nachgewiesen. Hierzu bräuchte ein Anwalt jedoch, um eine vernünftige Verteidigungsstrategie zu planen, Einsicht in die Akten.    Sollten Ihnen vor der Hauptverhandlung darüber hinaus keine Akteneinsicht gewährt werden, so kann dies zumindest gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und des Rechts auf rechtliches Gehör verstoßen. Es ist einem Angeschuldigten nicht zuzumuten, ohne Verteidigungsstrategie und Kenntnis der ihn belastenden Beweise in einer Hauptverhandlung aufzutreten.     Nun zu Ihren Fragen konkret:    Die Erledigung durch eine Art &#8222;Deal" ist natürlich durchaus möglich, wenn die Staatsanwaltschaft mitspielt. Aber wie Sie sagen, sehe ich es nicht als gangbare Alternative an, wenn Sie Ihre Zulassung als Arzt verlieren.    Im deutschen Rechtssystem herrscht das Rechtsstaatprinzip. Die gerichtlichen Zuständigkeiten sind fest geregelt. Daher ist das örtliche Amtsgericht bei Ihnen zuständig, da der Tatort Ihre Praxis sein dürfte.     Ihr Anwalt hat auch insoweit Recht, dass Anträge in der Hauptverhandlung gestellt werden. Über die Ausschließung der Öffentlichkeit ist aber in nichtöffentlicher Sitzung zu verhandeln, wenn ein Beteiligter dies beantragt. Jedoch könnte es in diesem Fall dennoch zum Kontakt und zur Begegnung mit Journalisten kommen.     Ich bin aus meiner Erfahrung auch der Ansicht, dass ein direktes Schreiben an den Richter regelmäßig reaktionslos bleiben würde. Es gilt tatsächlich der Mündlichkeitsgrundsatz in der Hauptverhandlung.     Meiner Ansicht nach ist nicht zu unterschätzen, dass Ihnen die Alternative, die Hauptverhandlung durchzuführen, zumindest die Zulassung als Arzt belässt. Denn wenn bei einem Deal Ihre Lebensgrundlage entfällt, dann wäre dies existenzbedrohend.     Die einzige Lösung wäre, dass Ihr Anwalt noch einmal Kontakt zur Staatsanwaltschaft aufnimmt und versucht, den &#8222;Deal" derart zu gestalten, dass ein Strafmaß erreicht wird, bei dem Ihre Zulassung nicht entzogen wird.     Ich hoffe ich konnte Ihnen weiterhelfen, wenn ich auch keine positivere Antwort auf Ihre Frage habe. Nutzen Sie die Kommentarfunktion, falls Unklarheiten bestehen, damit ich diese gegebenenfalls ausräumen kann.    Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.    Mit freundlichen Grüßen

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Strafrecht

Rechtsanwalt Michael Pilarski

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