Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich unter Berücksichtigung des von Ihnen geschilderten Sachverhaltes wie folgt beantworte. Ich weise darauf hin, dass das Hinzufügen bzw. Weglassen von wesentlichen Sachverhaltsbestandteilen zu einem völlig anderen rechtlichen Ergebnis führen kann. Dieses Medium dient dazu, Ihnen eine erste rechtliche Orientierung zu verschaffen, kann und soll keinesfalls die Beratung bei einem Kollegen vor Ort ersetzen.
Dies vorausgeschickt beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
Zunächst ist es richtig, dass Sie sowohl Erbe als auch Vermächtnisnehmerin werden können. Erbe werden Sie nach Ihrem Vater und Vermächtnisnehmerin nach Ihrer Mutter.
Das Vermächtnis ist wie eine Nachlassverbindlichkeit zu behandeln. Da es sich hier um ein Vermächtnis Ihrer Mutter handelt, wobei die Auszahlung erst zum Zeitpunkt des Versterbens des Vaters geregelt wurde, können Sie das Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit einstellen. Anders wäre dies, wenn Ihr Vater Ihnen ein Vermächtnis zugewendet hätte, dann wären nämlich erst die Pflichtteilsansprüche des nichtehelichen Kindes vor der Erfüllung des Vermächtnisses zu berechnen gewesen.
Der Nachlass Ihres Vater ist daher erst um das Vermächtnis zu Ihren Gunsten nach Ihrer Mutter zu bereinigen.
Die vertragliche Vereinbarung Ihrer Eltern ist tatsächlich nicht ohne weiteres rechtlich zu greifen.
Der Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung zielt jedoch auf den Zeitpunkt der Vermächtnisberechnung ab. Da eine solche bislang nicht erfolgt ist, würde ich hier den Zeitpunkt der Fälligkeit des Vermächtnis, also den Zeitpunkt des Todes Ihres Vaters als Bewertungszeitpunkt ansetzen.
Demnach müssen Sie Ihren Vermächtnisanspruch nach Ihrer Mutter zum Zeitpunkt des Todesfalls Ihres Vaters berechnen und sodann vom Nachlass Ihres Vaters in Abzug bringen.
Wenn das Vermächtnis den Wert des Nachlasses übersteigt, dann muss in dieser Konstellation kein Pflichtteil ausbezahlt werden.
Ich weise darauf hin, dass meine Auslegung der Vermächtnisberechnung ausschließlich aufgrund der von Ihnen zitierten Passage des Erbvertrages erfolgte. Sollten weitergehende Vereinbarungen in dem Vertrag getroffen worden sein, müssten diese allerdings berücksichtigt werden. Die Intension Ihrer Eltern aufgrund des geschlossenen Vertrages lässt aber die Auslegung zu, dass der zunächst überlebende Ehegatte keinem Kind einen Pflichtteil ausbezahlen sollte und Sie als gemeinsames Kind Ihrer Eltern aber Ihren gesetzlichen Erbteil bzw. 2/3 hiervon gegenüber dem nichtehelichen Kind entgegensetzen können.
Sollte es zu Auseinandersetzungen im Rahmen der Pflichtteilsberechtigung mit dem nichtehelichen Kind Ihres Vaters kommen, empfehle ich Ihnen, sich in die Vertretung eines Fachanwalts für Erbrecht für Ort zu begeben.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine erste rechtliche Orientierung verschaffen.
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Rösemeier
- Rechtsanwalt -