Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen wie folgt beantworten:
In dem von Ihnen zitierten Erbvertrag ist eine klare Unterscheidung getroffen zwischen denjenigen Vermögensgegenständen, welche die gemeinsamen Kinder im Voraus erhalten sollen, und denjenigen Vermögensgegenständen, auf die sich die Vor-/Nacherbschaft bezieht. Dem Vorausvermächtnis unterfällt die gesamte bewegliche Habe mit Ausnahme einer Beteiligung an der einen näher bezeichneten GmbH bzw. deren Nachfolgegesellschaft.
Ein an diese GmbH ausgereichtes normales Darlehen ist keine Beteiligung, weil es kein Eigenkapital, sondern Fremdkapital der GmbH darstellt. Selbst wenn es sich um ein sog. partiarisches Darlehen (eine Sonderform des Darlehens) handeln sollte, wäre es immer noch Fremdkapital und damit keine Beteiligung an der GmbH. Das Darlehen unterfällt also dem Vorausvermächtnis und fällt insofern den gemeinsamen Kindern zu.
Gleiches gilt für die im Erbvertrag nicht genannte GmbH. Nach dem klaren Wortlaut des Erbvertrags sollen nur die "vorbezeichneten" Beteiligungen, also Beteiligungen an der explizit genannten GmbH, vom Vorausvermächtnis ausgenommen sein. Somit erstreckt sich das Vorausvermächtnis auf die im Erbvertrag nicht genannte GmbH. Anders wäre dies nur, wenn diese GmbH Anteile an der im Erbvertrag genannten GmbH hielte, weil dann indirekt doch eine Beteiligung an der im Erbvertrag genannten GmbH vorläge.
Diese meine Erläuterungen beruhen auf der Annahme, dass der von Ihnen ausschnittsweise zitierte Erbvertrag nicht an anderer Stelle Regelungen enthält, die eine andere Einschätzung rechtfertigen. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn der Erblasser an anderer Stelle deutlich gemacht hätte, dass er unter einer "Beteiligung" an einem Unternehmen auch die Ausreichung eines Darlehens versteht.
Ich hoffe, Ihre Frage damit verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für Ihr Vertrauen. Bei Unklarheiten benutzen Sie gerne die kostenlose Nachfragefunktion.
Freundliche Grüße
Martin Engel
--
Dr. Martin Engel, Rechtsanwalt
Rechtsanwaltskanzlei Sylvenstein
www.kanzlei-sylvenstein.de
Sehr geehrter Herr Dr. Engel,
vielen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort.
Es handelt sich in der Tat bei obigem Zitat um das vollständige Vermächtnis(III). Der Abschnitt II behandelt lediglich die Erbfolge, wer genau Nacherbe ist etc.
Die Frage hat sich mir gestellt, da der RA der mich derzeit betreut der Meinung ist, dass sowohl das Darlehen an die erste GmbH als auch die Beteiligung an einer weiteren GmbH zum Erbe gehören würden, da sie nicht im Vermächtnis benannt wurden. Nur was im Vermächtnis aufgezählt wird, würde vermacht werden, alles andere würde vererbt werden.
Mein Einwand auf den zweiten Satz im Vermächtnis, den ich als "Ausschlussklausel" bezeichnen möchte, wies mein RA mit obiger Begründung ab.
IMHO ist der Sinn des Erbvertrages, die "Familien"-GmbH und die vorhandenen Immobilien zu schützen. Alles andere soll gleichmäßig auf die noch lebenden gemeinsamen Kinder verteilt werden.
Gibt es dazu Rechtsprechung bzw. wie sollte ich dies meinem RA kommunizieren?
Vielen Dank
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Nachfrage!
Jeder Erbvertrag muss "ausgelegt" werden, d.h. um ihn richtig zu verstehen, muss man sich fragen, was sich die beiden Parteien des Erbvertrags mit ihrer Regelung gedacht haben.
Laut dem Erbvertrag bezieht sich das Vermächtnis auf die "gesamte bewegliche Habe", d.h. das gesamte bewegliche Vermögen. Man könnte hier daran zweifeln, dass die Darlehensforderungen zum beweglichen Vermögen zählen. Allerdings sagt schon der folgende Satz des Erbvertrags klar, dass neben den vorbezeichneten GmbH-Anteilen nur das unbewegliche Vermögen vom Vermächtnis ausgenommen sein soll. Zum unbeweglichen Vermögen gehören aber weder Forderungen noch GmbH-Anteile (GmbH-Anteile sind im juristischen Sinne auch Forderungen).
Juristisch kann man das wie folgt begründen: Zwar gehören nach § 930
der Zivilprozessordnung (ZPO) Forderungen nicht zum beweglichen Vermögen, sondern werden nur ähnlich dem beweglichen Vermögen behandelt. Zum unbeweglichen Vermögen gehören sie aber auch nicht; das ergibt sich aus § 864 ZPO
. Sie gehören also zu keiner der beiden Kategorien, stehen aber erheblich näher beim beweglichen Vermögen; häufig werden sie sogar trotz der Formulierung in § 930 ZPO
direkt zum beweglichen Vermögen gezählt. Deswegen muss man den Erbvertrag meines Erachtens so auslegen, dass die Darlehensforderungen und der Anteil an der im Erbvertrag nicht bezeichneten GmbH vom Begriff der "gesamten beweglichen Habe" und damit vom Vorausvermächtnis umfasst sind.
Vielleicht fragen Sie Ihren Rechtsanwalt, warum er meint, dass der Begriff der "gesamten beweglichen Habe" nicht auch die Darlehensforderung und den Anteil an der GmbH umfasse. Vielleicht drucken Sie sich auch den entsprechenden Teil meiner Antwort aus und legen ihn ihm vor; das zwingt ihn, präzise zu begründen, weshalb er meine Einschätzung nicht teilt.
Freundliche Grüße
Martin Engel