Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
gerne beantworte ich Ihre Fragen auf Grundlage Ihrer Schilderung und unter Berücksichtigung des Einsatzes:
1)
Ausweislich Erbschein ist die Ehefrau des Erblassers zu 1/3 dessen Erbin geworden. Über die hierzu geführt habenden Gründe kann hier nur spekuliert werden, aber möglicherweise hat das Nachlassgericht die „vermachten“ Gegenstände als Erbteil erachtet.
Es ist nun fraglich, ob über die Frage der Vor- und Nacherbschaft überhaupt abweichende vertragliche Vereinbarungen getroffen werden dürfen, da nach Konzeption des Gesetzes ja der Wille des Erblassers entscheidend sein soll.
So ist etwa ein Erbverzicht nur gegenüber dem Erblasser erklärbar, § 2346 BGB
.
Die Nacherbenstellung ist aber ein Anwartschaftsrecht, das unentziehbar und unbeschränkbar ist und einen gegenwärtigen und vererblichen Vermögenswert darstellt, das jedoch auch rechtsgeschäftlich übertragbar ist (BGH-Entscheidung vom 09.06.1982, Aktenzeichen IX ZR 41/82
).
In der vertraglichen Erklärung der Kinder, sofern diese unentgeltlich erfolgt ist (wovon ich ausgehe, da eine aus Erbensicht dem Testament entsprechende Situation geschaffen werden sollte), könnte eine Schenkung an die Ehefrau zu sehen sein, § 516 Abs. 1 BGB
:
„Eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, ist Schenkung, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt.“
Allerdings wäre hier eine notarielle Beurkundung erforderlich, § 518 Abs. 1 BGB
:
„Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung schenkweise versprochen wird, ist die notarielle Beurkundung des Versprechens erforderlich. Das Gleiche gilt, wenn ein Schuldversprechen oder ein Schuldanerkenntnis der in den §§ 780, 781 bezeichneten Art schenkweise erteilt wird, von dem Versprechen oder der Anerkennungserklärung.“
Eine Heilung durch Bewirkung der Leistung, § 518 Abs. 2 BGB
scheidet in diesem Fall aus, denn dort heißt es:
„Der Mangel der Form wird durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt.“
„Verjährungsfristen“, die aus einem unwirksamen Vertrag einen wirksamen machen könnten, existieren in der deutschen Rechtsordnung nicht. Die Kinder könnten also jederzeit Forderungen in Sachen Fondsanteile stellen.
§ 125 BGB
besagt überdies, dass Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, nichtig ist.
Ohne den Vertrag der Ehefrau mit den Kindern gesehen zu haben, kann hier seriös aber keine abschließende Beurteilung erfolgen.
2)
Im Bezug auf die GmbH hat eine notarielle Beurkundung stattgefunden; dies ist der entscheidende Unterschied zu dem Privatvertrag! Hier könnte die Schenkung (so es denn eine war) den Voraussetzungen des § 518 BGB
genügen.
Ob der Notar diesbezügliche Pflichten verletzt hat, ist hier nicht ersichtlich, schließlich hätten sich die Kinder eines ihre Interessen vertretenden Rechtsanwaltes bedienen können. Außerdem waren sie sich offenbar im Klaren darüber, auf Rechte bezüglich der Werte aus der GmbH zu verzichten.
3)
Zu den im Ausland befindlichen Vermögenswerten, die einen Teil des Nachlasses ausmachen, ist zu sagen, dass ausländische Rechtsordnungen in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle spielen könnten.
In Deutschland wäre eine Ersitzung aber nicht möglich, da die Ehefrau bei Erwerb des Eigenbesitzes in gutem Glauben hätte sein müssen, was hier aber nicht der Fall ist.
Die Kinder haben natürlich einen Auskunftsanspruch, den sie gegebenenfalls einklagen könnten, etwa im Wege der Stufenklage, 254 ZPO.
Zu beachten ist, dass die Ehefrau tatsächlich den Tatbestand der Unterschlagung (§ 246 StGB
) verwirklicht haben könnte. Nämlich um eine Schenkung beweisen zu können, müsste sie hierzulande notariell beurkundet sein (s.o.).
Für eine abschließende Beurteilung müßten alle den Fall betreffenden Dokumente studiert werden.
Ich hoffe dennoch, Ihnen im Rahmen dieser Erstberatung einen ersten Überblick über die von Ihnen aufgeworfenen Fragen gegeben zu haben; für eine etwaige weitere Beratung stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Böhler
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Michael Böhler
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Sehr geehrter Herr Böhler,
vielen Dank für Ihre schnelle und sehr ausführliche Antwort.
Die Probleme liegen natürlich primär am langen Zeitraum, d.h. der Todestag war im Jahre 1995,hier Verjährungsfristen
Die Kinder interessiert in ersten Linie nun, was ist von größerer Bedeutung, das Testament oder der Erbschein ?
Zum Notarvertrag über die GmbH: Der Notar hat lediglich erklären lassen, "dass die Geschäftsanteile der im Testament angeordneten Vor- und Nacherbschaft nicht unterliegen, weil diese sich lediglich auf einen Teil des im Nachlaß vorhandenen Grundbesitz bezieht". Der Erbschein lag zu diesem Zeitpunkt dem Notar vor. Meines Erachtens fehlt hier der Hinweis, bzw. Erklärung des Notars, dass die Kinder durch Ihre Zustimmung auf Ihren Erbanteil ausdrücklich verzichten.
Deshalb nochmals die Frage, ob hier ein Beratungsfehler des Notares vorliegt und wo liegt hier die Verjährungsfrist ?
Was mich in dieser Erbangelegentheit interessiert ist, normalerweise gilt für Erbangelegenheiten eine 30 jährige Verjährungsfrist, diese ist aber scheinbar durch das neue Schuldrechtsreformgesetz zu 90 % gekippt worden.
Was fällt überhaupt noch unter die 30 jährige Verjährungsfrist ?
Was ist mit Rechnungen ( auch Notarrechnungen ) die in 1995, 1997 oder gar in 1998 zu Unrecht auch von den Kindern bezahlt worden sind ?
Ich bedanke mich in voraus für Ihre Bemühungen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Ratsuchender,
das Testament liegt im Rang selbstverständlich vor dem Erbschein, denn dieser kann eingezogen und für kraftlos erklärt werden, § 2361 Abs. 1 BGB
. Hierfür besteht keine zeitliche Grenze, so dass die Einziehung auch dann noch zulässig ist, wenn seit der Erteilung des Erbscheins ein langer Zeitraum verstrichen ist, zwischenzeitlich keine neuen Tatsachen aufgetreten sind und die der Erteilung zugrunde liegende Testamentsauslegung denkgesetzlich möglich war (BGHZ 47, 58
).
Das Verhalten des Notars kann im Rahmen dieser Plattform nicht abschließend beurteilt werden; ich halte es aber für möglich, dass der Passus für einen „Verzicht“ ausreicht, müsste aber hier eine grundlegende Prüfung der Umstände vornehmen. Um die Verjährungsfrist angeben zu können, fehlt mir die Kenntnis darüber, ob der Notar auch Rechtsanwalt ist.
Ansprüche aus dem Erbrecht verjähren auch nach der Schuldrechtsreform erst nach 30 Jahren, wie § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB
vorschreibt.
Die Rechnungen sind nach Ihrer Schilderung bezahlt, können also nicht verjährt sein. Wenn Sie hieraus Schadenersatzforderungen geltend machen wollen, könnten diese noch der alten 30jährigen Regelverjährungsfrist unterliegen; hier ist aber noch eine genaue Prüfung erforderlich.
Für eine weitere Prüfung und Geltendmachung Ihrer Ansprüche stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Böhler
Rechtsanwalt