Sehr geehrter Fragesteller,
aufgrund Ihrer Schilderungen beantworte ich Ihre Frage in einer ersten rechtlichen Einschätzung wie folgt:
Bei abhängigen Beschäftigten ist die Berechnung des zur Insolvenzmasse und des pfändungsfreien Vermögens aufgrund eindeutiger monatlicher Gehaltsabrechnungen leicht nachvollziehbar. Die Verpflichtung des Unterhaltsverpflichteten im laufenden Insolvenzverfahren hinsichtlich laufender Unterhaltsverpflichtungen regelt zudem § 850 d ZPO
. Dieser ist entgegen Ihrer Annahme auch im Insolvenzverfahren anwendbar und zwar im Verhältnis Unterhaltsberechtigter <-> Unterhaltsverpflichteter, was sich nicht zuletzt aus § 89 II 2 InsO
ergibt. Zutreffend haben Sie geschildert, dass die Berechnung zwischen notwendigem Selbstbehalt und Pfändungsfreigrenze zu berechnen ist.
Problematisch wird die Nachvollziehbarkeit bei unregelmäßigen Einkünften, wie Sie grundsätzlich bei Selbstständigen bestehen. Im Ergebnis besteht aber immer das Bestreben, einen größtmöglichen Gleichlauf zu abhängig Beschäftigten herzustellen. Außerhalb der Insolvenz scheinen Ihnen die Vorschriften hinsichtlich Unterhalt bekannt. Innerhalb der Insolvenz gibt es aber bereits verschiedene Möglichkeiten und Verfahrensweisen, wie die selbstständige Tätigkeit und die diesbezüglichen Einnahmen zugeordnet bzw. berechnet werden. Zunächst gehört der Erwerb zur Insolvenzmasse mit der Möglichkeit des § 850i ZPO
. Zudem existiert die Vorschrift des § 100 InsO
. Der Insolvenzverwalter konnte in der Vergangenheit allerdings auch die Tätigkeit aus der Masse freigeben und hinsichtlich der Abführung Vereinbarungen treffen. Dies ist seit dem 01.07.2007 im § 35 II InsO
geregelt, mit dem Verweis auf § 295 II InsO
.
Je nach konkretem Vorgehen zwischen Ihnen und dem Verwalter steht Ihnen daher unterschiedlich viel zur Verfügung. Dies können Sie durch die getroffene Berechnung durch den / Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter nachweisen. Aus der Differenz könnte – Ihr Vorschlag – nach § 850d ZPO
eine Berechnung stattfinden.
Nicht ersichtlich wird daraus allerdings, ob Sie ggf. verpflichtet wären, einen Antrag auf Erhöhung des pfändungsfreien Betrages zu stellen, letztendlich zugunsten der Unterhaltsberechtigten. Nicht ersichtlich wird daraus aus, ob die insolvenzrechtliche Berechnung des pfändbaren Betrages, welcher letztendlich Massezugehörig ist, auch im Bereich des Unterhaltsrechts gilt bzw. zutreffend ermittelt wurde. D.h. es kann im Einzelfall berechtigtes Interesse sein, die konkrete „Pfändungsfreigrenze“ bzw. Leistungsfähigkeit zu ermitteln. Denn die Berechnungsarten und Ansatzarten können durchaus verschieden sein. So hat der Insolvenzverwalter ein eigenes Bedürfnis, die pfändbaren Beträge hoch zu halten, die Unterhaltsberechtigten dagegen umgekehrt. Bei einzelnen Positionen können dabei durchaus Unstimmigkeiten der Zuordnung entstehen, die auch gerichtlich nicht vollständig geklärt sind. Wie Sie sehen, kann daher an sich und insbesondere nicht im Rahmen dieses Forums eine sehr sichere Antwort gegeben werden.
Meines Erachtens fällt die Auskunftspflicht nach § 1580 BGB
aber nicht allein aufgrund eines Insolvenzverfahrens weg und auch nicht aufgrund einer Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter. Denn nur mittels der Auskunft besteht für die Unterhaltsberechtigten die Möglichkeit, die „Berechnung“ der konkreten "Pfändungsfreigrenze" und damit den Umfang der Leistungsfähigkeit nachzuprüfen.
Nach § 1580 BGB
sind Sie verpflichtet, dafür die notwendigen Auskünfte zu erteilen, wenn die Auskunft erheblich ist. Diese Verpflichtung entfällt somit nur dann, wenn Sie entweder uneingeschränkt leistungsfähig sind, oder das Bestehen eines Unterhaltsanspruches unabhängig von der Höhe des Einkommens ausgeschlossen ist. Beides scheidet nach meiner Ansicht aufgrund Ihrer Angaben aus. Daher wäre ausschließlich aufgrund Ihrer Schilderungen mein Rat, die Auskünfte zu erteilen. Der Umstand, dass Unterlagen beim Steuerberater, Insolvenzverwalter oder sonstigen Dritten liegen, ist auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens möglich und hinsichtlich des Bestehens des Anspruches unbeachtlich.
Meines Erachtens ergibt sich auch nichts anderes aus der zitierten Entscheidung. Der BGH hat vielmehr die Ansicht des Berufungsgerichtes bestätigt, dass der Schuldner verpflichtet sein kann, die jeweiligen Erhöhungsmöglichkeiten gegenüber dem Insolvenzverwalter und zugunsten der Unterhaltsberechtigten auszuschöpfen, bzw. zumindest so zu stellen ist, als wenn dies erfolgt wäre. Inhaltlich bedeutete dies im entschiedenen Fall: Antrag nach § 850 i ZPO
soviel von den pfändbaren ärztlichen Honoraransprüchen zu belassen, wie für den eigenen notwendigen Unterhalt und den seiner Unterhaltsberechtigten, höchstens aber so viel, wie verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufenden Arbeits- oder Dienstlohn bestände. Letztendlich konnte er nicht entscheiden, da das Berufungsgericht "keine ausreichenden Feststellungen zu dem unterhaltsrelevanten Einkommen" getroffen hatte.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen eine erste rechtliche Orientierung geben zu haben. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass eine abschließende rechtliche Bewertung Ihres Problems die Kenntnis des vollständigen Sachverhaltes erfordert. Im Rahmen dieses Forums können sich die Ausführungen aber ausschließlich auf Ihre Schilderungen stützen, und somit nur eine erste anwaltliche Einschätzung darstellen.
Ich empfehle Ihnen daher, einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens zu beauftragen, sofern Sie eine abschließende Beurteilung erhalten möchten. Bitten beachten Sie, dass dabei weitere Kosten anfallen.
Gerne stehe auch ich Ihnen bei der weiteren Durchsetzung Ihrer Interessen zur Verfügung. Sollten Sie dies wünschen, können Sie sich jederzeit - gerne auch per eMail - mit mir in Verbindung setzen.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen
Martin P. Freisler
- Rechtsanwalt -
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Antwort
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