Sehr geehrter Fragesteller,
ich beantworte Ihre Fragen gerne wie folgt:
Zwar ist es nach § 6 Absatz 10 Nr. 6 Hessische Bauordnung erlaubt, ohne Abstandsfläche jeweils unmittelbar an oder an aneinanderstoßenden Nachbargrenzen je Baugrundstück Einfriedungen, Sichtschutzzäune und Terrassentrennwände in Gewerbe- und Industriegebieten, außerhalb dieser Baugebiete mit einer Höhe bis zu 2 m über der Geländeoberfläche zu errichten, doch ist auch noch § 15 Hessisches Nachbarrechtsgesetz zu beachten.
Dieser lautet wie folgt:
"§ 15 NachbG – Beschaffenheit
1.Die Einfriedung besteht aus einem ortsüblichen Zaun; lässt sich eine ortsübliche Einfriedung nicht feststellen, so besteht sie aus einem 1,2 m hohen Zaun aus verzinktem Maschendraht. 2Schreiben öffentlich-rechtliche Vorschriften eine andere Art der Einfriedung vor, so tritt diese an die Stelle der in Satz 1 genannten Einfriedungsart."
Hierbei ist noch zu beachten, dass die Hessische Bauordnung die öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse regelt, während aber das Hessische Nachbarrechtsgesetz die Rechtsverhältnisse der Nachbarn untereinander, also privatrechtlich, regelt. Die HBO geht dem HNRG nicht vor, es sind beides gleichrangige Landesgesetze.
Nur dann, wenn Sie demnach vortragen könnten, dass der geplante Sichtschutzzaun ortsüblich ist, wäre es ggf. möglich, diesen auf der Grenze zu errichten, nicht wie die HBO vorsieht, auf Ihrer Seite.
Dies halte ich aber in Ihrem Fall nicht möglich, da die Angaben zur Ortsüblichkeit nicht ausreichen dürften. Das Amtsgericht Marburg, Az. 9 C 212/14
(82) hat sich in seiner Entscheidung eingehend mit dem Thema befasst. Es ging dabei um die Zulässigkeit eines 1,75m hohen Zauns an einer Grundstücksgrenze. Das Gericht führt aus. dass es einer konkreten Darlegung bedurft hätte, welche Nachbarn in vergleichbarer Grundstückslage einen ebenso hohen Maschendrahtzaun mit einer vergleichbaren Anzahl von Metallstützen als Grundstückseinfriedung gewählt haben. Den bloßen Vortrag, wie der dortige Beklagte ihn gehalten hat, dass in einer Hanglage ein Zaun dieser Höhe erforderlich und ortsüblich sei, hat das Gericht nicht genügen lassen.
Sie schreiben, dass es größtenteils 1,20 m hohe Zäune in Ihrem Wohngebiet gibt und zählen verschiedene Ausnahmen auf. Dies halte ich nicht für ausreichend, um eine Ortsüblichkeit zu begründen. Ich kann Ihnen daher und weil ich Ihnen zum sichersten Weg raten muss und weil Sie bereits mitteilen, dass sich ein Nachbar nicht einverstanden erklärt hat, nicht empfehlen, den geplanten Zaun zu errichten, sondern vielmehr den üblichen 1,20 m Maschendrahtzaun.
Hinsichtlich der Sträucher gibt es bessere Nachrichten, da fünf Jahre alte Sträucher nicht mehr entfernt werden müssen, §§ 38,39 HNRG, 199
ff. BGB.
Ich hoffe, Ihnen weiter geholfen zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen.
Brigitte Draudt
Rechtsanwältin
Hallo und vielen Dank für ihre ausführliche Antwort.
Demnach spielt es keine Rolle, wie weit der Sichtschutz von der Grenze entfernt ist. Er verhält sich sozusagen immer als Einfriedung und egal wie weit der Abstand zur Nachbargrenze ist, hat der Nachbar Mitspracherecht geregelt durch das Nachbarrecht . Sehe ich das richtig!?
Ein anderer Anwalt schrieb zu einem ähnlichen Fall , dass man sich auf das §903 S.1 BGB berufen könnte (man darf auf eigenem Grundstück tun was man für richtig hält). Man kann zwar nicht verhindern, dass ein Nachbar klagt. Wenn der Sichtschutzzaun aber rechtmäßig errichtet ist wird er aber keinen Erfolg haben. Es darf sogar eine Garage ohne Abstandsfläche an die Grenze gebaut werden.
Nach einer Entscheidung des Landesgerichtes Erfurt 9.6.2010 ist das nachbarschaftliche Rücksichtsnahmegebot zwar zu beachten, aber nur dann wenn der Sichtschutzzaun zu einer ungewöhnlichen schweren nicht hinnehmbaren Beeinträchtigung führt. Das wäre hier nicht der Fall.
Vielen Dank und schöne Grüße
Sehr geehrter Fragesteller,
zu Ihrer Nachfrage teile ich gerne folgendes mit:
Die Antworten stehen unter den kopierten Fragen.
Demnach spielt es keine Rolle, wie weit der Sichtschutz von der Grenze entfernt ist. Er verhält sich sozusagen immer als Einfriedung und egal wie weit der Abstand zur Nachbargrenze ist, hat der Nachbar Mitspracherecht geregelt durch das Nachbarrecht . Sehe ich das richtig!?
So generell kann man das nicht sagen. Es gibt auch Fälle, in denen ein Sichtschutzzaun gemäß Paragraph 6 HBO ohne Grenzabstand auf dem eigenen Grundstück errichtet werden darf, etwa, wenn kein Nachbar beeinträchtigt ist. Das ist hier aber nicht der Fall, weil eben zusätzlich noch die Vorschriften des HNRG zu beachten sind.
Ein anderer Anwalt schrieb zu einem ähnlichen Fall , dass man sich auf das §903 S.1 BGB
berufen könnte (man darf auf eigenem Grundstück tun was man für richtig hält). Man kann zwar nicht verhindern, dass ein Nachbar klagt. Wenn der Sichtschutzzaun aber rechtmäßig errichtet ist wird er aber keinen Erfolg haben. Es darf sogar eine Garage ohne Abstandsfläche an die Grenze gebaut werden.
Das stimmt, trifft aber nicht Ihren Fall, denn ein Zaun wie geplant wäre ja nicht rechtmäßig.
Nach einer Entscheidung des Landesgerichtes Erfurt 9.6.2010 ist das nachbarschaftliche Rücksichtsnahmegebot zwar zu beachten, aber nur dann wenn der Sichtschutzzaun zu einer ungewöhnlichen schweren nicht hinnehmbaren Beeinträchtigung führt. Das wäre hier nicht der Fall.
Hier müsste man die gesamte Entscheidung und den zu Grunde liegenden Sachverhalt kennen. Zudem betrifft diese Entscheidung die Rechtslage in Thüringen.
Die Lage in Hessen hatte ich Ihnen am Gesetz und der Entscheidung des AG Marburg erläutert.
Mit freundlichen Grüßen Draudt Rechtsanwältin