Sehr geehrte Fragestellerin,
zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1.
Sie sprechen das so genannte begrenzte Realsplitting an. D.h., der geschiedene Ehemann zahlt Ehegattenunterhalt, den er steuerlich absetzen möchte.
Die Zustimmung zum begrenzten Realsplitting erteilt die Ehefrau durch die Unterzeichnung der Anlage U. Im Gegenzug ist der Ehemann verpflichtet, der Ehefrau alle Nachteile auszugleichen, die der Ehefrau durch die Unterzeichnung der Anlage U, also durch die Durchführung des begrenzten Realsplittings, entstehen.
2.
Grundsätzlich ist die Ehefrau verpflichtet, eine korrekte Steuererklärung abzugeben. Dies ergibt sich, abgesehen von steuerrechtlichen Erwägungen, auch aus der nachehelichen Fürsorgepflicht. Würde die Ehefrau eine falsche oder unvollständige Steuererklärung abgeben, die dazu führte, dass der Ehemann einen zu hohen Erstattungsbetrag zu zahlen hätte, würde sich die Ehefrau ihrem geschiedenen Ehemann gegenüber gegebenenfalls schadenersatzpflichtig machen.
3.
Zur Ausgleichspflicht im Gegenzug zu Unterzeichnung der Anlage U gehören beispielsweise auch die Übernahme der Steuerberaterkosten durch den geschiedenen Ehemann.
Wenn die Steuererklärung, die die Ehefrau abgegeben hat, unvollständig, d.h. mangelhaft, ist, wird der Ehemann bezüglich der Ausgleichspflicht ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen (können). Der geschiedene Ehemann könnte einerseits Klage gegen die Ehefrau mit dem Antrag erheben, eine korrekte Steuererklärung abzugeben oder gegebenenfalls auch, sofern die entsprechenden Grundlagen bekannt sind, eine fiktive Steuerberechnung durchführen oder durchführen lassen. Dann würde nur der Betrag an die Ehefrau zu erstatten sein, den der Ehemann bei Abgabe einer korrekten Steuererklärung zu zahlen hätte und gegebenenfalls würde der Ehemann angefallene Steuerberaterkosten als Schadenersatz geltend machen.
Es ist daher sinnvoll, wenn die Ehefrau die Steuererklärung richtig stellt bzw. durch den Steuerberater richtig stellen lässt.
4.
Grundsätzlich hat der Ehemann einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch gegen die Ehefrau auf Unterzeichnung der Anlage U. Würde die Ehefrau ihre Zustimmung zum begrenzten Realsplitting widerrufen, wäre eine entsprechende gerichtliche Auseinandersetzung unvermeidbar. D.h., der Ehemann würde und könnte durchsetzen, dass die Anlage U, gegebenenfalls erneut, unterzeichnet wird.
5.
Wenn die Ehefrau erhaltenen nachehelichen Unterhalt an den Ehemann zurückzahlt, um daraus steuerliche Vorteile zu erzielen, müsste geklärt werden, wie die Rückzahlung des Ehegattenunterhalts rechtlich zu werten ist. Zu denken wäre beispielsweise an einem Unterhaltsverzicht. Ein solcher Unterhaltsverzicht sollte der Rechtssicherheit wegen aber schriftlich festgehalten werden und gegebenenfalls auch für die Zukunft. Zu bedenken wird aber sein, dass der Ehemann seine Steuererklärung auf der Grundlage des begrenzten Realsplittings durch einen Steuerberater hat erstellen lassen. Fallen die Unterhaltszahlungen weg, gibt es also keine steuerliche Vergünstigung, müsste der Ehemann eine neue Steuererklärung erstellen lassen. Die hierfür anfallenden Kosten, zum Beispiel durch die Inanspruchnahme eines Steuerberaters, wären als Schaden anzusehen, den der Ehemann von der Ehefrau ersetzt verlangen kann.
6.
Der Ehemann hat, wie oben bereits gesagt, beim begrenzten Realsplitting der Ehefrau die sich daraus ergebenden Schäden zu erstatten. Er kann die Zahlungen mit einer entsprechenden Zweckbestimmung versehen. Verwendet die Ehefrau diese Zahlungen anderweitig, wird das den Ehemann nicht belasten.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Gerhard Raab
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Sehr geehrter Herr Raab,
vielen Dank erst einmal für Ihre rasche und treffende Antwort!
Ich habe eine Rückfrage zu den folgenden Punkten:
5. Die Exfrau beabsichtigt nicht, den Unterhalt zurückzuzahlen. Sie würde beabsichtigen, dass der Exmann ihn nicht absetzen kann und erhebliche Steuern nachzahlen müsste. Sie würden den Unterhalt dann auch selbst nicht als Einkommen angeben.
Ich muss vielleicht dazu sagen, dass die Exfrau von ALG2 lebt und somit sehr wahrscheinlich keinerlei Schadensersatzansprüche durchsetzbar sind, sie vermutlich Prozesskostenhilfe bekommen würde und der Exmann auf seinen eigenen Anwaltskosten und Gerichtskosten sitzen bleiben würde - oder zahlt das dann bei positivem Verlauf für den Exmann auch die Prozesskostenhilfe?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort und schöne Grüße
Sehr geehrte Fragestellerin,
zu Ihrer Nachfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1.
Unter den Voraussetzungen, wie Sie sie in Ihrer Nachfrage schildern, kann die Ehefrau nicht mit Erfolg Einspruch gegen den Steuerbescheid einlegen. Formal wäre der Einspruch, vorausgesetzt die Einspruchsfrist wird gewahrt, zwar möglich, begründet wäre der Einspruch dagegen nicht. Das ergibt sich daraus, dass der Ehemann Ehegattenunterhalt gezahlt hat und dass die Ehefrau die Anlage U unterschrieben hatte. Deshalb kann der Ehemann - zu recht - die Unterhaltszahlungen steuerlich geltend machen.
Eine diesbezügliche „Steuerungsmöglichkeit" hat die Ehefrau also nicht.
2.
Schadensersatzansprüche sind, wenn die geschiedene Ehefrau Arbeitslosengeld II bezieht, in der Tat praktisch nicht durchsetzbar. Allerdings würde der Ehefrau in einem eventuellen Rechtsstreit nicht Prozesskostenhilfe bewilligt werden, weil es an der dafür erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt.
Nur am Rande: Wenn jemand Prozesskostenhilfe beantragt und die Prozesskostenhilfe auch bewilligt wird, sind dadurch lediglich die Kosten des eigenen Anwalts, also die Kosten des Anwalts, der die Person vertritt, die Prozesskostenhilfe beantragt, als auch die Gerichtskosten, abgedeckt. Die Gegenseite kann über die Prozesskostenhilfe keinerlei Forderungen geltend machen.
Allerdings sehe ich hier nicht die Möglichkeit, wie die geschiedene Ehefrau in offensichtlich rechtswidriger Schädigungsabsicht durchsetzen könnte, dass eine steuerliche Geltendmachung der Unterhaltszahlung nicht mehr in Betracht käme.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt