Sehr geehrte(r) Rechtssuchende(r),
Vielen Dank für Ihre Anfrage. Diese möchte ich anhand Ihrer Sachverhaltsdarstellung wie folgt beantworten und vorab darauf hinweisen, dass dieses Forum nur geeignet ist, einen groben Abriss über die rechtliche Lage zu erteilen und kein tiefgründiges Mandantengespräch ersetzen kann, insbesondere das Weglassen wesentlicher Angaben kann das Ergebnis der Beantwortung beeinflussen.
Versuchter schwerer Diebstahl setzt voraus, dass die Täter unmittelbar dazu angesetzt haben, eine fremde bewegliche Sache einem anderen wegzunehmen, um diese sich oder einem anderen rechtswidrig zu zueignen, wobei zur Ausführung eines Diebstahls in eine Wohnung einsteigt (…), §§242
, 244
, 23 StGB
.
Ein vollendeter schwerer Diebstahl liegt zweifelsfrei nicht vor.
Fraglich ist, ob sich ein Versuch begründen und nachweisen lässt. Ein Versuch liegt jedenfalls dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat alles getan zu haben glaubt, was zur Tatbestandsverwirklichung nötig ist.
Vorliegend wurde zwar ein Gebäude – möglicherweise widerrechtlich – betreten, jedoch wurde offensichtlich noch nicht mit einer notwendigen Wegnahme begonnen. Nach Ihrer Sachverhaltsschilderung kommt hinzu, dass seitens der jetzigen Beschuldigten überhaupt nicht beabsichtigt gewesen war, fremde Sachen einem anderen wegzunehmen. Insoweit fehlt es bereits an dem subjektiven Moment, der für die Beurteilung des Versuchs notwendig wäre. Problematisch ist jedoch, dass es sich die Strafverfolgungsbehörden in diesem Punkt relativ einfach machen. Sie werden hinterfragen, was die Beschuldigten in dem Haus wollten und werden vermutlich den Vortrag, dass man nur schauen wollte, ob es ein Sonnendach geben würde.
Aus meiner Sicht kann nach dem Grundsatz in dubio pro reo (im Zweifel für den Angeklagten) nicht einfach der Wille zur Begehung eines Diebstahls nachgewiesen werden, zumal für die Beschuldigten spricht, dass sie das Haus ohne Diebesgut verlassen haben.
Was jedoch als wahrscheinlich erscheint, ist ein Strafverfahren wegen Hausfriedensbruch. Nicht erforderlich ist hierbei, dass die Hauseigentümer selbst Anzeige erstatten. Sobald ein Anfangsverdacht vorliegt, was vorliegend gegeben sein dürfte, sind die Strafverfolgungsbehörden gezwungen, Ermittlungen zu führen, auch wenn sie selbst von einer Straftat Kenntnis erlangt, da im Strafrecht der sogenannte Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Beschuldigten berechtigt waren, das Gebäude zu betreten. Insoweit sehe ich den Straftatbestand des Hausfriedensbruch als gegeben an.
Da der gesamte Sachverhalt nur vollständig nach Akteneinsicht beurteilt werden kann, insbesondere, welche Beweismittel möglicherweise zur Verfügung stehen, ist es dringend ratsam, einen Anwalt zu beauftragen, da nur dieser gemäß §147 StPO
die Akteneinsicht erhält.
Dass die Beschuldigten 2 Monate nichts von der Polizei gehört haben, hat nichts zu bedeuten. Insoweit kann die Verfahrungsverzögerung durch andauernde Ermittlungen oder aber durch Zeitverzug bei der Staatsanwaltschaft bedingt sein.
Als Betroffene werden die Beschuldigten auch über eine mögliche Einstellung des Verfahrens informiert. Insoweit würde ein Einstellungsbeschluss ergehen.
Mit Blick darauf, dass schwerer Diebstahl ein Strafmaß von 6 Monaten bis zu 10 Jahren vorsieht, sollte zwingend ein Anwalt mit der weiteren Verfahrensweise beauftragt werden. Die Beschuldigten sollten zum Tatvorwurf selbst ohne Akteneinsicht eines Bevollmächtigten keine Angaben zur Sache machen, da das Protokoll über die Beschuldigtenvernehmung in einer Hauptverhandlung verwandt werden kann.
Ich hoffe, dass ich Ihnen vorerst behilflich sein konnte. Sollte Nachfragen bestehen, so stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.
Hallo Frau Schwuchow,
danke für die schnelle Antwort.
"Fraglich ist, ob sich ein Versuch begründen und nachweisen lässt"
Ein Versuch lag zumindest nicht vor
"Nach Ihrer Sachverhaltsschilderung kommt hinzu, dass seitens der jetzigen Beschuldigten überhaupt nicht beabsichtigt gewesen war, fremde Sachen einem anderen wegzunehmen. Insoweit fehlt es bereits an dem subjektiven Moment, der für die Beurteilung des Versuchs notwendig wäre."
Dieses subjektive Moment - das zweifelsfrei fehlte - wird aber von den ermittelnden Behörden unterstellt. Ihre Einschätzung, dass diese Unterstellung keinen Bestand haben wird, ist zumindest ein bischen beruhigend.
"Was jedoch als wahrscheinlich erscheint, ist ein Strafverfahren wegen Hausfriedensbruch. Nicht erforderlich ist hierbei, dass die Hauseigentümer selbst Anzeige erstatten."
Welche Bedeutung hat dann §123 (2) Stgb: "Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt"?
Wird ein Hausfriedensbruch normalerweise gerichtlich verhandelt? Hat die Tatsache, dass es sich um ein leerstendes, unbewohntes Haus handelt möglicherweise einen für die Beschuldigten positiven Einfluss auf das Strafmaß?
"Da der gesamte Sachverhalt nur vollständig nach Akteneinsicht beurteilt werden kann, insbesondere, welche Beweismittel möglicherweise zur Verfügung stehen, ist es dringend ratsam, einen Anwalt zu beauftragen, da nur dieser gemäß §147 StPO
die Akteneinsicht erhält."
Können die Beschuldigten die Akteneinsicht nicht persönlich einfordern - ohne Anwalt?
"Als Betroffene werden die Beschuldigten auch über eine mögliche Einstellung des Verfahrens informiert. Insoweit würde ein Einstellungsbeschluss ergehen."
Würde man informiert, wenn nur der Tatvorwurf des Diebstahls vom Tisch wäre, wegen Hausfriedensbruchs aber noch ein Verfahren laufen würde?
Schöne Grüße
Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Nachfrage möchte ich wie folgt beantworten:
In der Praxis hat der Grundsatz in dubio pro reo leider nur wenig Bedeutung. Die Strafverfolgungsbehörden sind stets schnell in der Unterstellung subjektiver Momente. Ob in diesem Fall tatsächlich Indizien vorliegen, auf welche sich der Tatverdacht begründet, kann ohne Akteneinsicht nicht beurteilt werden. Allein das Begehen des Hauses reicht nach diesseitiger Ansicht nicht aus.
Die Akteneinsicht erhält ausschließlich der Anwalt. Auch der Beschuldigte selbst hat keinen Anspruch auf Akteneinsicht.
Hinsichtlich des Hausfriedensbruchs müssen Sie zwischen Strafanzeige und Strafantrag unterscheiden. Auf Grund Anfangsverdacht bedarf es, wie bereits geschildert, keiner Strafanzeige der Hauseigentümer. Hausfriedensbruch ist zusätzlich ein Antragsdelikt, d.h. es bedarf grds. als Verfolgungsvoraussetzung eines Strafantrages. Aber auch hier ist dieser entbehrlich, soweit die StA das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
Der Umstand, dass das Haus leer stand kann durchaus mit in das Strafmaß mit der Argumentation einfließen, dass kein Schaden eingetreten ist.
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bedarf es keiner Teileinstellung wegen mangelndem Tatverdacht. Die Polizei gibt ohnehin lediglich ein vorläufige rechtliche Würdigung ab. Liese sich der Tatvorwurf des schweren Diebstahls nicht nachweisen, so würde dieser einfach fallgelassen. Anders wäre es, wenn bezogen auf die Tat der schwere Diebstahl wegbeschränkt werden würde, was hier jedoch nicht erwartet werden kann, da das schwerere Delikt nicht hinter dem leichteren Delikt zurücktreten kann.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Nachfrage beantworten und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Nicole Schwuchow