Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
1.
Ihnen steht dem Grunde nach ein Pflichtteilsergänzungsanspruch aus § 2329 Abs. 1 Satz BGB
gegen den Beschenkten zu.
Auf diesen Anspruch ist auch die 10-Jahres-Grenze des § 2325 Abs. 3 BGB
anwendbar.
Da Sie selbst vom Erblasser beschenkt wurden, können Sie gemäß § 2327 Abs. 1 Satz 1 BGB
nur unter Einsatz des eigenen Geschenks Ergänzung verlangen.
Die Schenkung an Sie ist dabei zeitlich unbegrenzt zu berücksichtigen. Leider gilt nach der Rechtsprechung für Sie die Begrenzung des § 2325 Abs. 3 BGB
nicht. Argument: Der Ergänzungsberechtigte wird durch die Anrechnung eines auch länger als zehn Jahre zurückliegenden Geschenks nicht unbillig geschädigt (BGH LM § 2327 Nr. 1; KG NJW 1974, 2131
).
Dies hängt wiederum mit der nur begrenzten Anrechnung des Eigengeschenks zusammen. Denn dieses wird nur auf den Ergänzungsanspruch angerechnet und erfasst nicht den ordentlichen Pflichtteil, selbst wenn es die Ergänzung wertmäßig übersteigt. Nur wenn es infolge einer Anordnung des Erblassers nach § 2315 BGB
anrechnungspflichtig ist (hier nicht, wie sich aus dem von Ihnen wiedergegebenen Passus im Notarvertrag ergibt), wird das Eigengeschenk gemäß § 2327 Abs. 1 Satz 2 BGB
auch auf den ordentlichen Pflichtteil angerechnet. Im letzteren Fall wäre der Ergänzungsberechtigte aber aufgrund des Erblasserwillens auch nicht schutzwürdig.
2.
Bei der Lebensversicherung sind nach einer grundlegenden (wenn auch umstrittenen) Entscheidung des Bundesgerichtshofs nur die Prämien, nicht aber die Versicherungssumme als Schenkung im Sinne des §§ 2325
, 2329 BGB
anzusehen (BGH FamRZ 1976, 616
), da letztere keine unentgeltliche Zuwendung darstellt.
Diese Ansicht ist zwar insofern nicht durchweg überzeugend, da aus Sicht des Beschenkten gerade in der Ausschüttung eine Bereicherung ohne Gegenleistung vorliegt, entspricht aber der geltenden Rechtslage.
Ich hoffe, meine Ausführungen haben die Situation für Sie klarer gemacht.
Für Rückfragen zum Verständnis stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
Um es für mich auf den Punkt zu bringen und für Sie so einfach wie möglich in der Beantwortung innerhalb der Nachfrage, habe ich versucht Ihre Ausführungen in Zahlen zu fassen. Sie brauchen dann nur ja, richtig oder falsch und Korrektur der Zahlen zu machen.
Zu.1) So wie ich es aus Ihrem Schreiben entnommen habe: Schenkungen die der "Dritte" vor mehr als 10 Jahren erhalten hat muß sich der "Dritte" lt. Gesetz (§2325 Abs.3) n i c h t anrechnen lassen, während ich mir -nach "Richterrecht"- lebenslang alles anrechnen lassen muß (Grundstück Wert DM 20.000).
Das bedeutet folgende Rechnung:
Pflichtteilsberechnung:
Der Erblasser hinterläßt 0, da er wenige Tage vor dem Tod alles an den Dritten verschenkt hat.
Darauf habe ich als einziger Pflichtteilsberechtigter Anspruch auf 50%, also 0
Pflichtteilsergänzungsberechnung:
a.)"Dritter" erhält 12 Jahre vor dem Tode Schenkung in Höhe von Euro 500.000. Nach §2325 Abs. 3 ist die 10-Jahres-Klausel erfüllt.
=> keine Anrechnung beim Ergänzungsanspruch (0)
b)"Pflichtteilsberechtigter" erhält 15 Jahre vor dem Tode Schenkung in Höhe von DM 20.000
Da lebenslange Anrechnung
=> Anrechnung beim Ergänzungsanspruch DM 20.000 ( Euro 10.000 )
c.)"Dritter" erhält Schenkung vor dem Tod in Höhe von Euro 50.000. Nach §2325 Abs. 3 10-Jahres-Klausel nicht erfüllt
=>Anrechnung beim Ergänzungsanspruch ( Euro 50.000)
"Gesamtergänzung" = 0 + 10.000 + 50.000 = 60.000 Euro
Ergänzungsanspruch gegen Dritten: (60.000 : 2) - 10.000 Euro (angerechnetes geschenktes Grundstück) = Euro 20.000
Resumee:
Damit hat Dritter: Euro 50.000 - 20.000 = 30.000
Damit hat Pflichtteilsberechtigter: Euro 10.000 + 20.000 = 30.000
Frage: Habe ich das so richtig verstanden?
Zu 2) Verständnisfrage mit vereinfachten Zahlen:
Wie geschildert zahlte Erblasser im Jahre 2000 durch Einmalzahlung (Prämie) 200.000 DM (Euro 100.000) in eine LV zur Verrentung bis zum Lebensende ein. Er erhielt 5 Jahre lang bis zu seinem Tod hieraus eine monatliche Rente in Höhe von insgesamt 80.000 DM (über 60 Monate verteilt). Der Dritte als "Bezugsberechtigter" erhielt nach dem Tode noch eine Auszahlung von ca. Euro 60.000 (=120.000 DM)
Nach der von Ihnen aufgeführten Entscheidung des BGH würde das heißen, daß sich der "Dritte" bei der Geltendmachung eines Pflichtteilsergänzungsanspruches durch den Pflichtteilsberechtigten DM 200.000 anrechnen lassen muß, obwohl er nur Euro 60.000 (DM 120.000) ausbezahlt bekommen hat ?
Frage: Sehe ich das richtig , daß sich "Dritter" DM 200.000 (Euro 100.000) anrechnen lassen muß und sich dann folgende Rechnung ergibt?
"Gesamtergänzung" = 0 + 10.000 + 50.000 + 100.000 (LV-Prämien) = 160.000
Ergänzungsanspruch gegen Dritten: (160.000 :2 ) - 10.000 Euro (angerechnetes geschenktes Grundstück) = Euro 70.000
Resumee:
Damit hat Dritter: Euro 50.000 + 60.000 - 70.000 = 40.000
Damit hat Pflichtteilsberechtigter: Euro 10.000 + 70.000 = 80.000
Vielen Dank
Sehr geehrte Ratsuchende,
zunächst vielen Dank für die positive Bewertung.
Anscheinend ist es gelungen, Ihnen die Rechtslage verständlich zu machen – Ihre Beispielsrechnungen sind beide zutreffend.
Erlauben Sie mir nur folgende kleine Korrektur bezüglich der Herleitung und der Terminologie – eigentlich müsste es heißen:
„Darauf habe ich als einziger Erbberechtigter Anspruch auf 100%, also 0“
„b)"Pflichtteilsberechtigter" erhält 15 Jahre vor dem Tode Schenkung in Höhe von DM 20.000
Da lebenslange Anrechnung
=> fiktive Hinzurechnung zum Nachlass (§ 2325 Abs. 1) sowie Anrechnung auf den Ergänzungsanspruch (§ 2327 Abs. 1 Satz 1) DM 20.000 ( Euro 10.000 )“
„"fiktiver Nachlass" = 0 + 10.000 + 50.000 = 60.000 Euro“.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt