Sehr geehrter Herr Fragesteller,
gern beantworte ich Ihnen Ihre Frage nach den mir vorliegenden Informationen unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes im Rahmen der Erstberatung, wobei ich im Folgenden davon ausgehe, dass Ihr Grundstück ein reines Wohngrundstück ist und Sie dort keinen Gewerbebetrieb haben, der betriebliche Abwässer produzieren würde.
1. Nach meiner Einschätzung brauchen Sie sich nicht zur Hälfte an den Kosten zu beteiligen. Wenn überhaupt, dann nur in Höhe des für die Reparatur der Regenwasserleitung notwendigen Anteils an den Kosten für das Freilegen des schadhaften Teils Ihrer Leitung.
2. Für einen Anspruch Ihres Nachbarn kommen zunächst die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677 ff. BGB
) in Betrac t. Bei einer Geschäftsführung ohne Auftrag (im Folgenden GoA abgekürzt) besorgt der sog. Geschäftsführer – das wäre in Ihrem Fall Ihr Nachbar – ein Geschäft eines anderen – der Geschäftsherr wären in Ihrem Fall Sie -, ohne von dem Geschäftsherrn dafür beauftragt oder anderweitig dazu berechtigt zu sein. Geschäft ist dabei sehr allgemein zu verstehen und umfasst praktisch jede Tätigkeit mit möglichen wirtschaftlichen Folgen.
3. Man unterscheidet zwischen der echten und der unechten GoA. Die echte GoA setzt voraus, dass der Geschäftsführer mit Fremdgeschäftsführungswillen handelt, also das Bewusstsein und den Willen hat, das Geschäft eines anderen zu führen. Dieser Wille wird nur bei objektiv fremden und auch-fremden Geschäften vermutet. Hier liegt aber ein eigenes Geschäft Ihres Nachbarn vor und er muss den Fremdgeschäftsführungswillen nachweisen. Einen solchen Fall würde ich annehmen, wenn die Grabungsarbeiten von Ihrem Nachbarn bewusst so ausgeweitet wurden, dass die Dichtigkeit Ihrer Leitungen gleich mit überprüft werden sollten. Dies ist aber nach den Informationen nicht der Fall. Es handelt sich nicht um eine echte GoA.
4. Um eine berechtigte GoA kann es sich nur dann handeln, wenn die Geschäftsübernahme Ihrem Interesse und Ihrem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entspricht (§ 683 BGB
). Daran fehlt es meiner Einschätzung nach. Eine Berechtigung ergibt sich auch nicht aus § 679 BGB
, weil Sie keine Pflicht haben, Regenwasserleitungen zu kontrollieren (DIN 1986 Teil 30 Punkt 4.2 Abs. 2). Etwas anderes gilt nach der DIN für Abwasserleitungen, egal ob für häusliches, gewerbliches oder industrielles Abwasser, diese sind zu kontrollieren und instandzuhalten. Dieser eigenen (!) Pflicht ist Ihr Nachbar nachgekommen. Wie Sie es sagen: Der Nachbar hätte die Arbeiten so oder so ausführen lassen müssen und wollte dies auch. Es handelt sich also um einen Fall des 687 BGB.
5. Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch setzt Ihrerseits ersparte Aufwendungen vor
Ich sehe gerade, mir ist beim Hineinkopieren meines Antworttextes ein Versehen passiert. Hier also der Rest der Antwort:
5. Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch setzt Ihrerseits ersparte Aufwendungen voraus. Diese können auf keinen Fall in der Hälfte aller Kosten des Nachbarn bestehen. In Frage können hier nur die Kosten für das Ausgraben der Regenwasserleitung in ihrem schadhaften Bereich kommen. Das wäre einige Euro, aber keine vierstellige Summe. In Ihrem Fall sehe ich dafür jedoch keine Anwendung des Bereicherungsrects, denn Ihrem Vermögensvorteil müsste ein Vermögensnachteil Ihres Nachbarn gegenüberstehen. Er hat aber keinen Nachteil erlitten; die Kosten sind ihm durch den eigenen Auftrag entstanden. Das Freilegen der Regenwasserleitung hat nach den vorliegenden Inforamtionen keine zusätzlichen Extrakosten verursacht.
6. Meiner Einschätzung nach brauchen Sie sich also nicht an den Kosten Ihres Nachbarn zu beteiligen. Ich weise jedoch darauf hin, dass dass meine Ausführungen nur Ihrer ersten Orientierung dienen und dass sich bei weggelassenen oder hinzugefügten nur geringfügig veränderten Sachverhaltsangaben sich möglicherweise eine andere rechtliche Beurteilung ergeben kann.
Ich hoffe, Ihnen einen ersten Überblick verschafft zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Susanne Kristen
- Rechtsanwältin -