Sehr geehrter Ratsuchender,
hier besteht tatsächlich ein echtes Problem:
1.)
Auf Notwehr können Sie sich nur dann erfolgreich berufen, wenn Ihr Fausthieb zur Verteidigung erforderlich und geboten gewesen wäre. Dabei ist immer die mildere Handlungsalternative zu wählen.
Das kann hier das Problem werden.
Es wäre auch möglich gewesen, den Angreifer mit der flachen Hand abzuwehren, bzw. ganz wegzulaufen. Diese Möglichkeit haben Sie leider nicht gewählt, so dass ein sogenannter Notwehrexzess vorliegen könnte.
Dieses wird aber immer wirklich im Einzelfall nach den Gesamtumständen zu bewerten sein. Um diese zu klären, sollten Sie, bezugnehmend auf die Fragen 2.) + 3.) schon jetzt einen Anwalt beauftragen, um das Video zu sichern.
Dieses Video wird, ebenso wie die Aussagen der Begleiter die Gesamtumstände deutlich machen.
Nur damit werden Sie also auf die Besonderheit der Umstände und die Tatsache, dass Sie keine andere Wahl hatten, hinwirken können.
4.)
Hier müssen Sie unterscheiden:
In einem Strafverfahren werden die zivilrechtlichen Schmerzensgeldansprüche nicht ausgeurteilt. Dabei geht es allein um eine Strafe für den Fausthieb.
Nachgewiesen werden müsste dabei aber auch, dass der Kieferbruch, der ja erst einen Tag später festgestellt worden ist, überhaupt von dem Schlag stammt. Vielleicht ist Ihr Bekannter ja auch auf den Nachhauseweg gestürzt und hat sich den Bruch erst dann zugezogen.
Kommt es zu einer strafrechtlichen Verurteilung, werden Sie vermutlich mit einer Geldstrafe von drei Nettomonatsgehältern rechnen müssen, falls es keine Voreintragungen gibt. Aber ohne Akteneinsicht ist das eine ganz grobe Schätzung.
Davon losgelöst könnte das „Opfer" zivilrechtlich Schmerzensgeld fordern. Der Betrag von 8.000 Eur (neben dem Strafverfahren) wäre dabei nicht ungewöhnlich hoch und sicherlich auf noch im Rahmen des Möglichen.
5.)
Einen Strafantrag können Sie stellen. Denn Sie sind angegriffen und zu Boden geworfen worden. Das stellt auch eine Körperverletzung dar. Eventuell könnte es sogar ein versuchter Raub gewesen sein, wenn Ihnen mit Gewalt das Handy abgenommen werden sollte.
Ich würde Ihnen dringend raten, unverzüglich einen Anwalt zu beauftragen. Dieser wird dann zunächst das Video besorgen und Akteneinsicht einholen. Diese Akteneinsicht ist unverzichtbar, um die Verteidigungsstrategie überhaupt erst abzuklären. Zuvor sollten sie auch keine Angaben machen. Das kann Ihr Verteidiger wesentlich besser und nur über diesen sollten Sie sich äußern.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwältin
Sylvia True-Bohle
Antwort
vonRechtsanwältin Sylvia True-Bohle
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Hallo !
Vielen Dank erstmal für die zeitnahe Beantwortung meiner Fragen.
Eines habe ich jedoch noch nicht ganz verstanden. Die Sache mit dem "Notwehrexzess". Aus meiner Fragestellung geht nicht hervor, das ich tatsächlich zunächst die mildere Variante gewählt hatte. Als ich am Boden lag habe ich ihn mit flachen Händen (und OHNE zu Schlagen) von mir weggedrückt. Zeitgleich zogen die anderen ihn von mir runter. Ich stand dann völlig defensiv und leicht geschockt (sozusagen mit den Händen in den Taschen und geneigtem Haupt) in der Ecke. Erst als er erneut, mit geballten Fäusten "Komm her du Sau..." auf mich losgehen wollte, und ich bemerkte das die anderen ihn kaum zurück halten konnten, habe ich das (gleichwertige) Mittel der Faust gewählt. Und zwar EXAKT 1x. Auch eine Flucht war mir nicht möglich, da wir uns ja in einem fahrenden Fahrzeug befanden, dessen Türen geschlossen waren.
Oder muss ich das so verstehen, dass ich erst mit den Fäusten zurückschlagen darf, NACHDEM ich bereits durch die Fäuste eines anderen in meiner körperlichen Unversehrtheit verletzt wurde und alles andere unter "Notwehrexzess" fällt ?
Sehr geehrter Ratsuchender,
mit "weglaufen" war nicht etwas gemeint, aus dem Bus zu springen. Aber vielleicht wäre es möglich gewesen, nach vorne zum Fahrer zu laufen.
Ob dieses möglich gewesen ist, wird auch letztlich das Video zeigen.
Die Frage des Zuschlagens ist immer schwierig zu beurteilen; allein das "auf ein zukommen" (egal mit welchen Worten oder welcher Haltung) wird aber vermutlich leider nicht reichen.
Denn auch dann hätte erneut vielleicht ein Wegschupsen gereicht. Und das wäre dann das geringere Gegenmittel gewesen.
So sehr ich Ihre Handlung verstehen kann; leider setzt die Rechtsprechung bei Notwehr sehr, sehr strenge Maßstäbe.
Wie bereits ausgeführt, wird aber letztlich allein das Video und die Aussagen der Zeugen entscheidend sein.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwältin
Sylvia True-Bohle