Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei Ihrer Tätigkeit nicht um ein Gewerbe, sondern um eine selbstständige Arbeit (in dem Fall Schwarzarbeit) ging. Diese Anmerkung mache ich, weil Sie einerseits von einer Schwarzarbeit schreiben, andererseits aber, dass Sie „angefangen[haben] selbständig zu arbeiten" und die Fragen bzgl. einer Gewerbeanmeldung stellen. Die Abgrenzung finden Sie hier
https://de.wikipedia.org/wiki/Scheinselbst%C3%A4ndigkeit
Nun zu Ihren Fragen, deren Reihenfolge ich umgestellt habe:
2) Falls mich die Steuerfahnung erwischt muss ich natürlich für die nicht abgegebene Steuer aufkommen, welche bei mir mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen 0 gehen sollte.
Würde ein Strafverfahren eingestellt werden, wenn sich herausstellen sollte, dass keine Steuer hinterzogen wurde?
Zunächst lesen Sie den Artikel hier zum Thema „Steuerhinterziehung ohne Schaden"
http://www.iww.de/pstr/archiv/steuerhinterziehung-steuerverkuerzung-ohne-steuerschaden-f9860
Einstellungsmöglichkeiten, die für Sie in Frage kommen § 398 AO
und §153a
Strafprozessordnung (gegen Geldauflage). Zwar ist die Praxis der FA so, dass bei fehlendem oder geringerem Schaden (je nach der Stadt 500 € Kleinstadt-2500 € Großstadt) die Einstellung sehr wahrscheinlich ist. Bei Ihnen kommt aber erschwerend hinzu, dass es sich um die Tatzeit von 5 Jahren handelt. Es wird schwer, die Einstellung zu erreichen, und wenn schon, dann durch die Zahlung einer hohen Geldauflage. Man kann ja zu Ihren Gunsten argumentieren, dass Sie über die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung nicht gewusst haben, weil das Einkommen unter der Steuergrenze lag. Mehr Argumente sehe ich leider nicht.
3) Was kommt auf mich zu wegen der Schwarzarbeit, da ich die Arbeit ja nicht gemeldet habe (dazu hab ich keinen vergleichbaren Fall gefunden, da Schwarzarbeit immer nur im großen Stil im Internet als Beiträge auftauchen)
Hier verstehe ich Sie nicht ganz. Sie müssen die Arbeit nirgendwo „anmelden". Aber Ihr Arbeitgeber. In dem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass er auch zur Verantwortung gezogen wird, weil er keine Lohnsteuer und keine SV-Beiträge abgeführt hat.
4) Macht es Sinn die Steuererklärungen so schnell wie möglich beim Finanzamt selbst abzugeben oder sollte dies unter einer Selbstanzeige passieren?
Für das Jahr 2015 kann die EStE noch abgegeben werden, obgleich mit Verspätung. Dazu lesen Sie hier:
http://www.wiwo.de/finanzen/steuern-recht/steuererklaerung-wer-zu-spaet-abgibt-soll-strafe-zahlen/13563426.html
Dies macht auch Sinn, weil Ihre „Schuld" etwas gemindert wird, d.h. 4 Jahre „Tatzeit" und nicht 5. Die Abgabe der EStE für die Jahre 2011-2014 und Erklärung, dass Sie „nunmehr insoweit beraten würden, eine Steuererklärung nachzureichen" werden konkludent als „Selbstanzeige" gewertet.
Hier ist eine gute Zusammenfassung:
https://www.steuertipps.de/steuererklaerung-finanzamt/themen/selbstanzeige-das-wichtigste-in-kuerze
Evtl. macht es Sinn, Ihren Arbeitgeber vorab zu verständigen.
Im Fall einer „Selbstanzeige" tritt für Sie – im Rahmen dieser vorläufigen Prüfung- Steuerfreiheit ein.
5) Das Gewerbe sollte natürlich auch angemeldet werden, was rückwirkend zu einem Ordnungsgeld geahndet werden kann, soweit richtig?
Eine fehlende Gewerbeanmeldung kann zu einem Ordnungsgeld führen. Allerdings habe ich bereits geschrieben, dass Sie – jedenfalls bei dieser Sachverhaltsschilderung – kein Selbständiger waren. Daher haben Sie auch keine Anmeldepflicht.
6) In meinem ersten Beratungsgespräch wurde mir natürlich empfohlen, das alles vom Anwalt übernehmen zu lassen, nach seinen Angaben benötigt er ca. 30 Stunden was mich ca. 9000 Euro kosten würde. Natürlich wäre dies eine große Hilfe, aber ich sehe das komplette Vergehen nicht auf diesem Straflevel, wie ist Ihre Einschätzung?
Auf 9000 € kommt man bei einem Stundensatz von 300 € Brutto. Das ist ein überdurchschnittlicher Stundensatz, der in Ihrem kaum komplizierten Fall nicht unbedingt sein muss. Andererseits kann man – aus der Sicht einer Anwaltes- in dem Fall am besten nur auf Stundenbasis abrechnen, weil die Zeit und der Umfang nicht absehbar sind. Denn Sie werden schon mit einiger Menge von Briefen konfrontiert. Ich würde hier einen Stundensatz von 250 € Brutto für angemessen halten (spart bei 30 h, 1.500 € brutto). Einen Anwalt, der für 1.000 € für Sie tätig sein will, würde ich an Ihrer Stelle nicht nehmen, weil spätestens nach 2 Schriftsätzen wird er seine Tätigkeit praktisch „einstellen".
1) Wie wäre es jetzt am sinnvollsten sich zu verhalten?
1. Klärung der Frage Scheinselbständigkeit (Gewerbe oder Arbeitnehmer). Denn evtl. kommen auf Sie noch Beiträge für Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung zu. In die Krankenversicherung haben Sie ja bezahlt, obgleich im Rahmen einer freiwilligen KV.
2. evtl. Besprechung mit Ihrem Arbeitgeber (Kostenteilung für Anwalt?)
3. EStE 2015 einreichen; aber auch mit vorherigen Absprache mit Arbeitgeber
4. „Einen sauberen Tisch zu machen", würde ich schon empfehlen, d.h. alle Erklärungen nachzuholen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Diese Antwort ist vom 03.07.2016 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Antwort
vonRechtsanwältin Liubov Zelinskij-Zunik, M.mel.
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Tel: 08989040989
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Rechtsanwältin Liubov Zelinskij-Zunik, M.mel.
Hallo,
vielen Dank für die schnelle Antwort. Ich habe allerdings noch ein paar Anmerkungen bzw. Rückfragen.
Ich schreibe jedem meiner Auftragsgeber Rechnungen mit Vermerk, dass ich Kleinunternehmer bin (was nicht angemeldet ist). Selbstständig in Ihrem Sinne wäre ich nur als Freiberufler. Freiberufler in der EDV/IT geht laut meiner Recherche nicht, da ich keine Diplom Qualifikation nachweisen kann. Somit bleibt eigentlich nur ein Gewerbe übrig. Scheinselbstständigkeit liegt meines ermessens nicht vor, da ich ja mehr als einen Auftragsgeber habe. Dazu gibt es in der Firma, in welcher ich seit 2011 tätig bin NIEMAND anderen, der diese Tätgkeiten übernimmt, was laut Recherche auch ein Zeichen auf Scheinselbstständigkeit ist. Arbeitgeber gibt es in diesem Sinne nicht, oder?
1) Vielleicht könnten Sie aufgrund dieser neuen Informationen noch einmal Frage 3 und Frage 5 neu bewerten
2) Sie sprachen von einer hohen Geldstrafe, meine Stadt hat ca. 160000 Einwohner. Ist die Geldstrafe von 2500 pro Jahr zu bewerten oder für die gesamte Straftat?
3) Empfehlen Sie in der Angelegenheit unbedingt einen Anwalt? Außer den Steuererklärungen nachreichen und die Strafe zu bezahlen kann ich eigentlich nichts machen
Vielen Dank
Sehr geehrter Fragesteller,
gerne beantworte ich Ihre Nachfrage:
A. Scheinselbstständigkeit liegt meines ermessens nicht vor, da ich ja mehr als einen Auftragsgeber habe.
Richtig (im ursprünglichen Sachverhalt sah anders aus)
Dazu gibt es in der Firma, in welcher ich seit 2011 tätig bin NIEMAND anderen, der diese Tätgkeiten übernimmt, was laut Recherche auch ein Zeichen auf Scheinselbstständigkeit ist. Arbeitgeber gibt es in diesem Sinne nicht?
Richtig
B.
1) Vielleicht könnten Sie aufgrund dieser neuen Informationen noch einmal Frage 3 und Frage 5 neu bewerten
3) Was kommt auf mich zu wegen der Schwarzarbeit, da ich die Arbeit ja nicht gemeldet habe (dazu hab ich keinen vergleichbaren Fall gefunden, da Schwarzarbeit immer nur im großen Stil im Internet als Beiträge auftauchen)
In Ihrem Fall liegt keine Schwarzarbeit in herkömmlichem Sinne vor. Denn Sie haben ja Rechnungen geschrieben. Dafür , dass Sie keine Steuer gezahlt haben, gibt es das hier diskutierte Problem Steuerhinterziehung/verkürzung sowie auch das Ordnungsgeld für fehlende Gewerbeanmeldung.
5) Das Gewerbe sollte natürlich auch angemeldet werden, was rückwirkend zu einem Ordnungsgeld geahndet werden kann, soweit richtig?
ja
2) Sie sprachen von einer hohen Geldstrafe, meine Stadt hat ca. 160000 Einwohner. Ist die Geldstrafe von 2500 pro Jahr zu bewerten oder für die gesamte Straftat?
Die Angaben „(je nach der Stadt 500 € Kleinstadt-2500 € Großstadt)" haben sich auf die Schadenshöhe bezogen. Wie hoch die Geldauflage bei der Einstellung sein kann, ist schwer einzuschätzen. Ich gehe von 2.000 bis 3.000 € aus. Das gleiche gilt für die Strafe, die hier durch eine „Selbstanzeige" vermieden werden kann.
3) Empfehlen Sie in der Angelegenheit unbedingt einen Anwalt?
Sie können auch ohne Anwalt anfangen, falls dann komplizierter wird, kann man immer zum Anwalt gehen.
Außer den Steuererklärungen nachreichen und die Strafe zu bezahlen kann ich eigentlich nichts machen
Ja, denke ich auch.
Freundliche Grüße aus München Zelinskij