Sehr geehrter Fragesteller,
zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
I.
Es ist nie ganz unproblematisch, ein Zeugnis zu formulieren, wenn man anhand der Beschäftigungszeit ersehen kann, daß der Arbeitnehmer nach der Probezeit nicht übernommen worden ist. Dennoch muß ein Zeugnis wohlwollend formuliert sein und darf den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen nicht hindern.
Diese Kriterien erfüllt das vorliegende Zeugnis - wie Sie schon richtig vermutet haben - nicht einmal ansatzweise. Das Zeugnis ist damit eine „Einstellungsbremse", die Sie nicht zu akzeptieren brauchen.
II.
Hierzu im Einzelnen:
1.
Die Formulierung, „mit der bedächtigen Arbeitsweise von Herrn ... waren wir zufrieden", besagt, daß man Ihre Arbeitsweise als zu langsam und inakzeptabel uneffektiv beurteilt. Dem Leser des Zeugnisses wird signalisiert, daß Sie die gestellten Aufgaben nicht zeitnah erledigt haben.
Man könnte statt dessen z. B. formulieren: „Hervorzuheben ist die sorgfältige Arbeitsweise von Herrn X."
2.
Auch der Satz, „die ihm übertragenen Aufgaben erledigte Herr ... aufgrund seiner Auffassungsgabe und geistigen Flexibilität auf voll zufrieden stellende Weise" ist eine Abwertung Ihrer Tätigkeit und Fähigkeit und läßt dem Leser die Schlußfolgerung, der Arbeitnehmer kapiere nichts, nicht allzu fern erscheinen.
Es sollte z. B. heißen „aufgrund seiner raschen Auffassungsgabe..." und „wegen seiner flexiblen Arbeitsweise ..." Dann wäre als Benotung vorzuschlagen, daß Sie die Ihnen übertragenen Arbeiten stets zur vollen Zufriedenheit erledigt hätten. Das entspricht in etwa der Note „gut".
3.
Schlimm ist die Formulierung: „In Stresssituationen und unter Termindruck behielt er im Wesentlichen die Übersicht und erzielte meist Ergebnisse in der von ihm erwarteten Güte."
Der Begriff „im Wesentlichen" bringt zum Ausdruck, daß Sie unter Termindruck die Übersicht verloren haben. Das wird noch untermauert durch die Aussage, Sie hätten meist Ergebnisse in der von der Ihnen erwarteten Güte erzielt. Hiermit sagt der Arbeitgeber, daß Ihre Arbeitsergebnisse meist nicht oder kaum zu gebrauchen gewesen sind und daß man von Ihnen aber ohnehin nicht viel habe erwarten können.
4.
Der Satz, er „stellte persönliche Belange bei Notwendigkeit stets zurück", ist ebenfalls nicht positiv zu lesen. Dahinter steht die Aussage, daß Ihnen Ihre persönlichen Dinge stets wichtiger als die Arbeit gewesen seien.
5.
Zumindest unglücklich ist folgende Formulierung: „Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern war jederzeit einwandfrei, auch gegenüber unseren Geschäftspartnern."
Dadurch, das der Halbsatz „auch gegenüber unseren Geschäftspartnern" angehängt wird, kann der Leser den Eindruck gewinnen, daß Ihr Verhalten gegenüber den Geschäftspartnern zu wünschen übrig ließ. Positiver ist folgender Satz: „Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen, Mitarbeitern und Geschäftspartnern war jederzeit einwandfrei."
6.
Abschließend fehlt der Hinweis des Bedauerns über Ihr Ausscheiden. Gerade weil eingangs auf eine anderweitige Aufgabenzuordnung der Aufgabenbereiche hingewiesen wird, ist ein Hinweis etwa wie folgt selbst bei Nichtbestehen der Probezeit gut vertretbar: „Wir bedauern, daß Herr X uns verläßt."
7.
Allgemein ist anzumerken, daß das Zeugnis nichts zu Ihrer Tätigkeit sagt. Eingangs wird die „Anpassung der Formulare" erwähnt. Das ist abwertend, weil dadurch der Eindruck erweckt wird, Sie hätten sich nur mit der Formatierung von Formularen befaßt.
III.
Sie sollten das Zeugnis durch einen Rechtsanwalt neu formulieren lassen und dann dem Arbeitgeber vorlegen. Dabei sollte man zugleich darauf hinweisen, daß andernfalls Klage beim Arbeitsgericht erhoben würde.
Für eine neue Zeugnisformulierung stehe ich selbstverständlich gern zur Verfügung. Natürlich löst das eine weitere Gebühr aus. Aber das Zeugnis, das Sie erhalten haben, können Sie bei keiner Bewerbung vorlegen.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt
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