Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich Ihnen aufgrund des geschilderten Sachverhalts und unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes wie folgt beantworte:
Problematisch bei der Geltendmachung von Schmerzensgeld ist in Fällen wie dem Ihren, dass der Verletzte den Vollbeweis für die erlittenen Verletzungen und die Ursächlichkeit mit dem Unfallgeschehen führen muss. Dies führt gerade bei leichteren Unfällen im Zusammenhang mit HWS-Symptomen immer wieder zu Problemen. Auch bei leichten Auffahrunfällen sieht die Rechtsprechung bedauerlicherweise keine Beweiserleichterungen für den Geschädigten vor (BGH r+s 2003, 172
). Ausnahmen sind nur dann möglich, wenn die Kollisionsgeschwindigkeit mehr als 15 km/h beträgt. Sie teilen mit, dass dies bei Ihnen laut Gutachten nicht der Fall war.
In derartigen Fällen besteht in der Tat das Problem, dass bewiesen werden muss, dass die von Ihnen genannten Verletzungen auf den Unfall zurückzuführen sind. Dies wird Ihnen voraussichtlich nur schwer gelingen, da die Rechtsprechung davon ausgeht, dass ein HWS-Schleudertrauma bei einer geringen Aufprallgeschwindigkeit ausgeschlossen ist (auch wenn dies praktisch oftmals ganz anders aussehen kann). Um den Beweis erbringen zu können, ist vorliegend ein ärztliches Gutachten sowie ein Sachverständigengutachten zur Aufprallgeschwindigkeit erforderlich. Beides liegt bereits vor. Da das Gutachten aber zu dem Ergebnis kommt, dass die Aufprallgeschwindigkeit recht gering war, halte ich ebenfalls eine Klage für nicht sehr aussichtsreich.
Der BGH hat aber auch entschieden, dass sich die Versicherung dennoch nicht pauschal darauf berufen darf, dass der Unfall harmlos oder eine Bagatelle war. Für die Frage, ob ein Unfall eine HWS-Verletzung verursacht hat, sind stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Es wird somit darauf ankommen, ob Ihr Arzt von Anfang an die medizinischen Befunde sorgfältig dokumentiert (also eine Beweissicherung durchgeführt hat) und diese kontrolliert hat sowie darauf, was das medizinische Gutachten aussagt. Zudem müsste festgestellt werden, ob hier ein atypischer Geschehensablauf vorliegt. Ob dies gelingen wird, kann ich aus der Ferne leider nicht abschätzen.
Man kann sich nun natürlich auf den Standpunkt stellen, die Ansprüche dennoch im Klagewege geltend zu machen, um eventuell eine Lösung im Vergleichswege zu finden. Da Sie rechtsschutzversichert sind, ist diese Vorgehensweise zumindest überlegenswert. Allerdings erspart Ihnen das weder Zeit noch die mit einem Prozess zusammenhängende nervliche Belastung. Zudem müssen Sie damit rechnen, dass Sie den Prozess verlieren werden.
Ich bedauere, Ihnen keine positivere Antwort geben zu können und hoffe, Ihnen mit meiner Antwort dennoch zunächst weiter geholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen,
Marion Deinzer
Rechtsanwältin
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Sehr geehrte Frau Deinzer,
ich danke Ihnen für Ihre schnelle und verständliche Aussage.
Ich habe nun das seiner Zeit von der gegnerischen Versicherung beauftragte Sachverständigenbüro (was sich auch mit Computergestützter Unfallrekonstruktion und Unfallanalytik befasst) kontaktiert. Diese meinten ich soll ihnen die erhaltene biomechanische Stellungnahme zukommen lassen. Deren Unfallanalytiker wird sich dann das Ergebnis ansehen und ggf. eine Aussage (ich hoffe schriftlich) dazu machen.
Sollten die nun zu einer deutlich höheren Geschwindigkeit kommen? Oder feststellen, das markante Punkte bei der Berechnung außer Acht gelassen wurden. Wie hoch schätzen Sie dann die Chancen für einen erfolgreichen Klageweg ein.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr "Fragesteller"
Vielen Dank für Ihre Nachfrage.
Grundsätzlich sind die Chancen für die Anerkennung eines HWS-Syndroms bei höherer Aufprallgeschwindigkeit deutlich besser als bei niedrigerer Aufprallgeschwindigkeit. Es kann nun nicht schaden, das biomechanische Gutachten noch einmal überprüfen bzw. bewerten zu lassen. Das Ergebnis sollten Sie sich allerdings schriftlich geben lassen. Jedoch sind von Versicherungen beauftragte Büros nicht immer so unabhängig wie man dies gerne hätte. Ob das Ergebnis sich zu Ihren Gunsten ändert, ist daher fraglich. Die Chancen diesbezüglich sollten Sie noch einmal mit dem Kollegen besprechen, der die Sache bisher bearbeitet hat, da dieser sowohl den Sachverhalt als auch wahrscheinlich das Regulierungsverhalten des Versicherers besser einschätzen kann. Es gibt Versicherungen, die nach Klageerhebung bezahlen, es gibt auch welche, die das wenig beeindruckt. Da ich nicht weiß, um welche Versicherung es sich handelt, kann ich hierzu leider nichts Näheres sagen.
Sie können aber davon ausgehen, dass eine Neubewertung des Sachverhalts sicherlich stattfinden muss, falls relevante Punkte tatsächlich übersehen wurden.
Mit freundlichen Grüßen,
Marion Deinzer
Rechtsanwältin