Sehr geehrter Ratsuchender,
gern beantworte ich Ihre Frage anhand Ihrer Sachverhaltsdarstellung wie folgt.
Zu Ihren Fragen…
1) Nein, nach dem Ableben eines Beteiligten an einem gegenseitigen Testaments, welches als Schlusserben eine weitere Person/Personen vorsieht, ist der sog. Vertragserbe an die beiderseitige Erbeinsetzung des Schlusserben gebunden. Eine davon abweichende Verfügung von Todes wegen ist damit ausgeschlossen, auch wenn dadurch nur ein Vermächtnis erteilt wird.
2) Einmal unabhängig von der vorherigen Antwort, wäre eine es durchaus möglich ein bestimmtes Konto oder aber ein feste Geldsumme als Vermächtnis festzulegen. Soweit hier beide Angaben im Testament genannt werden, ist durch Auslegung der tatsächliche Wille des Erblassers zu bestimmen. So könnte hier der Bezug auf das bestimmte Konto oder aber mindestens die benannte Geldsumme gemeint sein.
Genaueres ließe sich jedoch erst anhand einer konkreten Prüfung des genauen Wortlautes des Verfügung entnehmen.
3) Hier könnte es sich um Schenkungen handeln, so dass soweit diese nachweisbar sind, durchaus angefochten und zurückgefordert werden könnten. Das reale Problem wird dabei die Nachweisbarkeit darstellen. Zudem könnte von Seiten der Vermächtnisnehmerin/Bevollmächtigten die Entgegnung einer Gegenleistung vorgebracht werden. Hier muss es sich um ein erhebliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung handeln, damit dies angreifbar wird.
Soweit Ihre Oma befreite Vorerbin war, dürfte Sie den Nachlass zur eigenen Verwendung benutzen und dieses verleben. Nur halt Geschenke sind auch dem befreiten Vorerben untersagt. Hier besteht ein bereicherungsrechtlicher Herausgabenanspruch gegen den Beschenkten.
4) Wie Sie schon im Text geschrieben haben, sowohl die anfallenden Dienste und Kosten fallen dem Nachlass zu. Die Vermächtnisnehmerin ist hier als eine Art Nachlassverwalter eingesetzt. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass diese den Zugriff auf die Auseinandersetzung des Nachlasses und die Bedienung der Nachlassverbindlichkeiten (Beerdigungskosten, Vermächtnisse, …) hat. In diesem Fall wäre auch der Verwalter hier zur ordnungsgemäßen Kündigung der Mietwohnung verpflichtet. Entsteht dem Nachlass hier ein Schaden, wäre der Verwalter insoweit Ersatzpflichtig. Dass die Verwaltung des Nachlasses vorliegend nur auf die Auflösung der Wohnung bezogen ist, ist indes ungewöhnlich. In aller Regel obliegt dem Nachlassverwalter die Obhut nur über den gesamten Nachlass.
5) Soweit der Nachlass nicht die ihm obliegenden Verbindlichkeiten bedienen kann, ist der Nachlass überschuldet, so dass eine Nachlassinsolvenz beim Nachlassgericht (Amtsgericht am Ort des Erblassers) beantragt werden kann, hierfür gibt es jedoch nur enge Grenzen. In Verbindung mit der Verwaltung des Nachlasses ist diese mit der ordnungsgemäßen Errichtung eines Nachlassverzeichnisses und der Feststellung, dass der der Nachlass nicht zur Erfüllung der Verbindlichkeiten ausreicht, zu beantragen.
ACHTUNG ! Soweit sie hier den engen Termin zur Antragstellung verpassen, oder die Nachlassinsolvenz zurückgewiesen wird, geht der Nachlass ohne jegliche Begrenzung in Ihr Vermögen über und Sie würden hier mit Ihrem gesamten Vermögen haften.
6) Unglücklicher Weise ist die 6 Wochen-Frist ab Kenntnis vom Erbanfall bindend. Bei den Banken benötigen Sie regelmäßig keinen Erbschein bei Vorlage eines notariellen Testaments. In Ihrem Fall macht das jedoch schon wieder Schwierigkeiten, weil Ihre Mutter hier im Testament genannt würde und nicht Sie und Sie Ihre Erbenstellung gegenüber der Bank nur schlecht darlegen können.
7) Regelmäßig kommt es auf die Vollmacht an und aus welchem Grund hier die Vermächtnisnehmerin die Gelder abgehoben hat. Soweit sich hier kein Grund ergibt der eine Verbindlichkeit Ihrer Oma wäre, können die geflossen Gelder wieder zurück gefordert werden.
Gern stehe ich Ihnen bei weiteren Fragen zur Verfügung
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Wehle
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Andreas Wehle
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Rechtsanwalt Andreas Wehle
Sehr geehrter Herr Wehle, vielen Dank für Ihre umfangreiche und kompetente Antwort. Speziell zu Frage 1 hätte ich noch eine Nachfrage: Der Wortlaut im gegenseitigen Testament lautet:
I: Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Tod des Erstversterbenden soll der Überlebende dessen freier und unbeschränkter Erbe sein. Der Überlebende soll also Vollerbe und nicht Vorerbe sein.
II: Erbin des bei dem Tod des Längstlebenden vorhanden Vermögens soll die Tocher aus erster Ehe, Frau... sein.
III: Ist der Erstversterbende Herr...und sollte dessen Tochter aus erster Ehe, Frau.... Ihren gesetzlichen Pflichtteil verlangen, so soll Sie von der Erbfolge nach dem Tod des Längstlebenden ausgeschlossen sein
Unterschrift Oma & Opa
Meine Mutter hat nach dem Tod Ihres Vaters den Pflichtteil NICHT verlangt.
Nun zur Nachfrage: Hat die Oma nach dem Tode von dem Opa das Recht in Form eines zusätzlichen Testaments ("vom Notar verhandelt") Ihre Nachbarin, die sich seit vielen Jahren um die Oma kümmert und sie intensiv bestreut" mit einem zusätzlichen Vermächtnis vorzusehen. Ist dieses zweite nachträglich zusätzliche Testament rechtsgültig ?
Falls dieses zweite Testament und das Vermächtnis nicht gültig sind, haben sich die meisten nachfolgenden Fragen ja erübrigt.
Vielen Dank für Ihre kompetente Beratung.
Falls sich hier ein Rechtsstreit ergibt, kann ich Sie mit diesem Fall beauftragen, ist es möglich Sie hierzu vor Beauftragung telefonisch zu kontaktieren ?
Vielen Dank
Mit freundlichen Grüssen
Sehr geehrter Ratsuchender,
gern beantworte ich Ihre Nachfrage anhand Ihrer Sachverhaltsdarstellung.
I: Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Tod des Erstversterbenden soll der Überlebende dessen freier und unbeschränkter Erbe sein. Der Überlebende soll also Vollerbe und nicht Vorerbe sein.
II: Erbin des bei dem Tod des Längstlebenden vorhanden Vermögens soll die Tocher aus erster Ehe, Frau... sein.
III: Ist der Erstversterbende Herr...und sollte dessen Tochter aus erster Ehe, Frau.... Ihren gesetzlichen Pflichtteil verlangen, so soll Sie von der Erbfolge nach dem Tod des Längstlebenden ausgeschlossen sein
Unterschrift Oma & Opa
Die Angelegenheit ist nach dem oben stehenden Wortlaut mehrdeutig.
Die Eheleute setzen sich einerseits wechselseitig zu Alleinerben ein. Das ist die Grundvoraussetzung für die Gebundenheit des gemeinschaftlichen Testaments. So auch in OLG Koblenz Beschlüsse vom 20.08 und 11.10.06 Aktenzeichen 2 U 80/06
, nur das hier das Gericht nicht von einer wechselbezüglichen Erbeinsetzung ausging und so die Nichte des Vorverstorbenen Ehemanns mit einem Vermächtnis belegt wurde.
Der Überlebende soll freier unbeschränkter Erbe sein, was im Zusammenhang mit der wechselseitigen Verfügung auf eine Vor- und Nacherbschaft schließen lässt, diese jedoch mit dem nächsten Satz des Testaments wieder eingerissen wird, da der länger Lebende Vollerbe und eindeutig nicht Vorerbe sein soll.
Als Vollerbe kann dieser nach Belieben mit dem Nachlass verfahren und auch eigene Verfügungen für sein Ableben treffen.
Aus dieser Sicht macht jedoch die gemeinsame Erbeinsetzung der Tochter des Erblassers nicht wirklich Sinn, zumal diese ja eh nur das noch vorhandene Vermögen erben soll und von der Erbeinsetzung bei Verlangen des Pflichtteils ausgeschlossen würde.
Nichts desto trotz möchte ich hier gerade auch wegen des o.g. Urteils des OLG Koblenz (http://www3.mjv.rlp.de/rechtspr/DisplayUrteil_neu.asp?rowguid=%7B45E7D34B-CB48-400F-B6E9-0172504802BB%7D) davon ausgehen, dass das weitere Testament und damit das Vermächtnis wirksam ist.
Daraus ergibt sich für Sie leider eine nicht so gute Ausgangsposition hinsichtlich der Erbschaft insgesamt.
Es ergibt sich hieraus die Frage der Wirtschaftlichkeit. Soweit das überwiegende Vermögen auf und durch die Vermächtnisnehmerin „verschoben" wurde, ist es abhängig davon aus welchem Grund dies geschehen ist.
Unentgeltlich, also ohne Gegenleistung wäre eine ggf. in Teilen Rückforderung möglich. Hier ist ein Zeitraum von 10 Jahren maßgeblich.
Bei Überschuldung des Nachlasses würde insoweit die Forderungen vom Nachlassinsolvenzverwalter gestellt werden.
Soweit die Leistungen entgeltlich, also als Gegenleistung für eine Leistung der Vermächtnisnehmerin an diese geflossen sind, ist deren Angemessenheit zu prüfen.
In beiden Fällen würde auf Seiten der Vermächtnisnehmerin ggf. eine Steuerpflicht angefallen sein, das ist jedoch abhängig von dem Zeitraum in dem das Vermögen „verschoben" wurde und dessen Höhe.
Selbstverständlich ist es Ihnen freigestellt mich im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu beauftragen.
Ich möchte Ihnen dies auch nicht ausreden, jedoch an dieser Stelle zu bedenken geben, dass soweit es um einen Streitwert von mindestens 5.001 Euro geht das Landgericht Freiburg (i.B.) zuständig sein wird und damit nach der Nr. 7003 u.a. des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) http://www.gesetze-im-internet.de/rvg/anlage_1.html entsprechende Auslagen entstehen. Aachen ist dabei nicht unbedingt der nächste Weg.
Ich wünsche viel Erfolg dabei.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Wehle
Rechtsanwalt