Sehr geehrter Ratsuchender,
besten Dank für die Anfrage, die ich anhand des von Ihnen geschilderten Sachverhaltes gerne wie folgt beantworten möchte.
Nach § 74 SGX XII können die Bestattungskosten vom Sozialamt übernommen werden, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.
Adressat der Leistung ist nicht etwa der Verstorbene, sondern der mit den Bestattungskosten belastete Verpflichtete. Dabei stellt das Gesetz ausnahmsweise als maßgeblichen sozialhilferechtlichen Bedarf nicht auf die Durchführung der Bestattung selbst ab, sondern auf die dafür erforderlichen Kosten. Bei § 74 SGB XII
handelt es sich nicht um einen typischen Sozialhilfeanspruch, dem eine vorzeitige Bedarfsdeckung anspruchshindernd entgegengehalten werden könnte. Mit dieser Norm wird daher ausnahmsweise eine Verbindlichkeit als sozialhilferechtlicher Bedarf anerkannt (vgl BVerwG BVerwGE 105, 51
; 120, 111
).
Es handelt sich um eine Ausnahmevorschrift.
Als nächstes ist festzustellen, ob Ihre Partnerin zur Bestattung verpflichtet ist.
Nachrangig zu den unter Rn 5 genannten Verpflichteten kann auch der nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften Bestattungspflichtige Verpflichteter iSd § 74 SGB XII
sein. Wer bestattungspflichtig ist, richtig sich nach den landesrechtlichen Bestattungs- und Friedhofsvorschriften. Dies sind in erster Linie Verwandte ersten Grades, also ist Ihre Partnerin Verpflichtete im Sinne der Vorschrift.
Die landesrechtliche Regelung in NRW findet sich in § 8 Bestattungsgesetz NRW:
§ 8
Bestattungspflicht
(1) Zur Bestattung verpflichtet sind in der nachstehenden Rangfolge Ehegatten, Lebenspartner,
volljährige Kinder, Eltern, volljährige Geschwister, Großeltern und volljährige Enkelkinder
(Hinterbliebene). Soweit diese ihrer Verpflichtung nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen,
hat die örtliche Ordnungsbehörde der Gemeinde, auf deren Gebiet der Tod eingetreten
oder die oder der Tote gefunden worden ist, die Bestattung zu veranlassen.
Nachdem die Verpflichtung Ihrer Partnerin zur Kostentragung geklärt ist, stellt sich die Frage, ob dies überhaupt zumutbar ist.
Die Zumutbarkeit der Kostentragung ist ein gerichtlich voll überprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff. Es gilt, eine an den Umständen des Einzelfalls orientierte Betrachtung vorzunehmen, die ua neben der wirtschaftlichen Situation auch die persönliche Nähebeziehung zum Verstorbenen zu berücksichtigen hat (vgl BSG v 29.9.2009 – B 8 SO 23/08 R
).
Eine besondere Bedeutung kommt im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit gleichwohl zunächst den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten zu. Dies ergibt sich nach der Rechtsprechung des BSG (BSG v 29.9.2009 – B 8 SO 23/08 R
BeckRS 2009, 74859
) aus § 2
iVm § 19 Abs 3 SGB XII
, wonach ua Hilfen in anderen Lebenslagen (§§ 70
-74 SGB XII) nur geleistet werden, soweit den Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des 11. Kapitels des SGB XII nicht zugemutet werden kann. Ist der Bestattungspflichtige also bedürftig, kann ihm die Übernahme nicht zugemutet werden, nur bei fehlender Bedürftigkeit kommen sonstige Zumutbarkeitsgesichtspunkte zum Tragen (Rolfs/ Giesen/ Kreikebohm/ Udsching/Kaiser, Kommentar zum Sozialrecht, SGB XII, § 74 Rn.8).
Die Frage, ob auch Einkommen und Vermögen des Ehepartners oder Lebenspartners einer nach § 74 SGB XII
verpflichteten Person heranzuziehen ist, ist umstritten.
Wegen der Zuordnung des § 74 SGB XII
zu den Hilfen in anderen Lebenslage und deren ausdrückliche Erwähnung in § 19 Abs 3 SGB XII
, dürfte eine Berücksichtigung zulässig sein so die Rechtsprechung (OVG Schleswig-Holstein NordÖR 1999, 200 f; LSG Schleswig-Holstein BeckRS 2011, 75213
; SG Karlsruhe v 28.6.2007 – S 1 SO 1604/07
).
Das Bundessozialgericht hat dies bislang offen gelassen (BSG v 25.8.2011 – B 8 SO 20/10 R
).
Da die unteren Instanzen eine Einbeziehung des Partners als zulässig erachten, müssten Sie sich bis zum Bundessozialgericht durchklagen, was leider sehr lange dauert.
Also müssen wir nun in die Berechnung einsteigen, ob Sie bei "Zusammenveranlagung" übehaupt über die Zumutbarkeitsgrenze kommen.
Vom Gesamteinkommen werden Versicherungen sowie Werbungskosten gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII
in Abzug gebracht.
Die Einkommensgrenze des § 85
I SGB XII ist zu berücksichtigen.
Zunächst ist der Grundfreibetrag vom Gesamteinkommen abzuziehen. Der Grundfreibetrag entspricht der doppelten Höhe der Regelbedarfsstufe 1. Bei Eheleuten ist aber die Regelbedarfstufe 2 maßgeblich. Die Regelbedarfsstufe 2 beträgt bei Partner und Eheleuten 337 € also 674 €.
Weiterhin können die Kosten der Unterkunft abgezogen werden.
Das ergibt dann:
1. Gesamteinkommen 2.260 €
2. abzgl. Freibetrag 674 €
3. abzgl. Versicherung 30 €
4. Werbungskosten zur
Erzielung des Einkommens ? €
5. Unterkunft 830 €
6. Familienzuschlag § 85 262 €
Summe 464 €
Davon sind 50 % einzusetzen (OVG Niedersachsen vom 8.5.1995 - 12 L 6679/83).
Da ich nicht weiß, wie hoch Ihre Werbungskosten sind, um zur Arbeit zu gelangen, kann ich nicht weiter rechnen. Dies berechnen sich mit 0,30 € je Kilometer bei einfacher Wegstrecke multipliziert mit den Arbeitstagen je Monat.
Allerdings liegen Sie beide über dem Satz der Bedürftigkeit, womit die Kosten teilweise übernommen werden müssten.
Das Problem ist insgesamt, dass auch bei Partnerschaften wie der Ihren, wenn es sich nicht um eine reine Wohngemeinschaft handelt, eine Bedarfsgemeinschaft angenommen wird, da vermutet wird, dass Sie finanziell für einander einstehen.
Vor dem Hintergrund der recht gefestigten Rechtsprechung sowie der Tatsache, dass das BSG dies offen gelassen hat, wäre ein Widerspruch gegen eine Antragsablehung nicht im Vollen Umfang von Erfolg gekrönt.
Weiterhin hilft auch die Ausschlagung der Erbschaft nichts, da dann immer noch § 8 Bestattungsgesetz NRW gilt.
Sobald der Bescheid vorliegt, sollten Sie diesen hinsichtlich der Berechnung überpüfen lassen.
Ich hoffe, Ihnen einen ersten Überblick über die Rechtslage gegeben haben zu können.
Bitte bedenken Sie, dass meine Einschätzung ausschließlich auf Ihren Angaben beruht.
- Jetzt Frage stellen
- So funktioniert es
-
Topthemen
- Alle Rechtsgebiete
- Anwaltsrecht & Gebührenrecht & Verfahrensrecht
- Arbeitsrecht
- Ärger und Probleme mit Firmen
- Ausländerrecht
- Baurecht & Architektenrecht
- Datenschutzrecht
- Erbrecht
- Familienrecht
- Generelle Themen
- Gesellschaftsrecht
- Grundrechte
- Hauskauf & Immobilien & Grundstücke
- Inkasso & Mahnungen
- Insolvenzrecht
- Internationales Recht
- Internetauktionen
- Internetrecht & Computerrecht
- Kaufrecht
- Kredite
- Medienrecht
- Medizinrecht
- Mietrecht & Wohnungseigentum
- Nachbarschaftsrecht
- Reiserecht
- Schadensersatz
- Schule & Hochschule & Prüfungen
- Sozialrecht
- Sozialversicherungsrecht
- Steuerrecht
- Strafrecht
- Tierrecht & Tierkaufrecht
- Transportrecht & Speditionsrecht
- Urheberrecht & Markenrecht & Patentrecht
- Vereinsrecht
- Verkehrsrecht
- Versicherungsrecht & Privatversicherungsrecht
- Vertragsrecht
- Verwaltungsrecht
- Wirtschaftsrecht & Bankrecht & Wettbewerbsrecht
- Zwangsvollstreckung & Zwangsversteigerung
- Anwälte