Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Arbeitgeber nach dem Nachweisgesetz verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach Arbeitsbeginn einen schriftlichen, unterschriebenen Nachweis über die wesentlichen Arbeitsbedingungen auszuhändigen, wenn kein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert. In diesen Nachweis ist auch der Beginn des Arbeitsverhältnisses und die Dauer der Arbeitszeit aufzunehmen.
Frage 1:
Auch ohne einen schriftlichen Vertrag beginnt ein Arbeitsverhältnis in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer mit Wissen und Wollen des Arbeitgebers mit der Arbeitstätigkeit beginnt. Eine Schulungsmaßnahme durch den Arbeitgeber, die der Arbeitstätigkeit unmittelbar vorausgeht und auf sie vorbereiten soll, ist bereits Teil des Arbeitsverhältnisses.
In Ihrem Fall kommt hinzu, dass Sie bereits eine Personalnummer erhalten hatten, und Ihre Einsatztätigkeit bereits für einen Zeitraum von drei Monaten im Voraus festgelegt war und ein Arbeitszeitkonto für Sie eingerichtet wurde. Als Außendienstmitarbeiter waren Sie dadurch bereits in die Betriebsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert.
Außerdem wurde Ihnen in den Ihnen vom Arbeitgeber ausgehändigten Arbeitsunterlagen mitgeteilt, dass der Arbeitsverhältnis mit der Schulungstätigkeit beginnt.
Dieser Zeitpunkt ist in Ihrem Fall der Beginn des Arbeitsverhältnisses.
Frage 2:
Das Arbeitsverhältnis hat gedauert vom Beginn der Schulungstätigkeit bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist nach Erhalt der schriftlichen Kündigung. Die gesetzliche Kündigungsfrist beträgt gemäß § 622 Abs. 1 BGB bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber vier Wochen zum Monatsende oder zum Fünzehnten des Monats. Während einer vereinbarten Probezeit, längstens jedoch für die Dauer von sechs Monaten ab Beginn des Arbeitsverhältnisses, können beide Seiten mit einer Frist von 14 Tagen kündigen (§ 622 Abs. 2 BGB).
Rechtlich unerheblich für den Bestand des Arbeitsverhältnisses ist, dass Ihr Arbeitgeber Sie während mehrerer Monate nicht beschäftigt hat bzw. behauptete, ein Arbeitsverhältnis mit Ihnen sei nicht zustande gekommen. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses darf überdies nur schrtiftlich erfolgen; die Kündigung in Textform - also per E-Mail - ist ausgeschlossen, § 623 BGB. Schon und auch deshalb konnte die E-Mail mit der "Absage" keine wirksame Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstellen.
Während der Zeit Ihrer Nichtbeschäftigung ist Ihr Arbeitgeber mit der Annahme Ihrer Arbeitsleistung in Verzug geraten und muss Ihnen deshalb den vereinbarten Lohn für diesen Zeitraum zahlen (§ 615 BGB).
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Eine jahrelang tätige Firma hätte dies doch auch alles wissen müssen. Ich habe gelesen, dass man sich bei einer Kündigung auch aktiv anbieten muss, wenn man mit einer Kündigung nicht einverstanden ist.
Ich gehe davon aus, dass die Absage an einen Bewerber nach Ihren Ausführungen "kostengünstiger" für die Firma ist als die Kündigung eines Arbeitnehmers.
In Zeiten, wo Arbeitslose von allen Seiten zur Arbeitsaufnahme verpflichtet werden, empfinde ich das Vortäuschen eines Bewerberstatus nicht korrekt.
Wie ist damit die "Absage" rechtlich zu werten?
Sehr geehrter Fragesteller,
Sie können davon ausgehen, dass Unternehmen, die schon seit vielen Jahren Arbeitnehmer beschäftigen, die arbeitsrechtlichen Vorschriften ganz genau kennen. Diese Unternehmen setzen sich wissentlich über Vorschriften in der Annahme hinweg, dass viele Arbeitnehmer ihre Rechte nicht kennen und auch nicht geltend machen. (Leider enthält zum Beispiel das Nachweisgesetz keine Straf- oder Bußgeldvorschriften für den Fall seiner Verletzung durch Arbeitgeber. Also wird es auch von vielen Arbeitgebern ignoriert.)
Die "Absage" des Arbeitgebers ist als der (untaugliche) Versuch zu qualifizieren, die bereits stattgefundene Aufnahme des Arbeitsverhältnisses rückwirkend zu negieren, um nicht bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist Lohn zahlen zu müssen. Rechtlich ist dieser Versuch ohne Relevanz. Dies hat der Arbeitgeber durch das Nachschieben einer Kündigung auch selbst eingestanden.
Gern unterstütze ich Sie, falls sie Ihren Lohn einklagen wollen.
Mit freundlichen Grüßen,
Carsten Neumann
Rechtsanwalt