Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Frage erlaube ich mir anhand Ihrer Sachverhaltsschilderung wie folgt zu beantworten:
1.
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass es bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht ausschließlich auf die arbeits- oder tarifvertraglich vereinbarte Arbeitszeit ankommt, sondern auf die durchschnittliche Anzahl der im letzten Jahr vor der Krankheit geleisteten Arbeitsstunden.
Das bedeutet: hat ein Arbeitnehmer zum Beispiel in der Regel mehr als 40 Wochenstunden gearbeitet, ist das bei der Entgeltfortzahlung entsprechend zu berücksichtigen.
2.
Bei dem zu entscheidenden Fall handelt es sich zu Ihrer Information um folgende Entscheidung:
BAG, Urteil vom 21. November 2001 - 5 AZR 457/00
-
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 18. Mai 2000 - 5 Sa 215/00
-
3.
In dem Fall ging es um Folgendes:
Der Kläger (ein Arbeitnehmer) war arbeitsunfähig krank. Die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit betrug 40 Stunden. Die Beklagte gewährte ihm für die Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung auf der Basis einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung betrug aber in den vorangegangenen 13 Wochen im Durchschnitt ca. 54 Stunden. Die Beklagte lehnte die Vergütung der über die tarifliche Wochenarbeitszeit von 40 Stunden hinaus erbrachten Arbeitsstunden für die Dauer der Krankheit ab.
Vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht unterlag der Kläger, weil diese Instanzen allein auf die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit abstellten und evtl. Überstunden außen vor ließen. Das BAG gab schließlich dem Kläger recht mit der Folge, dass regelmäßg geleistete Überstunden entsprechend zu berücksichtigen sind.
4.
Im Ergebnis heißt das:
Nach § 4 Abs. 1 EFZG
(Entgeltfortzahlungsgesetz)hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das ihm der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen.
Entscheidend bei der Berechnung ist hierbei die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des kranken Arbeitnehmers und NICHT die betriebsübliche oder tarifliche Arbeitszeit.
Ob eine von der vertraglich vereinbarten oder tarifvertraglich geltenden Arbeitszeit abweichende längere Arbeitszeit regelmäßig geleistet wird, so das BAG, ist in der Regel über einen Vergleichszeitraum von etwa zwölf Monaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit festzustellen.
Es kommt also darauf an, ob ein Arbeitnehmer in diesem Zeitraum mit einer gewissen Stetigkeit und Dauer ÜBER die ausdrücklich vereinbarte oder tarifvertraglich geltende Arbeitszeit gearbeitet hat. In dem von Ihnen geschilderten Fall ist dies anzunehmen.
5.
Die Antwort auf Ihre Frage und Ihren Fall ist deshalb:
Bei der Lohnfortzahlung müssen regelmäßige Überstunden berücksichtigt werden.
Wer in der Regel mehr arbeitet, als im Vertrag oder im Tarif vorgesehen ist, hat auch im Krankheitsfall entsprechend mehr Lohn zu bekommen.
Sollte Sie eine Abschrift der Entscheidung benötigen, wenden Sie sich an mich.
Mit freundlichen Grüßen
RA Alexander J. Boos
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