Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Solange beide Ehegatten noch leben, können sie jeweils über ihr Vermögen unbeschränkt verfügen, auch wenn sie sich erbrechtlich wechselseitig als Erben eingesetzt haben.
Dem überlebenden Ehegatten sollte aber ausdrücklich die Befugnis eingeräumt werden, nach dem 1. Erbfall frei über den Nachlass zu verfügen (zumindest für den Fall, daß der Pflichtteil beansprucht wird).
Sie haben Recht mit Ihrer Annahme, dass
Berliner Testament nach dem Tod des Erstverstorbenen eine Bindungswirkung entfaltet, die sich auf die Schlußerben und deren Erbanteile erstreckt, aber ggf. auch auf die Verfügungsmacht zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten.
Nach dem Tod eines Ehegatten ist der Überlebende an die gemeinsam verfügte Einsetzung des oder der Schlusserben gebunden, in der Regel die Kinder
(gem. § 2271 Abs.
II S. 1 1. HS. BGB).
Die werden zunächst "enterbt" und erhalten nur Pflichtteilsansprüche sein, die aber beim ersten Erbfall aus diesem Nachlass verlang werden können
[OLG Koblenz, Beschluss v. 14.06.2010 (Az.: 2 U 831/09
)] Zitat:
"Bei einem Berliner Testament entsteht mit jedem Erbfall der Anspruch des durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossenen Abkömmlings gegen den jeweiligen Erben auf Auszahlung des Pflichtteils."
Das kann verhindert werden, wenn Eltern mit ihren Kindern einen Pflichtteilsverzicht für den 1. Erbfall vereinbaren oder die Enterbung als "Sanktion" auch für den 2. Erbfall vorsehen, wenn Kinder im 1. Erbfall den Pflichtteil beanspruchen (Verjährung 3 Jahre).
Im Übrigen fällt jeweils Erbschaftsteuer an (in Ihrem Falle nicht, wegen der für alle ausreichend hohen Freibeträge, wenn Ihre Angaben stimmen.)
Sollte das nicht mehr der Fall sein, weil ein Wertzuwachs eingetreten war ist, kann die Mutter als Überlebende die Erbschaft ausschlagen und so ihre Testierfreiheit wieder erlangen.
Das ist gem. § 1946 BGB
möglich, sobald der Erbfall eingetreten ist und gilt auch beim Berliner Testament. Die Bindung aufgrund einer wechselseitigen Verfügung im Berliner Testament kann der überlebende Ehegatte durch Ausschlagung der Erbschaft beseitigen
(gem. § 2271 Abs. II S. 1 2. HS BGB
).
Dann gilt aber die gesetzliche Erbfolge, so dass die Mutter immer noch 2 x 1/4 des Hauses und des Vermögens erbt, also als Miterbin in das Grundbuch kommt.
Aber so sparen Sie Notarkosten und Kosten der Grundbuchberichtigung.
Da Ihre Mutter über Bargeld frei verfügen kann, ist es auch rechtlich möglich und steuerrechtlich neutral, wenn sie den Kindern jeweils 20.000€ sofort schenkt.
Dann bleiben ihr 50.000€ übrig.
Den Hausanteil könnte sie später auch verschenken oder als Mitgesellschaftern in die BGB-Gesellschaft einbringen.
Sollten Sie ausschlagen wollen, genügt eine persönliche Erklärung bei der Testamentseröffnung im Amtsgericht oder, sollte das bereits erfolgt sein, ein formloser Brief oder die persönliche Vorsprache innerhalb der 6-Wochen Frist.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Vielen Dank für die schnelle ausführliche Antwort.
Aus der Fragestellung und der Antwort ergeben sich für mich noch drei Nachfragen, die ich gerne noch stellen würde.
1. Kann ein Nießbrauchrecht für das Einfamilienhaus mit Grundstück eingetragen werden, das als Erbteil auf die Erbmasse mit angerechnet wird (Vergleichsmiete mal Vervielfältiger Wert).
2. Ist es möglich den Nießbrauch per Eintragung im Grundbuch zu beenden, wenn der Nießbraucher auszieht, damit Pflegekosten nicht über den Nießbrauch bezahlt werden müssen.
3. Wenn durch Ausschlagung des Berliner-Testaments durch die Ehefrau die gesetzliche Erbfolge gilt, ist die Verteilung des Erbes wirklich zwingend an den gesetzlichen Verteilungsvorgaben gebunden oder kann dann einvernehmlich mit allen Erben eine andere Aufteilung gewählt werden, solange Einigkeit besteht.
Vielen Dank nochmals im Voraus.
Ihre Fragen beinhalten einen neuen Sachverhalt und sind keine reinen Verständnisfragen im Rahmen einer ONLINE Erstberatung
Wenn der Nießbrauch im Testament bewilligt wurde, ist das eine erbrechtliche Frage. Wenn er im Rahmen einer Erbauseinandersetzung eingeräumt wird, ist das eine Frage des Schuldrechts, z.B. als Gegenleistung für eine Erbteilabtretung.
In diesem Zusammenhang kann der Nießbrauch zeitlich beschränkt oder mit einer Bedingung versehen werden kann.
Den Auszug als Beendigungsbedingung zu vereinbaren könnte sozial rechtliche Folgen haben (Haftung für Sozialleistungen).
Wird ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück, einem Haus oder an einer Eigentumswohnung nicht im Grundbuch eingetragen, liegt zunächst lediglich ein schuldrechtliches Nießbrauchsrecht vor.
Der Unterschied zu einem im Grundbuch eingetragen dinglichem Nießbrauchrecht besteht darin, dass der schuldrechtliche Nießbrauch nur zwischen den beiden Vertragsparteien gilt. Das dingliche Nießbrauchrecht jedoch lastet direkt auf dem Grundstück und gilt immer zwischen jedem Eigentümer und dem Berechtigten.
Wenn das Grundstück verkauft wird, ist das schuldrechtliche Nießbrauchrecht wertlos, weil der Berechtigte sich nur gegenüber dem Vertragspartner darauf berufen kann, nicht gegenüber dem Käufer.
Das dingliche Nießbrauchrecht jedoch lastet direkt auf dem Grundstück und gilt immer zwischen jedem Eigentümer und dem Berechtigten.
Frage 3 ist wie Frage 1 zu beantworten:
Die gesetzliche Erbfolge ist eine rein erbrechtliche Frage, die z.B. bei der Erbschaftsteuer zugrunde gelegt wird. Wenn im Rahmen der Auseinandersetzung eine andere Verteilung erfolgt, ist das eine Frage des Schuldrechts, z.B. Schenkung oder Tausch.