Sehr geehrter Ratsuchender,
aufgrund Ihren Ausführungen beantworte ich Ihre Frage wie folgt.
Eine explizite Regelung zu Ihrem Problem gibt es nicht.
Vielmehr basiert die Antwort auf einer Auslegung von § 6 I AufenthaltsG
. Darin ist das Schengener Abkommen in deutsches Recht umgesetzt worden.
Aus der Regelung, dass ein Schengen Visum für Kurzfristige Aufenthalte gilt folgt, das sofern eine Verlängerung stattfindet von dem Zeitpunkt der Verlängerung wiederum die Zahl der in Deutschland oder "Schengen" verbrachten Monate gewartet werden muss bevor ein neues Schengen Visum beantragt werden kann. Innerhalb von sechs Monaten ist ein Aufenthalt von nur drei Monaten erlaubt. Ihre Freundin reiste am 1.9.2005 und musste daher originär Ende November ausreisen. Sie blieb bis zum 15.1.2006. Würde sie nun bereits am 1.März wieder einreisen, so würde das dazu führen, dass Sie innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate in Schengen gewesen wäre noch über die ausnahmsweise Verlängerung hinweg. Da die Verlängerung an sich bereits eine Ausnahme ist, käme es quasi zu einer weiteren nicht gesetzlich vorgesehenen Verlängerung nach einer Unterbrechung. Daraus erklärt sich, dass der Zeitraum der Verlängerung, also 1,5 Monate auf die Gesamtzeit von 6 Monate hinzugerechnet werden muß. Seit Ersteinreise müssen demnach 7,5 Monate vergangen sein bis ein erneutes Schengen Visum beantragt werden kann.
Da diese Vorschriften in allen Staaten gelten, die dem Schengen Abkommen beigetreten sind, gilt das auch für z. B. Frankreich. Es ändert sich also nicht, wenn Ihre Freundin nach Frankreich einreisen würde und dann zu Ihnen nach Deutschland käme. Bereits an der französischen Grenze, also am Flughafen, würde sie danach zurückgewiesen.
Grundsätzlich ist es aber möglich, ein nationales Visum zu beantragen. Das ist aber für längerfristige Aufenthalte kreiert.
Ich hoffe, Ihnen damit zunächst eine Orientierung gegeben zu haben. Sollten Sie weitere Fragen haben, würde ich mich freuen, diese aufgrund der Nachfragefunktion beantworten zu dürfen.
Mit freundlichen Grüssen,
Rechtsanwalt Thomas Krajewski
Sehr geehrter Herr Krajewski,
erst einmal vielen Dank für die rasche Antwort. Leider kann ich aber in §6
des Aufenthaltsgesetzes keinen Hinweis finden wie sie zu Ihrer Folgerung kommen, dass, sofern eine Verlängerung vorliegt vom Zeitpunkt der Verlängerung wiederum die Zahl der in Schengen verbrachten Monate gewartet werden muss bis eine erneute Einreise wieder möglich ist.
Im SDÜ, Aufenthaltsgesetz oder Aufenthaltsverordnung, grundsätzlich lese ich egal ob Schengen Visum oder visafreier Kurzaufenthalt, grundsätzlich ist erstmal immer nur von 3 Monaten innerhalb von 6 Monaten die Rede.
Artikel20 Abs.2 des SDÜ überlässt es aber jedem Staat den visafreien Kurzaufenthalt in seinem Hoheitsgebiet durch ein nationales Visum zu verlängern, wobei hier keine Einschränkungen über die Dauer gemacht werden.
Das regelt ja §40
des Aufenthaltsgesetzes welches ja eine Verlängerung von bis zu 3 Monaten in Anschluss an einen Kurzaufenthalt zulässt.
Durch diese Verlängerung ist ja der 3 Monatszeitraum pro Halbjahr den Schengen vorsieht ja sowieso schon überschritten. Artikel 18 SDÜ sagt ja auch, dass alles was länger als 3 Monate ist, eine nationales Visum und auf das Hoheitsgebiet des ausstellenden Staates beschränkt ist, damit hätte ja eigentlich diese Verlängerung keine Auswirkungen auf die in SDÜ genannten Fristen von 3 Monaten pro Halbjahr.
Wenn Sie also vielleicht etwas genauer ausführen könnten wie Sie zu der Schlussfolgerung kommen, dass vom Zeitpunkt der Verlängerung wiederum die Zahl der in Schengen verbrachten Monate gewartet werden muss bis eine erneute Einreise wieder möglich ist, wäre mir sehr geholfen.
Meine zuständige Ausländerbehörde machte zwar eine ähnliche Aussage, allerdings wurde mir dort mitgeteilt dass nicht ab dem Zeitpunkt der Verlängerung die Zahl der in Schengen verbrachten Monate gewartet werden muss, sonder ab Zeitpunkt der Ausreise. Also wäre eine Einreise nicht nach 7,5 Monaten nach Ersteinreise sondern erst nach 9 Monaten möglich. Allerdings musste der zuständige Sachbearbeiter auch zugeben dass er sich seiner Sache so ganz sicher ist und fand auch keinen Gesetzestext der seine Aussage untermauert. So bin ich mir jetzt nicht sicher ob im Zweifelsfall der zuständige Grenzbeamte am Flughafen ihrer These folgt oder auch eine eigene Auslegung hat. Deshalb wäre ich sehr dankbar über eine nochmalige Erklärung oder weitere Quellverweise.
Mit Gruß T.
Sehr geehrter Mandant,
nach eingehender Prüfung stellt sich die Rechtslage folgendermaßen dar.
Ihre Freundin darf bereits nach SECHS Monaten nach Ersteinreise, also am 1.März wieder in das Schengener Hoheitsgebiet visafrei einreisen. Nach eingehender Prüfung muss ich meine anderweitige Auskunft revidieren. Dem liegt eine unklare Gesetzestruktur zugrunde und die Tatsache, dass es zu diesem Gebiet kaum Quellen gibt.
Juristische Grundlage des Ergebnisses ist Folgendes.
Gem. § 15 I AufenthG
wird ein Drittstaatenangehöriger an der Grenze zurückgewiesen, wenn eine unerlaubte Einreise stattfinden soll. Gem. § 14 I Nr.2 AufenthG
ist eine Einreise unerlaubt, wenn der erforderliche Aufenthaltstitel i. S. d. § 4 I AufenthG
nicht vorliegt. § 4 I AufenthG
erklärt die europarechtlichen Vorschriften und demnach Art. 5 des SDÜ für maßgeblich. Dies entspricht dem Prinzip vom Vorrang des höherrangigen Rechts, hier dem Europarecht, vor dem niedrigerrangigen Recht, also dem nationalen Recht. Daraus folgt, dass ein Drittstaatenangehöriger [neben den Voraussetzungen aus § 5 I AufenthG
] die Voraussetzungen des Art. 5 SDÜ zu erfüllen hat. Ist das der Fall, KANN er in das Hoheitsgebiet eingelassen werden. Art. 5 I b) SDÜ verlangt wie § 14 I Nr.2 AufenthG
das Vorliegen des notwendigen Aufenthaltstitels. Gem. § 15 AufenthVO in Verbindung mit Art. 20 I SDÜ in Verbindung mit Art. 1 II RVO 539/2001 in Verbindung mit deren Anlage II ist ein Aufenthaltstitel bzw. Visum (Art. 2 RVO 539/2001) für Brasilianische Staatsangehörige für Kurzaufenthalte im Sinne des § 1 II AufenthVO nicht erforderlich.
Als Brasilianer/in darf man ohne Titel nach Schengen einreisen und drei Monate in sechs Monaten ab Einreise verbleiben. Sind drei Monate vergangen, muss man grundsätzlich das Hoheitsgebiet verlassen bis weitere drei Monate vergangen sind, um dann nach sechs Monaten ab Ersteinreise wieder einreisen zu können.
Gem. Art. 20 II SDÜ verbleibt das Recht, den visafreien Aufenthalt zu verlängern bei den Mitgliedstaaten, wobei für die Verlängerung nur deren nationales Recht bestimmend ist.
Der deutsche Gesetzgeber hat dies u. a. für Brasilianer gem. § 40 AufenthVO in Verbindung mit Anhang II der RVO 539/2001 festgelegt. Danach können Brasilianer nach dem Kurzaufenhalt von drei Monaten (Art. 1 II RVO 539/2001) mit einer nationalen Aufenthaltserlaubnis einen weiteren Aufenthalt von drei Monaten anschließen.
Eine Regelung zur Ausweitung der Frist von sechs Monaten ab Einreise ist dem Gesetz aber nicht zu entnehmen. Hätte eine solche erfolgen sollen, so wäre sie ausdrücklich vom Gesetzgeber in das Gesetz aufzunehmen gewesen. Dies ergibt sich bereits aus dem Prinzip des Vorbehalt des Gesetzes. Alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt. Die Einreise nach sechs Monaten nach Ersteinreise ist nicht ausdrücklich verboten und demnach erlaubt.
Zu beachten ist vielmehr auch, dass der nationale Gesetzgeber nicht die Kompetenz hat, eine solche Regelung zu erlassen.
Art. 20 II SDÜ erlaubt den Mitgliedsstaaten lediglich die Verlängerung des Aufenhaltes über die drei Monate hinaus. Es ist nicht erkennbar, dass Art. 20 II SDÜ auch eine Verlängerung der 6-Monatsfrist durch mitgliedsstaatliches Recht erlaubt.
Eine derartige Einflußnahme der mitgliedsstaatlichen Regelungen wäre nicht mit dem Prinzip zu vereinbaren, dass das höherrangige Recht das niederrangige Recht durchbricht. Danach hat sich das Bundesrecht nach dem Europarecht zu richten. Dies wäre aber nicht der Fall, wenn die bundesrechtlich vorgesehene Verlängerung des Aufenthalts auch die sechs Monatsfrist verlängern würde, obwohl gerade das nicht durch das Europarecht vorgesehen ist. Eine solche bundesrechtliche Vorschrift wäre rechtswidrig.
Deshalb darf Ihre Freundin grundsätzlich bereits am 1. März wieder einreisen.
Ich weise Sie aber ausdrücklich darauf hin, dass ich keine Gewährleistung dafür bieten kann, dass ihre Freundin an der Grenze nicht abgewiesen wird. Dies liegt schließlich gem. Art. 5 SDÜ im Ermessen der Ausländerbehörde bzw. der Zollbehörde. Dort lautet es: "Für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten KANN einem Drittausländer die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien gestattet werden,... .". Genauso sieht auch § 15 II AufenthG
vor, dass ein Ausländer zurückgewiesen werden KANN.
Daher empfehle ich Ihnen und Ihrer Freundin, dass sich diese an das deutsche Generalkonsulat in Brasilien wendet, um dort abzuklären, ob ihrer Einreise irgendetwas im Wege steht. Ich gehe insbesondere unter Beachtung der obigen juristischen Prüfung davon aus, dass sie problemlos einreisen wird.
Danke für Ihre äußerst interessante Online-Anfrage! Ich hoffe, Ihrem Beratungsbedarf nunmehr gerecht geworden zu sein und
verbleibe mit freundlichem Gruß!
RA Thomas Krajewski
email: Krajewski@haftungsrecht.com