Sehr geehrter Ratsuchender,
ohne die Einzelheiten Ihres Falles zu kennen, ist freilich nur eine ungefähre Einschätzung der Rechtslage möglich. So viel kann ich Ihnen aber mitteilen:
Allein die Tatsache, dass die Restforderung seit geraumer Zeit nicht eingefordert wurde, reicht keinesfalls für die Annahme einer Verwirkung aus. Auch gibt es insofern keine feste Zeitgrenze (außer eben die der Verjährung).
Nach der insoweit gefestigten Rechtsprechung zu § 242 BGB
muss nämlich zusätzlich neben dem Zeitablauf und dem Untätigsein des Anspruchsinhabers auch ein Vertrauenstatbestand erfüllt sein. Dies gilt auch für Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen.
Dies bedeutet, dass von Ihrer Seite aus schon irgendeine konkrete Verhaltensweise die Annahme für die Gegenseite rechtfertigen müsste, Sie wollten von der Geltendmachung Ihrer Ansprüche endgültig absehen.
Hierfür spricht nach Ihren Angaben allenfalls der Umstand, dass Sie seinerzeit nur einen Teil des ausstehenden Lohnes gerichtlich geltend gemacht haben, dies aber auch nur, wenn die Restforderung damals schon fällig war.
Ferner muss sich Ihr Arbeitgeber aber aufgrund des Verhaltens auch darauf eingerichtet haben, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
Die verzögerte Geltendmachung muss sich insgesamt als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte für den Anspruchsgegner darstellen.
Dies kann z.B. der Fall sein, wenn er aufgrund der Verzögerung auf mögliche Regressansprüche gegen Dritte verzichtet hat oder sich seine Beweisposition verschlechtert hat. Hierfür sehe ich hier aber keine Anhaltspunkte.
Gegen eine Verwirkung spricht es im Übrigen, wenn Sie die rechtlichen Voraussetzungen Ihres (zusätzlichen) Lohnanspruchs erst nachträglich erfahren haben oder sonst zwischenzeitlich an der Geltendmachung Ihres Anspruchs objektiv gehindert waren.
Ich hoffe, meine Ausführungen waren Ihnen hilfreich.
Für Verständnisfragen benützen Sie bitte die Nachfragefunktion.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
Hallo, vielen Dank erstmal.
Eine Nachfrage zu den Gegenargumenten ("objektiv gehindert")hätte ich:
welche Gründe gelten als "objektiv gehindert..." - auch persönliche, berufliche Gründe?
Bei mir war es konkret so, das ich zwischenzeitlich ein sehr arbeitsintensives Arbeitsverhältnis einige hundert km entfernt angetreten hatte.
In der darauffolgenden Elternzeit, wieder "zu hause" hatte ich dann erst wieder Zeit für weitere rechtliche Recherchen und Schritte.
Grüße!
Sehr geehrter Ratsuchender,
eine subjektive Verhinderung in der Art, wie Sie sie hier schildern, wird zwar nicht dafür ausreichen, dass eine Verwirkung schon von Vornherein ausgeschlossen ist.
Es ist aber zunächst Sache Ihres Arbeitgebers, für Ihn sprechende gewichtige Umstände substanttiiert darzulegen.
Die Gerichte sind insgesamt eher zurückhaltend mit der Annahme einer Verwirkung.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
Der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen, dass eine Geltendmachung von Ansprüchen aus Arbeitsverhältnissen unter Umständen auch durch eine (tarif)vertragliche Ausschlussfrist ausgehebelt sein kann. Dies ist dann aber keine Frage der Verwirkung.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt