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Verlust von Sorgerecht und Umgangsrecht bei DIS & PTBS?

14. Februar 2023 18:07 |
Preis: 85,00 € |

Familienrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Bernhard Müller

Guten Tag,

wie ist die Situation einzuschätzen und wie würde man am Besten in folgendem Fall vorgehen, um den Verlust des Sorgerechts oder gar Umgangsrechts zu verhindern?

Die Eltern haben sich ein paar Monate nach der Geburt ihrer Tochter getrennt wegen Problemen in der Beziehung.
Das Jugendamt war bereits während der Schwangerschaft aktiv, da für die Mutter die Diagnose einer Dissoziativen Identitätsstörung (DIS) und PTBS vorliegt und das Jugendamt daher von einer erheblichen Gefahr für das Kind ausgeht.
Anzumerken hierfür ist, dass seitens der Mutter weder während der Schwangerschaft, noch nach der Geburt in irgendeiner Weise eine das Kind gefährdende Handlung stattgefunden hat. Die anderen Persönlichkeiten sind ebenfalls nicht gefährdend.

Dennoch wird die Mutter scheinbar als nicht ganz zurechnungsfähig bzw. als "irre" eingestuft, es kommen Andeutungen einer befürchteten Kindesentführung und weitere Mutmaßungen. Als Grundlage wird immer die Diagnose angeführt.

Hierzu ist anzumerken, dass dies bereits vor rund 10 Jahren bereits schon einmal der Fall war. Dort wurde der Sohn der Mutter bereits gleich nach der Geburt weggenommen. Ein Umgang mit ihrem Sohn war nur alle 3 Monate möglich, durch Absagen der Treffen durch die Pflegefamilie waren der Mutter oft nur Treffen mit Abständen von mehr als einem halben Jahr möglich, seit Corona fand gar kein Treffen mehr statt. Die Mutter hat Interesse, dass wieder Treffen stattfinden, ist jedoch verunsichert, ob dies möglich sein wird bzw. inwieweit noch Sinn darin besteht. Die Pflegefamilie sind die Eltern des Vaters, die jedoch weder die Mutter noch ihren eigenen Sohn leiden können und daher das Kind von den leiblichen Eltern isolieren und als Ersatz für ihren Sohn beanspruchen.
Die Mutter hatte damals keine Unterstützung und wurde stark unter Druck gesetzt dies alles zu akzeptieren. Der damalige Vater hatte kein wirkliches Interesse an dem Kind.

Reicht eine solche Diagnose tatsächlich aus, dass das Sorgerecht entzogen und gar der Umgang mit dem Kind eingeschränkt oder gar gänzlich unterbunden wird? Alleine auf Basis der beiden Diagnosen ohne eines gesonderten Gutachtens?

Die Mutter sorgt sich, dass sich der Fall mit ihrem Sohn auch bei ihrer Tochter nun wiederholt. Sie hat nie etwas unternommen, das eines ihrer Kinder in irgendeiner Art gefährden könnte. Sie kann sich in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit sehr gut einschätzen, weshalb der Lebensmittelpunkt ihrer Tochter bei dem Vater liegt (und auch dort wohnt).
Beobachtet man die Mutter mit der Tochter, dann stellt man einen liebevollen und fürsorglichen Umgang fest. Für Entscheidungen hat sie einen ausreichenden Weitblick. Eine Einschätzung, die nicht nur das allgemeine Umfeld teilt, sondern auch von einer Pädagogin der Tagesstätte, die die Mutter regelmäßig besucht, geteilt und bestätigt wird.

Die Beziehung mit dem jetzigen Partner hat unter dem erneuten Auftreten des Jugendamtes und diversen Auflagen stark gelitten. Anzuführen war ein 5-tägiger Krankenhausaufenthalt nach der Entbindung, der vom Jugendamt verordnet wurde, bei dem beide Elternteile durchgängig das Krankenhaus nicht verlassen durften - nicht einmal zum Einkaufen. Im Anschluss folgte eine Betreuung, wo zusätzlich zur Hebamme (diese war von der Mutter gewünscht und hilfreich) jeden Tag (7 Tage die Woche) noch vom Jugendamt beauftragte Pädagogen anwesend waren, bis diese nun auf weniger Tage reduziert werden konnte.
Der Vater drängte die Mutter immer darauf diese Maßnahme erneut zu unterschreiben, obwohl der Vater durch die Maßnahme stark litt und sie weder benötigt noch will, jedoch Angst hat, dass wenn die Maßnahme nicht in Anspruch genommen wird die Tochter weggenommen wird. Es wird Druck vom Jugendamt ausgeübt, dass die Maßnahme fortgesetzt wird. Auch drängt das Jugendamt darauf, dass die Mutter die Tochter immer nur unter vollständiger Aufsicht sehen darf.

Da das Jugendamt massiv auf die Abtretung des Sorgerechts drängt und der Vater darauf hofft, dass danach das Jugendamt von ihm Abstand nimmt, drängt er die Mutter nun zur Aufgabe des Sorgerechts.

Anzumerken ist, dass der Vater in der Vergangenheit ein Alkoholproblem hatte und zur Suchtberatung geht. Bei zwei Terminen mit dem Jugendamt war er alkoholisiert. Die Tochter hatte er alkoholisiert nicht in Obhut, sondern war dort bei seinen Eltern, die ihn als Großeltern unterstützen.

Die Mutter belastet die Situation und die Sorge auch ihre Tochter zu verlieren massiv. Zudem hat sie die Sorge, dass nach ihr auch das Sorgerecht des Vaters in Gefahr sein könnte wegen dem Alkoholproblem. Sie wäre für ein Gutachten bereit, dass eine Gefahr durch sie ausschließt, dies möchte der Vater nicht, er will, dass sie einfach darauf verzichtet.

Reicht die alleinige genannte Diagnose aus um eine Gefahr für ein Kind zu begründen ohne konkreter Anhaltspunkte? Wie kann man in einem solchen Fall am Besten den Verlust des Sorgerechts verhindern oder zumindest den Umgang mit dem Kind sichern? Sodass die Mutter auch mal auf den Spielplatz oder später ins Kino kann, ohne eine ständige Aufsicht zu haben? Sie sich frei mit ihrer Tochter unterhalten kann, was ihr bei ihrem Sohn nicht erlaubt wurde? (dort waren kaum Gespräche möglich, hauptsächlich nur jeweils ein Foto um das Treffen zu dokumentieren)
Wie hoch ist das Risiko, dass der Vater das Sorgerecht verliert? Würde das Jugendamt sich tatsächlich zurücknehmen, sobald die Mutter auf das Sorgerecht verzichtet? Welche Risiken bestehen, wenn die Maßnahme vom Jugendamt abgelehnt wird?
Besteht eine Möglichkeit der Akteneinsicht beim Jugendamt, um einzusehen, wie die genaue interne Beurteilung ist?

Vielen Dank für eine Einschätzung.

Einsatz editiert am 14. Februar 2023 21:06

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Das Jugendamt kann das Sorgerecht nicht entziehen, sondern nur einen entsprechenden Antrag an das Familiengericht stellen.
Ob der Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht haben kann, hängt davon ab, ob er noch Alkohol trinkt oder trocken ist.
Das gesamte Sorgerecht kann auf Grundlage Ihrer Schilderung nicht entzogen werden.

Die Diagnose reicht jedoch, um den Umgang der Mutter erst einmal auf begleiteten Umgang zu beschränken.
Ein Anwalt vor Ort kann selbstverständlich Einsicht in die Akte nehmen.

Die Mutter sollte das Gutachten machen lassen. Wenn das Gutachten ergibt, dass sie trotz ihrer geistigen Störungen keine Gefahr für das Kind ist, kann das Familiengericht auch eine Umgangsregelung für Umgang ohne Aufsicht finden.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Rückfrage vom Fragesteller 15. Februar 2023 | 15:23

Hallo,

vielen Dank für Ihre Antwort.

Ich habe noch folgende Rückfragen:

"Das gesamte Sorgerecht kann auf Grundlage Ihrer Schilderung nicht entzogen werden."
Trifft dies also auch auf einen möglichen Antrag durch den Vater zu? Wie wäre denn das konkrete Vorgehen, sofern ein Antrag eingereicht werden würde? Sollte man sich bereits vorbereiten und wenn ja wie?

"Ein Anwalt vor Ort kann selbstverständlich Einsicht in die Akte nehmen."
Kann man auch selbst Akteneinsicht nehmen oder ist dies ausschließlich Anwälten notwendig? Wäre gut mal konkrete Informationen haben.

"kann das Familiengericht auch eine Umgangsregelung für Umgang ohne Aufsicht finden."
Bisher gibt es vom Familiengericht keine Umgangsregelung - darf das Jugendamt auch selbst ohne Familiengericht den Umgang bereits einschränken, oder wäre hier zwingend das Familiengericht notwendig?

Zum Gutachten: Wird das über das Familiengericht beauftragt oder wie lässt man dieses Gutachten am Besten erstellen? Wie läuft das mit den Kosten ab?

"Ob der Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht haben kann, hängt davon ab, ob er noch Alkohol trinkt oder trocken ist."
Er trinkt nicht mehr so viel, doch trocken ist er nicht. Hat das auch einen Einfluss?


Folgende Punkte wären noch offen:

"Würde das Jugendamt sich tatsächlich zurücknehmen, sobald die Mutter auf das Sorgerecht verzichtet? Welche Risiken bestehen, wenn die Maßnahme vom Jugendamt abgelehnt wird?"

Wie schätzen Sie es ein, würde das Jugendamt weniger aktiv sein, wenn die Mutter auf das Sorgerecht verzichtet? Wir gehen davon aus, dass die Thematik mit dem Alkohol und andere Punkte dennoch dafür sorgen würden, dass das Jugendamt weiterhin aktiv wäre und auf die Maßnahme bestehen würde. Der Vater denkt, dass dann das Jugendamt dann keine weiteren Maßnahmen mehr fordern würde.
Und können durch eine Ablehnung dieser Maßnahme Nachteile entstehen bzw. Konsequenzen nach sich ziehen? Wenn ja in welcher Form?
Die Maßnahme läuft im Mai aus - sie musste immer per Unterschrift bestätigt werden - kann man diese ohne Weiteres auslaufen lassen und gegenüber dem Jugendamt ablehnen?



Vielen Dank.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 15. Februar 2023 | 15:38

Das Jugendamt würde sich nicht zurück nehmen. Denn der Vater ist noch nicht trocken.
Das Jugendamt könnte den Umgang nur vorübergehend einschränken, müsste aber unverzüglich die Entscheidung des Familiengerichts beantragen.

Das Familiengericht kann einen Gutachter bestellen. Die Kosten von Gutachtern sind sehr hoch. Bei niedrigem Einkommen kann jedoch Verfahrenskostenhilfe beantragt werden. Ob Sie die Akte auch ohne Anwalt einsehen könnten, liegt im Ermessen des Jugendamtes. Dieses müsste Personal abstellen, um zu kontrollieren, dass nichts aus der Akte entfernt wird.

Da die Mutter eine Diagnose hat, bei der eine Gefährdung des Kindes nicht ausgeschlossen werden kann und der Vater noch nicht trocken ist. dürfte das Ziel des Jugendamtes darin liegen, das Kind vorläufig in einer Pflegefamilie unterzubringen.
Dies kann das Jugendamt jedoch nicht ohne Einschaltung des Familiengerichts. Wenn ein Elternteil eine vom Amt empfohlene Maßnahme ablehnt, könnte der Mitarbeiter des Jugendamts dies zum Anlass nehmen, das Familiengericht einzuschalten.
Ansonsten kann auch jedes Elternteil einen Anwalt vor Ort damit beauftragen, das Familiengericht einzuschalten.

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