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Verjährung von Beseitigungsansprüchen (§1004 BGB) - Nichteinhaltung Abstandsflächen

| 22. Oktober 2020 22:44 |
Preis: 73,00 € |

Nachbarschaftsrecht


Beantwortet von

Zusammenfassung

Wie kann ich, wenn unser Nachbar widerrechtlich einen Balkon angebaut hat, durch dessen Nutzung Ruhestörungen eintreten, und die Baubehörde nichts unternimmt, verhindern dass Verjährung eintritt?

Die Verjährung von Ansprüchen wegen Verletzung von Grenzabstandsvorschriften kann durch Hemmung oder Rechtsverfolgung geschützt werden. Bezüglich Schwarzbauten ist hervorzuheben, das diese im Bereich der baurechtlichen Vorschriften nicht verjähren.

Unser Nachbar hat einen Balkon an seinem von ihm erworbenen Gebäude angebaut. Der Balkon grenzt unmittelbar an unsere gemeinsame Grundstücksgrenze (Abstand weniger als 2 cm). Erstmalig haben wir uns im Oktober 2019 schriftlich an unseren Nachbarn gewandt und (unwissend darüber, dass der Anbau des Balkon baurechtlich unzulässig ist) die seit einem Jahr damit einhergehenden Belästigungen geschildert (Lärmbelästigung / Störung der Privatsphäre - der Balkon erlaubt einen vollständigen Blick in unseren sonst nicht einsehbaren Garten) und den Wunsch geäußert, den Balkon wieder zu entfernen. Es wurde zunächst versucht, die Angelegenheit ohne Einschaltung der Baubehörde im nachbarschaftlichen Einvernehmen zu regeln.
Nachdem unser Nachbar in keiner Weise auf unser Anliegen reagierte, haben wir im Februar 2020 die Baubehörde schriftlich um Überprüfung der Zulässigkeit des Bauvorhabens gebeten. Von dort wurde uns mitgeteilt, dass weder ein Bauantrag vorliegt noch eine baurechtliche Genehmigung erteilt wurde. Nachdem wir die Übernahme von erforderlichen Abstandsflächen strikt ablehnen, wurde uns telefonisch mitgeteilt, dass der Nachbar den Balkon wieder entfernen müsse.

Unser Nachbar teilte uns unmittelbar nach Einschalten der Baubehörde, die eine Ortsbesichtigung durchführte, mit, dass er anwaltlich vertreten sei und sämtliche rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfe, einen Rückbau nicht durchführen zu müssen. Wir müssen damit rechnen, dass dieser gegen den angekündigten Bescheid der Baubehörde Rechtsmittel einlegt oder auch langwierige und kostspielige Streitverfahren vor Gericht nicht scheut, allein um dadurch den Rückbau hinauszuzögern.

Nach mehreren Monaten Wartezeit und ohne erfolgten Rückbau blieben mehrere schriftliche Anfragen an das Bauamt um Mitteilung des Sachstands unbeantwortet. Auf telefonische Nachfrage im Oktober 2020 wurde mündlich mitgeteilt, dass unser Nachbar von der Baubehörde angehört und um Rückbau gebeten wurde. Allerdings sei noch kein rechtsmittelfähiger Bescheid erlassen, sondern dem Nachbarn auf dessen Bitten zunächst 6 Monate Zeit gelassen worden, den Rückbau vorzunehmen, bevor Anfang April 2021 ein kostenpflichtiger Bescheid und Aufforderung zum Rückbau ergehe.

Wir haben die Sorge, dass zum 31.12.2020 eine Verjährung des Beseitigungsanspruchs eintreten könnte (§1004 BGB ). Wir sind uns unsicher, ob der Balkon im Jahre 2018 oder möglicherweise bereits im Herbst 2017 errichtet wurde. Bei Recherchen im Internet sind wir auf Informationen gestoßen, die vermuten lassen, dass nach drei Jahren entweder gar kein Anspruch auf Beseitigung (Rückbau) mehr besteht oder möglicherweise zwar ein solcher Anspruch weiterhin besteht, jedoch die Kosten für die Beseitigung von uns getragen werden müssten.

Uns stellen sich folgende Fragen:
1. Die Baubehörde bestritt eine Verjährung "ein Schwarzbau würde nie verjähren", bezieht sich aber möglicherweise nur auf baurechtliche Vorschriften.
Ist unsere o. g. Sorge einer Verjährung des zivilrechtlichen Beseitigungsanspruchs berechtigt oder unbegründet?
2. Wie kann ggf. eine solche Verjährung gehemmt werden? (genügt z. B. eine Aufforderung zum Rückbau per Einschreiben)
3. Können wir ein Recht auf Akteneinsicht bei der Baubehörde geltend machen?

Einsatz editiert am 22.10.2020 23:29:15

23. Oktober 2020 | 00:35

Antwort

von


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Gerne zu Ihrem Fall:

Zu Frage 2:

Wenn man die Verletzung von Grenzabstandsvorschriften mit BGH in NJW 2004, 1035 als eine Störerhaftung ansieht, wäre auch der Anspruch aus § 1004 BGB vor Verjährung „zu schützen."

Das erfolgt zum einen durch Hemmung nach § 203 BGB , wobei mit dem Abbruch der Verhandlungen unmittelbar nach Einschalten der Baubehörde sich die laufende Verjährung wieder "enthemmt", also fortsetzt.

Oder durch eine von Ihnen eingeleitete Rechtsverfolgung nach § 204 BGB .

Hier kommt für Sie § 204 Absatz 1 Nr. 4 a BGB (staatliche Streitbeilegungsstelle) in Betracht:

Staatliche Stellen sind alle diejenigen Stellen, die von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu diesem Zweck eingerichtet wurden. Hierunter zählen Einrichtungen des Bundes, der Länder, Gemeinden und Kammern.

Zu Ihrer Frage 1:

Die Baubehörde hat insoweit Recht hat, wenn sie mitteilt:
"ein Schwarzbau würde nie verjähren", bezieht sich aber möglicherweise nur auf baurechtliche Vorschriften.

Zu Frage 3. Können wir ein Recht auf Akteneinsicht bei der Baubehörde geltend machen?

Ja, Sie haben als betroffene Nachbarn eines angrenzenden Grundstücks ein Akteneinsichtsrecht, was im Übrigen zwingende Voraussetzung für eine vertiefte Beratung ist, die durch eine summarische Bewertung aus der Ferne nicht ersetzt werden kann.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer

Rückfrage vom Fragesteller 25. Oktober 2020 | 14:32

Sehr geehrter Herr RA Burgmer,

herzlichen Dank für Ihre Antwort zu denen ich folgende Rückfrage habe:

Die für uns zentrale Frage Nr. 1 (zweiter Satz), ob wir beim dargestellten Sachverhalt eine Verjährung eines zivilrechtlichen Beseitigungsanspruchs zum 31.12.20 zu befürchten haben, ist für uns nach wie vor unklar.

Geht es nach Ansicht der Baubehörde, wird der Balkon im April abgebaut sein, weil der Nachbar gegenüber der Behörde dies mündlich zugesichert hat. Damit wäre die Angelegenheit für uns erledigt. Wir erwarten jedoch das Gegenteil, weshalb wir die gestellte und noch ungeklärte Frage Nr. 1 präzisieren:

Gehen wir recht in der Annahme, dass die Verjährungsfrist für einen Beseitigungsanspruch grundsätzlich drei Jahre beträgt, am Jahresende nach Errichtung des Balkons beginnt und ungeachtet von hemmenden Wirkungen am 31.12.20 endet, sofern der Nachbar sich darauf beruft, dass der Balkon bereits im Jahre 2017 errichtet wurde?

Würde eine noch vor dem Jahreswechsel 31.12.20 an unseren Nachbarn gestellte schriftliche Aufforderung, den Balkon, der nach mündlicher Auskunft der Baubehörde nunmehr als widerrechtlich errichtet angesehen wird, zu entfernen, eine (neue) hemmende Verhandlung i. S. §203 BGB darstellen?
Hinweis: Wie bereits erwähnt, bezogen sich die "Verhandlungen" vor Einschalten der Baubehörde auf die Bitte um (freiwilligen) Rückbau des Balkons, dessen baurechtliche Unzulässigkeit bis dahin lediglich vermutet wurde.

Würde eine Hemmung (gleich welcher Art) die Verjährungsfrist vom 31.12.20 um einzelne Wochen / Monate verlängern oder auf das Ende des nachfolgenden Kalenderjahres?

Stellt unsere schriftliche Anfrage an das Bauamt, die Zulässigkeit des Bauvorhabens (Anbau Balkon) zu prüfen, die von Ihnen erwähnte Rechtsverfolgung i. S. §204 BGB dar? (offenbar nicht, da keine Streitbeilegungsstelle)?

Mit freundlichen Grüßen

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 25. Oktober 2020 | 15:54

Gerne zu Ihrer Nachfrage:

Da Sie schreiben "Wir sind uns unsicher, ob der Balkon im Jahre 2018 oder möglicherweise bereits im Herbst 2017 errichtet wurde" lässt sich Ihr Frage zur etwaigen Ultimoverjährung nicht abschließend beantworten, schon gar nicht aus der Ferne und ohne Aktenkenntnis. Die Berechnung zum Ablauf von Verjährungsfristen kann durchaus komplex sein und setzt unbedingt die Kenntnis aller relevanten Umstände und auch der örtlichen Gegebenheiten voraus: So schildern Sie in diesem Zusammenhang vielfältige Ereignisse wie geäußerte "Wünsche", Verhandlungen und deren Abbruch, mdl. Zusicherungen ggü. der Baubehörde, und einen Ortstermin, die im Streitfall sehr genau darzulegen und je nach Beweislast zu beweisen sind.

Fakt ist: Baurechtswidrigkeiten inkl. Bauordnungsrechtswidrigkeiten unterliegen nicht der zivilrechtlichen Verjährung. Da das baurechtliche Abstandsgebot auch und gerade eine nachbarschützende Vorschrift ist, können Sie auch öffentlich-rechtlich vor dem Verwaltungsgericht dagegen vorgehen, ohne dass die zivilrechtliche Verjährungsfrage relevant würde. Allenfalls könnte Ihr Recht "verwirken", wofür allerdings vom Gericht - hier BVerwG Beschl. v. 11.9.2018 – 4 B 34/18 - hohe Anforderungen gestellt werden:

Das OVG hat den Rechtssatz aufgestellt, im Falle der Verwirkung sowohl des materiellen Abwehrrechts als auch des Verfahrensrechts des Nachbarn, gegen eine Baugenehmigung als Drittbetroffener Widerspruch einzulegen, trete neben das Zeitmoment ein Umstandsmoment, wonach das Verhalten des Nachbarn Grundlage für die Entstehung eines Vertrauens des Bauherrn in das Ausbleiben von Nachbareinwendungen sein müsse (UA S. 18). Dieser Rechtssatz entspricht der Sache nach dem Rechtssatz im Urteil des Senats vom 16.5.1991 (NVwZ 1991, 1182 für die Verwirkung des (materiellen) Rechts komme es darauf an, ob der Berechtigte während eines längeren Zeitraums ein ihm zustehendes Recht nicht geltend mache, obwohl er hierfür Anlass habe, und ob ein solches Verhalten geeignet sei, bei dem Verpflichteten den Eindruck zu erwecken, der Berechtigte werde sein Recht nicht (mehr) ausüben.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen und verbleibe,
mit freundlichen Grüßen,
Ihr
Willy Burgmer
- Rechtsanwalt

Bewertung des Fragestellers 25. Oktober 2020 | 15:59

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Stellungnahme vom Anwalt:

Besten Dank für Ihre positive Bewertung.

Machen Sie ruhig der Baubehörde etwas Druck, denn die hat ein pflichtgemäßes Ermessen zu walten und darf Ihre Drittrechte nicht durch Verzögerungen beeinträchtigen oder ggf. gefährden. Was den Anspruch aus § 1004 BGB angeht, scheint der mir nämlich - aus der Distanz - durchaus noch Streitpotential zu beinhalten, weil es da eher auf das Objekt selbst ankommt, nicht auf die sekundär davon ausgehenden Beeinträchtigungen, deren Verjährungslauf als Unterlassungsanspruch als solcher übrigens nicht verjährt, genauer: jeweils neu beginnt.

Sollte die Baugenehmigung durch die zuständige Behörde doch noch erteilt werden, können Sie als betroffenerr Nachbar gegen den Verwaltungsakt Widerspruch erheben, wenn Sie darlegen, dass Sie durch das Bauwerk in Ihren Rechten verletzt sind. Wie gesagt, ohne Verjährungsproblematik.

MfG
Burgmer
- Rechtsanwalt

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BEWERTUNG VOM FRAGESTELLER 25. Oktober 2020
5/5,0

Herzlichen Dank für die klarstellende Antwort!


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