Gerne zu Ihren Fragen:
I. Ihre Hauptfrage: Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 S. 3 SGB V
Nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 SGB V können Arbeitnehmer bei Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit werden, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei waren.
Dabei kommt es entscheidend auf zwei Dinge an:
- Sie müssen in den letzten fünf Jahren durchgehend versicherungsfrei gewesen sein.
- Die Versicherungsfreiheit muss wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze bestanden haben.
Bei Ihnen ergibt sich folgende Situation:
Januar 2020 bis März 2021: Gehalt über JAEG, aber freiwillig gesetzlich versichert, somit formal nicht wegen Überschreitens der JAEG versicherungsfrei, sondern aus eigenem Wunsch gesetzlich geblieben.
April 2021 bis April 2022: Sabbatical, keine Beschäftigung: In dieser Zeit ebenfalls keine Versicherungsfreiheit wegen JAEG, sondern keine Beschäftigung.
Mai 2022 bis Oktober 2022: Angestellt über JAEG, aber weiterhin freiwillig gesetzlich versichert.
Ab November 2022: Wechsel in die PKV.
Sie waren damit nicht fünf Jahre wegen Überschreitens der JAEG versicherungsfrei.
Das bedeutet leider:
- Sie erfüllen die Voraussetzung für eine Befreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 S. 3 SGB V derzeit nicht.
II. Alternative Möglichkeiten, trotz Teilzeit in der PKV zu bleiben
Da eine Befreiung m.E. nicht möglich ist, stellt sich die Frage: Wie könnten Sie trotzdem PKV-Mitglied bleiben?
1. Gehalt über der Jahresarbeitsentgeltgrenze halten
Grundregel: Wenn Ihr reduziertes Gehalt trotz Teilzeit über der aktuellen JAEG (2025 73.800 €/ p.a.) bleibt, bleiben Sie automatisch privat versichert, wobei zwar nur regelmäßiges Gehalt zählt. Aktienoptionen zählen oft nicht, weil sie wertschwankend und nicht garantiert sind, was jedoch ggf. eine Ermessensfrage der KV wäre.
Ihr Teilzeitgrundgehalt würde sich halbieren, also von 90.500 € auf 45.250 € p.a. . was deutlich unterhalb der o.g. JAEG liegt. Fazit: Über das Gehalt alleine könnten Sie die PKV nicht halten.
2. Arbeitszeit reduzieren, aber das Gehalt weniger stark kürzen (faktisch Entgelterhöhung)
Sie könnten versuchen, mit Ihrem Arbeitgeber eine Teilzeitvereinbarung zu treffen, bei der das Gehalt nicht im vollen Umfang der Stundenreduzierung sinkt, faktisch nicht unter 73.800 €/p.a. fixiert bleibt. Wohl eher Theorie oder Wunschdenken. Ob dies realistisch ist, hängt von der Flexibilität Ihres Arbeitgebers ab.
3. Wechsel in eine Selbstständigkeit oder kombinierte Tätigkeit
Freiberufliche Selbstständigkeit (neben Teilzeitstelle) könnte unter bestimmten Bedingungen dazu führen, dass Sie weiterhin als Selbstständiger PKV-versichert bleiben, wenn Sie hauptberuflich selbstständig sind.
Allerdings: Wenn die Teilzeitstelle dominiert, wird die GKV-Pflicht bestehen bleiben.
Ich empfehle Ihnen, vor dem Antrag auf Teilzeit dringend:
- Eine genaue Berechnung Ihres zu erwartenden regelmäßigen Gehalts anzufertigen,
- Gegebenenfalls mit dem Arbeitgeber eine Teilzeit mit moderater Gehaltskürzung zu verhandeln,
und parallel eine Beratung mit Ihrer PKV und ggf. einer individuellen Sozialversicherungsberatung in Anspruch zu nehmen. Denn das kann eine Ferndiagnose ohne Aktenkenntnis/Chronologie Ihres beruflichen Werdegangs nicht ersetzen. Sie könnten bei Ihrer (potenziellen) GKV schriftlich einen Antrag auf verbindliche Vorabprüfung stellen, und zwar:
- im Rahmen eines Statusfeststellungsantrags zur Versicherungspflicht,
- oder einer Anfrage zur Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 SGB V.
Denn: Sobald Sie wieder GKV-pflichtig werden, müssten Sie die PKV verlassen, was später ggf. teuer und kompliziert wäre (günstige Alterungsrückstellungen Gesundheitsprüfung etc.)
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
Vorstadt 42
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Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
Sehr geehrter Herr Burgmer,
besten Dank für Ihre rasche und sehr ausführliche Antwort.
Ich habe bereits meine PKV sowie meine frühere GKV diesbezüglich kontaktiert.
Da ich seit diesem Semester gleichzeitig noch als (Teilzeit-)Student an der Fernuniversität Hagen eingeschrieben bin - dies ist auch der Grund, warum ich als Angestellter auf Teilzeit gehen möchte - gäbe sich hier vielleicht noch die Möglichkeit der Versicherungsfreiheit gem. § 8 Abs. 1 Nr. 5 SGB V?
Besten Dank und ein schönes Wochenende.
Gerne zu Ihrer Nachfrage, die allerdings keine Verständnisfrage ist.
Nach dem Wortlaut der nachfolgenden §§ gilt:
Zitat:§ 8 SGB V Befreiung von der Versicherungspflicht
(1) Auf Antrag wird von der Versicherungspflicht befreit, wer versicherungspflichtig wird...
...durch die Einschreibung als Student oder die berufspraktische Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 oder 10), (gekürzt)
sowie
(gekürzt)Zitat:Nach § 5 SGB V Absatz 1 "Versicherungspflichtig sind
Nr. 9.
Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, unabhängig davon, ob sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wenn für sie auf Grund über- oder zwischenstaatlichen Rechts kein Anspruch auf Sachleistungen besteht, längstens bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahres; Studenten nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres sind nur versicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen,
10.
Personen, die eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit ohne Arbeitsentgelt verrichten, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres , sowie zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt Beschäftigte; Auszubildende des Zweiten Bildungswegs, die sich in einem förderungsfähigen Teil eines Ausbildungsabschnitts nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz befinden, sind Praktikanten gleichgestellt,
Mit freundlichen Grüßen bin ich,
Ihr
Willy Burgmer
- Rechtsanwalt