Sehr geehrter Fragender,
im Rahmen einer Erstberatung auf Basis der von Ihnen hier gegebenen Informationen sowie unter Beachtung des von Ihnen gebotenen Honorars beantworte ich Ihre Frage gerne wie folgt:
zu 1.) Die von Ihnen genannte Regelung ergibt sich aus 19.5 Abs.4 Satz 2 LStR.
zu 2.-5.)
Ihrem Hinweis auf die 110Euro-Freigrenze nach gehen Sie offenbar davon aus, dass es sich bei den von Ihnen genannten Veranstaltungen um sog. "Betriebsveranstaltungen" i.S.d. Lohnsteuerrichtlinie handelt, wonach Zuwendungen an Arbeitnehmer insoweit u. U. (siehe hierzu weiter unten) als im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse des Arbeitgebers erbracht gelten und nicht zum Arbeitslohn zählen können.
Zunächst Grundsätzliches:
Es gelten als "Betriebsveranstaltungen" grds. solche Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene, die gesellschaftlichen Charakter haben und bei denen die Teilnahme allen Betriebsangehörigen offen steht, z. B. Betriebsausflüge, Weihnachtsfeiern, Jubiläumsfeiern (vgl. BFH-Urteil vom 9.3.1990, VI R 48/87
, BStBl 1990 II S.711).
Ferner ist Voraussetzung, dass es sich um herkömmliche/übliche Betriebsveranstaltungen und um bei diesen Veranstaltungen übliche Zuwendungen handelt. Dabei sind Abgrenzungsmerkmale für die Üblichkeit insbesondere die Häufigkeit und/oder die besondere Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung (in Bezug auf die Häufigkeit ist eine Betriebsveranstaltung üblich, wenn nicht mehr als zwei Veranstaltungen jährlich durchgeführt werden; bei mehr als zwei gleichartigen Veranstaltungen kann der Arbeitgeber die beiden Veranstaltungen auswählen, die als übliche Betriebsveranstaltungen durchgeführt werden; unschädlich ist, wenn ein Arbeitnehmer an mehr als zwei unterschiedlichen Veranstaltungen teilnimmt).
Übliche Zuwendungen bei einer Betriebsveranstaltung sind insbesondere Speisen, Getränke, Tabakwaren und Süßigkeiten,
die Übernahme von Übernachtungs- und Fahrtkosten und Eintrittskarten für (z.B. kulturelle) Veranstaltungen, wenn sich die Betriebsveranstaltung nicht im Besuch einer solchen (z. B. kulturellen) Veranstaltung erschöpft. Auch zählen hierzu Aufwendungen für den äußeren Rahmen, z. B. für Räume, Musik, Kegelbahn und künstlerische Darbietungen, wenn die Darbietungen nicht der wesentliche Zweck der Betriebsveranstaltung sind.
Betragen die Aufwendungen des Arbeitgebers einschl. Umsatzsteuer für die üblichen Zuwendungen i.S.d. der o. a. Lohnsteuerrichtlinie an den einzelnen Arbeitnehmer insgesamt mehr als 110 Euro je Veranstaltung, sind die Aufwendungen dem Arbeitslohn hinzuzurechnen (vgl. auch BFH-Urteil vom 25.5.1992, VI R 85/90
, BStBl 1992 II S.655, sowie BFH-Urteil vom 16.11.2005, VI R 151/99
, BStBl 2006 II S.439).
Soweit Arbeitslohn vorliegt, kann der Arbeitgeber die Zuwendungen nach §40 Abs.2 Nr.2 EStG
pauschalieren. Unentgeltlich gewährte Verpflegung ist mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort zu bewerten; die Werte der Sozialversicherungsentgeltverordnung sind nicht anwendbar ( vgl. BFH-Urteil vom 6.2.1987, VI R 24/84
, BStBl 1987 II S.355).
In Ihrem Falle ist jedoch meiner Ansicht nach fraglich, ob bzw. inwieweit es sich überhaupt um eine solche "Betriebsveranstaltung" handelt:
Denn zum einen sind zu einem großen Anteil Elemente einer:
beruflichen Fort- und Weiterbildungsleistung
vorhanden (so insbesondere: 1. Tag Vormittag und 2. Tag; aber auch 1. Tag Nachmittag könnte m. E. noch hierunter fallen).
Bei beruflichen Fort- und Weiterbildungsleistungen des Arbeitgebers fällt nach R 19.7 LStR kein Arbeitslohn an, wenn diese Bildungsmaßnahmen im ganz überwiegend betrieblichen Interesse des Arbeitgebers durchgeführt werden. Voraussetzung für die Annahme nichtsteuerbarer Zuwendungen ist, dass die Bildungsmaßnahme zu dem Zweck durchgeführt wird, die Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers im Betrieb des Arbeitgebers zu erhöhen. Die Anrechnung der Bildungsmaßnahme auf die Arbeitszeit ist dabei zwar nicht Voraussetzung für die Annahme des überwiegend betrieblichen Interesses. Hat jedoch der Arbeitgeber die Teilnahme an der Bildungsveranstaltung wenigstens teilweise auf die regelmäßige Arbeitszeit angerechnet (vgl. R 19.7 Abs.2 Satz 3 LStR), ist eine weitere Prüfung des ganz überwiegend betrieblichen Interesses des Arbeitgebers nicht mehr erforderlich.
Der Arbeitgeber nimmt die Betriebsveranstaltung regelmäßig nicht zum Anlass, den Arbeitnehmer zusätzlich zu entlohnen, sondern will mit seinen Aufwendungen den Kontakt der Arbeitnehmer untereinander und das Betriebsklima fördern.
Insoweit sind die entsprechenden Aufwendungen kein Arbeitslohn. Es kommt sodann also auch nicht auf die o. a. 110Euro-Grenze an.
Wie vorliegend, kann eine Veranstaltung Elemente einer Betriebsveranstaltung mit Elementen einer andern betrieblichen Veranstaltung mischen. Dann ist eine Kostenaufteilung vorzunehmen.
Nach meiner Auffassung kommt als "Betriebsveranstaltung" nur die Abendveranstaltung am 1. Tag (Abendessen, Discobesuch) in Betracht.
So hat der BFH in vergleichbaren Fällen genau unterschieden, welchen Charakter einzelne Veranstaltungsteile hatten und geprüft, welche Aufwendungen wofür gemacht worden waren. Gemischt veranlasste Aufwendungen, wie etwa Transportleistungen hat er aufgeteilt. Aufwendungen können aber nur als im eigenbetrieblichen Interesse erbracht angesehen werden (und damit kein Arbeitslohn sein), wenn die Summe der auf den als Betriebsveranstaltung eingestuften Veranstaltungsteil pro Arbeitnehmer die maßgebliche Freigrenze für eine Betriebsveranstaltung (110 €) nicht übersteigt (vgl. BFH-Urteil vom 30.4.2009, VI R 55/07
, BStBl 2009 II S.726).
So kommt eine Aufteilung im vorliegenden Fall ggf. auch für die Übernachtungskosten in Betracht.
Ich hoffe, Ihnen hiermit ausreichend "Stoff" für eine entsprechende Begründung für eine solche Aufteilung gegenüber dem Finanzamt gegeben.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. C. Seiter
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