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Unterlassungsantrag Verleumdung und Beleidigung

| 1. November 2021 09:57 |
Preis: 119,00 € |

Strafrecht


Beantwortet von

Ich bin freischaffender Künstler/Musiklehrer. Mit einer erwachsenen Schülerin, Frau F, hatte ich Ärger. Sie hat mich auf Internetportalen, bei denen ich als Künstler/Lehrer eigetragen bin und über das mich neue Schüler finden, beleidigt (u.a. Schlampe, Arsch, Betrüger) und behauptet, dass ich die vielen guten Bewertungen "gekauft" hätte oder selber erfunden hätte und sicher kein Schüler mich gut bewerten würde. Aber das ist eine Lüge, alle Bewertungen stammen von Schüler/innen und Kunden, vor denen ich aufgetreten bin.
Ich habe mir einen Anwalt genommen, der Frau F abgemahnt hat (Unterlassungserklärung). Weil sie nicht reagiert hat, haben wir sie verklagt.
Leider habe ich diese Klage verloren.
Mein Anwalt meint, das Urteil wäre falsch und er rät mir zur Berufung. Zwar klingt seine Erklärung sehr logisch, aber ich bin mir nicht sicher, ob er recht hat.

Das Gericht hat im Urteil geschrieben, ich kann "die Unterlassung der Äußerungen nicht schlechterdings verlangen. Eine Konkretisierung der zu unterlassenden Verletzungsform ist nicht enthalten". Ich würde einen "vorbeugenden Unterlassungsanspruch" geltend machen, aber "es bleibt offen, ob Tatsachen, die möglicherweise in Zukunft eintreten, die zulässigkeit der Äußerungen beeinflussen, zu welchem Zeitpunkt, mit welcher Sachbezogenheit, in welchem Medium, für welchen Adressatenkreis und mit welcher Breitenwirkung die Äußerungen fallen und welche Folgen dies für" mich hätte.

Mein Anwalt meint, diese Begründung wäre falsch, weil Frau F niemals, gegenüber niemanden, in keinem Medium ihre Lügen verbreiten darf. Er hat mir erklärt, dass das - anders als das Gericht schreibt - mit Meinungsfreiheit von Frau F nichts zu tun hat, weil falsche Tatsachenbehauptungen keine Meinung sind und deshalb auch niemals von ihrer Meinungsfreiheit gedeckt sein können.
Ich finde das irgendwie logisch, aber bin mir nicht sicher. Denn das Gericht hat vor dem Urteil einen Hinweisbeschluss erlassen, in dem steht: "die Klageanträge sind nicht bestimmt genug. Ein begehrtes Verbot ohne Bezugnahme auf den Kontext, d.h. die konkrete Verletzungsform" würde zu weit gehen.
Daraufhin hat mein Anwalt seinen Antrag geändert. Bei der Klage hat er geschrieben:
"Der Beklagten wird ab sofort untersagt
1. zu behaupten, der Kläger habe seine Kundenbewertungen im Internet
a) selbst geschrieben
b) von Freunden, die nicht seine Kunden waren, schreiben lassen.

2. den Kläger als "Schlampe", "Betrüger" und "Arsch" zu bezeichnen".

3. Der Beklagten. wird für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen eine der vorstehenden Unterlassungsverpflichtungen ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250 000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Wegen dem Hinweis des Gerichts hat mein Anwalt nur den Antrag Nr. 2 geändert in
"den Kläger im Zusammenhang mit den unter 1. genannten Behauptungen als "Schlampe", "Betrüger" und "Arsch" zu bezeichnen". Er hat auch dem Gericht erläutert, warum er den Hinweis nur auf den Antrag Nr. 2 bezieht und nicht auf den Antrag Nr. 1. Das Gericht hat das aber nun wohl doch anders gemeint, obwohl es im Urteil ausdrücklich schreibt, dass die Klageanträge "hinreichend bestimmt" sind.

Wenn mein Anwalt damit einen Fehler gemacht hat, möchte ich natürlich nicht in Berufung gehen.

Mit freundlichen Grüßen und vielen Dank!

1. November 2021 | 11:50

Antwort

von


(2753)
Brandsweg 20
26131 Oldenburg
Tel: 0441-7779786
Web: https://www.jan-wilking.de
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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Ich kann die Bedenken des Gerichts leider nachvollziehen. Wenn das Gericht der Unterlassungsklage stattgegeben hätte, hätte dies für die Beklagte bedeutet, dass sie diese Äußerungen nie wieder tätigen darf, unabhängig von Zeit und Zusammenhang.

Konsequenz wäre, dass Sie rein theoretisch in Zukunft die vorgeworfenen Dinge wie Bewertungen fälschen oder Betrügen vornehmen dürften, die Beklagte dies aber dennoch nicht äußern dürfte (obwohl es dann der Wahrheit entsprechen würde). Ein solcher Antrag kann zwar hinreichend bestimmt sein, ist aber sachlich in diesem Umfang nicht gerechtfertigt.
"Schlampe" und " Arsch" gehen zwar in Richtung unzulässiger Schmähkritik und reiner Beleidigung, aber selbst diese Ausdrücke können je nach Kontext zulässig sein (z.B. wenn Sie die Beklagte zukünftig stark provozieren und der Begriff als Reaktion darauf erfolgt und ggf. ohne große Öffentlichkeit im Gespräch unter vier Augen).

Zwar kann einem zu weitgehenden Antrag durch Auslegung des Parteivortrags ein konkreterer Inhalt entnommen werden, dann reicht in der Regel aber ein entsprechender Hinweisbeschluss des Gerichts. Wenn daraufhin der Antrag nicht weiter konkretisiert wird (was zumindest bei Ziffer 1 in Ihrem Fall nicht geschehen ist), musste mit einer Abweisung der Klage gerechnet werden. Dem Gericht schwebte vermutlich eine Einschränkung dahingehend vor: "seine bereits u.a. unter der Adresse xxx.xxx veröffentlichten Kundenbewertungen selbst geschrieben...". Oder zumindest: "wie geschehen am" oder mit Bezug auf eine Anlage, der sich die konkrete Verletzungshandlungen inkl. Bezug auf bestimmte Bewertungen entnehmen lässt.

Inwieweit sich dies in der Berufung noch berichtigen lässt und ob das entscheidende Gericht den Antrag möglicherweise doch fälschlicherweise zu weit ausgelegt hat, lässt sich ohne Kenntnis aller Unterlagen und Details leider nicht beurteilen. Diese Prüfung ist Aufgabe Ihres Anwalts, dessen Einschätzung Sie diesbezüglich auch vertrauen sollten. Nur der Vollständigkeit halber möchte ich aber abschließend darauf aufmerksam machen, dass zumindest aufgrund Ihrer kurzen Schilderung auch ein Mitverschulden des Anwalts und entsprechende Haftungsansprüche nicht völlig ausgeschlossen zu sein scheinen.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Jan Wilking

Rückfrage vom Fragesteller 2. November 2021 | 14:02

Sehr geehrter Herr Wilking,

danke für Ihre verständliche, erläuternde und ausführliche Antwort.

Ich verstehe jetzt wenigstens die Bedenken des Gerichts, also was das Gericht sich vielleicht gedacht hat.

Allerdings habe ich doch noch 2 Fragen:
Ich verstehe die von Ihnen beispielhaft formulierten "Einschränkungen" des Antrags in diesem Zusammenhang nicht. (Sie haben vorgeschlagen:
"Dem Gericht schwebte vermutlich eine Einschränkung dahingehend vor: "seine bereits u.a. unter der Adresse xxx.xxx veröffentlichten Kundenbewertungen selbst geschrieben...". Oder zumindest: "wie geschehen am" oder mit Bezug auf eine Anlage, der sich die konkrete Verletzungshandlungen inkl. Bezug auf bestimmte Bewertungen entnehmen lässt.")
Das LG hatte erläuternd die "VERLETZUNGSFORM" erwähnt. Ich verstehe darunter die Art und Weise, wie sich F künftig nicht verhalten darf, also mich nicht verleumden und beleidigen darf. Davon handeln aber Ihre Formulierungsbeispiele nicht.
Oder anders ausgedrückt: Ihre Umformulierungen können doch auch nicht sicherstellen, dass den seltsamen Bedenken des Gerichts hinsichtlich theoretisch möglicher Fälle in der Zukunft Rechnung getragen wird. Oder was verstehe ich da nicht?

Außerdem habe ich soeben beim Googlen ("unterlassungsanspruch beleidigung urteil") auf Anhieb viele Urteile entdeckt, in denen Beleidigungen untersagt werden, ohne dass irgendwie eine Verletzungsform eine Rolle zu spielen scheint, z.B. unter https://www.reissenberger.com/unterlassen-urteil-ag-dortmund/: "Die Beklagte wird verurteilt, es künftig zu unterlassen, den Kläger „Arschloch" zu nennen. Und unter https://www.debier.de/kinderschaender/: 1. Der Beklagte wird verurteilt, folgende Äusserungen zu unterlassen:
1.1 Der Kläger, genannt „Tablettenmacher H. aus Z.", sei ein „Kindesentfremder".
1.2 Der Kläger, der „Tablettenmacher H. aus Z.", habe sich sein (des Beklagten) Kind und „nicht-leibliches Enkel angeeignet" sowie „belogen, verleumdet und betrogen".
1.3 „Kindesentfremder sind auch Kinderschänder", – „der elektrische Stuhl ist zwar defekt, aber wir haben ja immer noch unsere elektrische Stihl" –
1.4 Mit Hinweis auf den Kläger „Pharmaindustrie" einen Beitrag zu teilen mit der Aussage: „Dort, wo der Z. Kinderschänder arbeitet" (Text vom 07.10.2016).
1.5 Dem Beklagten wird untersagt, den Kläger sinngemäss als „Kindesentzieher" oder „Kinderschänder" zu bezeichnen.
2. Der Beklagte wird ferner verurteilt, folgende Äusserungen mit Bezug auf den Kläger zu unterlassen:
2.4 „Der Baum, an dem die Verursacher hängen werden, wird gerade gebaut. Er hat Hacken, wie im Schlachthof für Schweine…. Entfremden Eltern-Kind."
2.5 „…Meinen Kindesentfremdern auch für diese Woche natürlich nur die Pest, doch lange müsst ihr nicht mehr durchhalten".
2.10 „… und vernichte die Kindesentfremder. Es geht langsam los und ich weiss, dass sie es bereits fühlen …."
2.14 „Wenn es hier erste Opfer gibt, wird man wach werden. Das ist eine Frage der Ehre meinem Sohn gegenüber." wenn dies geschieht, wie unter den Einträgen ab dem Mai 2016 auf dem Facebook-Account Mxx. erfolgt ."
oder unterh ttps://www.kanzlei-kotz.de/bezeichnung-von-nachbarn-als-dreckige-alte-schlampe-luegnerin-betruegerin-unterlassungsanspruch/ :
"Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen
– gegenüber der Klägerin zu äußern, die Klägerin sei eine "dreckige alte Schlampe", eine "Lügnerin", eine "Betrügerin" oder sie sei "vorbestraft";
– die Pflanzen auf dem Balkon der von ihr bewohnten Wohnung während die Klägerin oder andere Personen sich auf der darunter befindlichen Terrasse der Wohnung der Klägerin befinden in der Weise zu gießen, dass das Wasser überläuft und auf die Terrasse der Wohnung der Klägerin tropft.

Worin unterscheiden sich diese Fälle von meinem, dass ich Frau F Beleidigungen nicht so einfach umfassend verbieten lassen kann?

Bitte verstehen Sie meine Nachfrage keines falls als Kritik an Ihrer Antwort! Ihre Antwort habe ich vorhin sehr gut bewertet und danke Ihnen dafür!
Mit freundlichen Grüßen

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 2. November 2021 | 14:36

Vielen Dank für Ihre Nachfrage.

Durch meine beispielhaft genannten Einschränkungen würde die Verletzungsform insofern konkretisiert, als dass ein Bezug der Äußerungen zu Bewertungen hergestellt wird, die nachweisbar nicht selbst oder von Freunden geschrieben wurden - also zweifelsfrei unwahre und damit unzulässige Tatsachenbehauptungen. Dadurch wäre aus meiner Sicht sichergestellt, dass die vom Gericht genannten "Tatsachen, die möglicherweise in Zukunft eintreten, die Zulässigkeit der Äußerungen beeinflussen, zu welchem Zeitpunkt, mit welcher Sachbezogenheit, in welchem Medium, für welchen Adressatenkreis und mit welcher Breitenwirkung die Äußerungen fallen" außer Betracht fallen.

Oder kurz gesagt dadurch der Antrag auf die zukünftige Unterlassung bereits konkret getätigter Äußerungen in einem konkreten Zusammenhang und Medium abzielt und die Begründung daher nicht die höheren Anforderungen eines vorbeugenden Unterlassungsanspruches erfüllen muss

Andere Richter sehen das aber oftmals durchaus weniger kleinlich und hätten die Klage vermutlich beanstandungsfrei durchgewunken, wie Sie ja auch an den von Ihnen genannten Beispielurteilen sehen. Es ist daher auch nicht ausgeschlossen, dass eine Berufung zumindest teilweise erfolgreich sein wird, es besteht aber ein nicht zu unterschätzendes Prozessrisiko.

Mit besten Grüßen

Bewertung des Fragestellers 2. November 2021 | 11:58

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