Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Eine Familienversicherung von Stiefkindern ist möglich. Es gilt § 10 Absatz 4 SGB V
:
"(4) Als Kinder im Sinne der Absätze 1 bis 3 gelten auch Stiefkinder ..., die das Mitglied überwiegend unterhält,..."
Die überwiegende Unterhaltsleistung muss auf Dauer angelegt sein. Erreicht der Unterhaltsbeitrag des Mitglieds nur gelegentlich mehr als die Hälfte des Unterhaltsbedarfs, begründet dies keine Familienversicherung.
Was ist "überwiegender Unterhalt"?
Das ist im SGB nicht definiert, weswegen auf die Regelungen das Familienrecht zurückgegriffen wird.
Nach § 1610 Abs. 2 BGB
umfasst der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.
Auf dieser Grundlage wird im Einzelfall ermittelt, welche Leistungen seitens Dritter erbracht werden und welche Einnahmen das Kind hat. Ist der Gesamtunterhaltsbedarf dann ermittelt, muss letztlich ihr Anteil hieran festgestellt werden.
Dabei wird zwischen Geld- und Sachleistungen und Betreuungsleistungen unterscheiden. Pflege und Erziehung des Kindes stehen dabei dem Barunterhalt des anderen Elternteils gleich.
Diese Ermittlung und Wertung ist nun Aufgabe der Krankenkasse. Zunächst wird dabei aber die Geldseite betrachtet, dann die Betreuungs-/Erziehungsseite. Sind Sie z.B. nur in geringem Umfang (aber immerhin) finanziell beteiligt, übernhemen aber fast die komplette Betreuung und Erziehung, so kann durchaus das Ergebnis sein, dass Sie die Stieftochter überwiegend unterhalten. Dieser Vorgang hat sehr viel mit Wertung zu tun, sie haben ganz gute Möglichkeiten sich hieran zu beteiligen und Einfluß zu nehmen.
Die Krankenkasse hätte es womöglich lieber, wenn Ihre Stieftochter freiwilliges Mitglied würde, denn dann müsste ein Beitrag gezahlt werden. eine Möglichkeit wäre auch noch eine Familienversicherung über die leibliche Mutter, wenn sich das vernünftig händeln lässt.
Da hier doch einiges an Beiträgen im Raum steht und auch Ihrer beider Versicherungsstaus betrachtet werden sollte, würde ich Ihnen durchaus empfehlen vor Ort eine Kollegin oder einen Kollegen aufsuchen, die/der gleichermaßen im Familien- und im Sozialrecht bewandert ist.
Einschlägiges Urteil zur Thematik ist übrigens:
BSG, Urteil vom 30.08.1994, Az.: 12 RK 41/92
.
Ich hoffe, meine Antwort hat Ihnen weitergeholfen.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Hilpüsch,
Vielen Dank für Ihre Stellungnahme zu unserem Fall. Trotzdem denken wir, sind unsere Frage nur zum Teil beantwortet wurden. Hier noch einmal ein paar Zusatzinfos, die vielleicht hilfreich sein könnten.
Meine Stieftochter ist seit ca. 15 Jahren über mich familienversichert. Sie war vorher in der privaten Versicherung meines Mannes. Entscheidend für den Wechsel war, dass ich damals kurzfristig als Angestellte mehr Geld als mein Mann verdient habe und dieser unter der Jahresarbeitsentgeldgrenze verdient hat was im übrigen immer noch so ist. Die leibliche Mutter ist seit 2007 gesetzlich versichert davor privat.
Laut SGBV§10Abs.3 schließt Kinder von der betragsfreien Familienversicherung aus wenn:
Das nicht gesetzlich versicherte Elternteil ein höheres Einkommen als das gesetzlich Versicherte und über der Jahresarbeitsententgeldgrenze verdient. Ist dieses so zu verstehen, dass bei Faktoren zutreffen müssen, um das Kind auszuschließen? Wenn nein, was könnte die gesetzliche Krankenversicherung an Beiträgen zurückfordern und über welchen Zeitraum?
Kann das Kind rückwirkend bei der leiblichen Mutter mitversichert werden?? Sollen wir der Krankenkasse die Einkommenssteuererklärung rückwirkend ab 2007- wie verlangt - zukommen lassen oder sollen wir vorher anwaltliche in Anspruch nehmen??
Vielen Dank im vorraus
Sehr geehrter Ratsuchender,
Sie sollten sich in jedem Fall vor Ort rechtliche Unterstützung holen, und zwar begleitend zu den Prüfungen durch die Krankenkasse. Warten Sie nicht erst ein Ergebnis von dort ab. Sie sehen ja selbst, dass Ihr Fall sehr komplex ist. Es müssen letztlich die Verhältnisse von 4 Personen betrachtet werden und das auch noch über die letzten Jahre. Hierbei kommt es auch auf viele Details an, die bei einer ersten rechtlichen Einschätzung nicht berücksichtigt werden können. Die Krankenkasse wird wohl auch den Versicherungsstatus von Ihnen und Ihrem Mann prüfen. Dabei ist es so, wie Sie richtig schreiben, dass eine Familienversicherung auch nach § 10 Absatz 3 SGB V
geprüft werden muss. Auf diese Frage kommt es aber nur an, wenn die Voraussetzungen einer Familienversicherung Ihrer Stieftochter über Sie vorliegen, also § 10 Absatz 4 SGB V
erfüllt ist. Bei der leiblichen Mutter müsste Ihre Stieftochter ohne weiteres versicherbar sein, wobei § 10 Absatz 3 SGB V
ja keine Rolle spielt. § 10 Absatz 3 SGB V
spielt aber sowieso keine Rolle, da ja die Einkünfte Ihres Mannes unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegen, wie Sie schreiben.
Für die Zukunft geht es um die Frage, kann Ihre Stieftochter beitragsfrei bei Ihnen oder der leiblichen Mutter familienversichert werden, oder muss Ihre Stieftochter mit Beitrag, freiwillig gesetzlich bzw. privat, versichert werden.
Verjährung: Die Verjährung von Beitragsansprüchen ist geregelt in den §§ 25
, 27 Abs.2
und 3 SGB IV
. Nach § 25 Abs.1 SGB IV
verjähren Ansprüche grundsätzlich in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich enthaltene Beiträge in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind.
Die Rücknahme eines rechtswidrigen, begünstigenden Verwaltungsaktes ist eingeschränkt möglich und richtet sich nach § 45 SGB X
.
Sofern die Krankenkasse darauf abstellt, dass Ihre Stieftochter zu Unrecht familienversichert war und als freiwilliges Mitglied hätte Beiträge zahlen müssen, können diese Beiträge entsprechend dem Vorhergesagten für 4 Jahre nachgefordert werden. Eine rückwirkende Familienversicherung über die leibliche Mutter ist nicht möglich.
Vor diesem Hintergrund sollten Sie sich, wie gesagt, vor Ort anwaltlich unterstützen lassen.
Ich hoffe, ich konnte noch weiter helfen.