Sehr geehrte Ratsuchende,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich wie folgt beantworten möchte:
Aus dem BGH Urteil vom 17.12.1987, Az. IX ZR 41/86
,
NJW 1988, 486
ergibt sich zunächst, dass der Anwalt verpflichtet ist, seinen Mandanten umfassend zu beraten und die entsprechenden rechtlichen Schritte vorzuschlagen; er muss aber auch voraussehbare Nachteile für seinen Mandanten vermeiden und muss diesen über die entstehenden Kosten und mögliche Kostenrisiken aufklären.
Ob und inwieweit dies bei Gesprächen zwischen Ihnen und Ihrem Anwalt geschehen ist, vermag ich selbstverständlich nicht zu beurteilen. Bei der von Ihnen hier eingestellten Honorarvereinbarung handelt es sich um eine "handelstypische Honorarvereinbarung", an der ich nichts Fehlerhaftes finden kann. Dass Sie den Ausschluss von Beratungs- und Prozesskostenhilfe übersehen haben, mag für Sie ärgerlich sein; dies können Sie aber nicht im Nachhinein anfechten, denn hier wären Sie selbst in der Pflicht gewesen, die Vereinbarung vor Ihrer Unterschrift genau zu prüfen. Es spielt dabei auch keine Rolle, dass es laut Ihrer Aussage "schnell gehen musste und man Ihnen keine Alternative angeboten hatte"- hier wären Sie wie bereits erwähnt selbst in der Pflicht zur genauen Prüfung der Vereinbarung gewesen, bevor diese durch Ihre Unterschrift verbindlich geworden ist.
Ob und inwiefern noch von einer Wirtschaftlichkeit in Ihrem Fall gesprochen werden kann, hängt sicher auch davon ab, welche finanziellen Risiken Ihnen durch die Anlagen weiter entstanden wären, wenn Sie sich hätten nicht anwaltlich beraten lassen. Natürlich wirken Anwaltskosten von über 3000 Euro bei einer Einlage von gut 6000 Euro auf den ersten Blick nicht besonders wirtschaftlich. Hier stellt sich nun die Frage, ob Ihnen durch das Handeln des Anwalts ein Schaden entstanden ist. Dies könnte zunächst der Fall sein, wenn man davon ausgeht, dass Sie die weitere anwaltliche Tätigkeit gestoppt hätten, wenn man Sie wie vereinbart über die Folgekosten nach dem Vorschuss informiert hätte.
Sofern Sie sich auf eine fehlerhafte oder unvollständige Beratung und damit auf eine Pflichtverletzung und den daraus entstandenen Schaden berufen wollen, müssen Sie dies beweisen können. Grundlage hierfür wäre zunächst die Honorarvereinbarung. In dieser Honorarvereinbarung ist aber nicht festgehalten worden, dass nach Verbrauch des gezahlten Vorschusses eine Information des Mandanten erfolgen muss, damit dieser prüfen kann, ob er die weitere Tätigkeit des Anwalts in Anspruch nehmen möchte.
In einem Beschluss vom 17.06.2010, Az. IX ZR 187/08
hat der Bundesgerichtshof hierzu Folgendes ausgeführt: Der Ursachenzusammenhang zwischen anwaltlicher Pflichtverletzung und Schaden des Mandanten bemisst sich danach, wie der Mandant sich verhalten hätte, wenn er pflichtgemäß beraten worden wäre (vgl. auch BGH, Urt. v. 6. Dezember 2001 - IX ZR 124/00
).
Sofern Sie darauf abstellen wollen, dass Ihnen keine weiteren Kosten entstanden wären, wenn man Sie pflichtgemäß darüber informiert hätte, dass der Vorschuss nun aufgebraucht ist und Sie mit Folgekosten in nicht unerheblicher Höhe rechnen müssen und Ihnen durch die entsprechende anwaltliche Pflichtverletzung ein entsprechender Schaden entstanden ist, müssten Sie beweisen können, dass es diese Vereinbarung gegeben hat. Dabei ist es irrelevant, dass Sie den Anwalt auf Ihre momentan angespannte finanzielle Situation hingewiesen haben. Sofern der Anwalt alle vertraglichen Pflichten eingehalten hat, spielt diese keine Rolle. Wenn Sie der Kanzlei in schriftlicher Form kommuniziert haben sollten, dass Sie nach Verbrauch des Vorschusses zunächst keine weitere rechtliche Vertretung wünschen, bevor man Sie nochmals beraten hat, sehe ich hier gute Chancen, dass Sie sich auf eine anwaltliche Pflichtverletzung berufen können und damit die eingeforderten Kosten nicht zahlen müssen. Wenn Sie dafür aber letztendlich keinen Beweis haben, dürfte dem Anwalt die Verletzung der Vereinbarung nicht nachgewiesen werden können; bei einem eventuellen Rechtsstreit dürften Ihre Erfolgsaussichten daher sehr gering sein.
Zusammengefasst rate ich Ihnen zu folgender Vorgehensweise:
Prüfen Sie Ihre Unterlagen und eruieren Sie, ob Sie die Vereinbarung bzgl. der Informationspflicht Ihnen gegenüber nach Verbrauch des Vorschusses nachprüfbar belegen können.
Sollte dies der Fall sein, teilen Sie dem Anwalt mit, dass seine Pflichtverletzung zu Kosten geführt hat, die Ihnen ohne diese Pflichtverletzung nicht entstanden wären und dass Sie diese Kosten aus diesem Grund auch nicht bezahlen werden.
Sollte der Anwalt sich hierauf nicht einlassen und Ihnen damit ein Rechtsstreit drohen, rate ich Ihnen, sich an einen Berufskollegen vor Ort für eine ausführliche Erstberatung zu wenden. Unklar bleibt nämlich hier, ob Ihnen bezüglich des eigentlichen Sachverhalts nicht ein weitaus höherer Schaden entstanden wäre, wenn Sie nicht weiter anwaltlich vertreten worden wären. Dies ist aber ohne Prüfung der Akten so nicht beurteilbar und würde auch den Einsatz von 30 Euro bei weitem übersteigen.
Sollten Sie nicht belegen können, dass es zwischen Ihnen und dem Anwalt eine Vereinbarung gab, wonach man Sie darüber hätte informieren müssen, dass der Vorschuss verbraucht ist und welche Kosten nun weiter auf Sie zukommen, erscheint es schwierig bis aussichtslos, hier den entsprechenden Nachweis einer anwaltlichen Pflichtverletzung führen zu können. In diesem Fall wird Ihnen leider nichts anderes übrig bleiben, als die geforderten Kosten zu zahlen. Sollten Sie dieses Geld nicht direkt in der kompletten Summe aufbringen können, könnte eine beispielsweise auf 12 Monate angesetzte Ratenzahlung eine Option sein. Dies können Sie selbstverständlich nicht eigenmächtig entscheiden, aber ich gehe davon aus, dass Ihr Anwalt sich vor dem ohnehin etwas bizarren Geschehensverlauf sicherlich darauf einlassen wird.
Abschließend weise ich Sie darauf hin, dass im Rahmen dieser Plattform lediglich eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhalts, basierend auf Ihren Angaben, erfolgen kann. Sollten hier Informationen hinzugefügt, weggelassen oder ungenau dargestellt worden sein, kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen. Eine umfassende rechtliche Beratung durch einen Berufskollegen vor Ort, der gemeinsam mit dem Mandanten alle relevanten Informationen erarbeitet, kann durch diese Plattform nicht ersetzt werden.
Ich hoffe, Ihnen zunächst weitergeholfen zu haben. Bei eventuellen Unklarheiten nutzen Sie bitte die kostenlose Nachfragefunktion.
Ich wünsche Ihnen alles Gute in dieser Angelegenheit!
Mit freundlichem Gruß
Thomas Zimmlinghaus
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Thomas Zimmlinghaus
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54292 Trier
Tel: 06514628376
Web: https://www.zimmlinghaus.de
E-Mail:
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Zimmlinghaus,
vielen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Rückantwort!
Ich habe damals den Rat des Anwalts gesucht und seit dem ersten Telefonat immer wieder auf die finanzielle Lage hingewiesen. Mir war es wichtig die Kostenkontrolle zu behalten und eben nicht - wie jetzt geschehen - mich zu verschulden. Die Erstberatung hatte ich komplett bezahlt und die Vorschußrechnung von 1200 EUR bereits in Raten. Die nächste Rechnung vom März diesen Jahres wurde mir mit dem Satz präsentiert: "...Wie Sie aus der Anlage entnehmen können, sind wir erheblich in Vorleistung gegangen, so dass die Ratenzahlung von 100 EUR leider nicht mehr ausreichend ist. Wir ersuchen Sie daher Ihre Ratenzahlung auf 300 EUR zu erhöhen..." Erst dann war mir klar, dass der Vorschuss verbraucht ist und hab den Vorgang sofort gestoppt.
Als ich die Honorarvereinbarung unterschrieben habe, habe ich - zu meinem eigenen Pech - nicht genau gelesen. Ich hatte dem Anwalt zeitgleich in einer E-Mail bzgl. der Vorschußrechnung geschrieben: "Ich habe eine erste Anzahlung von 528 EUR angewiesen und werde Ihnen die Vollmachten sowie Vergütungsvereinbarung durch meinen Freund per Telefax zukommen lassen. Insoweit hätte ich noch ein Anliegen... Bitte informieren Sie mich, sobald die Kosten bzgl. der aktuellen kostenrechnung von 1200 EUR überschritten werden. Wie ich Ihnen ja schon mitgeteilt habe, befinden wir uns aufgrund des INSO-Verfahrens meines Freundes und meiner kurz bevorstehenden Geburt in einer mehr oder weniger angespannten finanziellen Lage."
Wie soll ich als Mandant (auch wenn ich gelernte ReNo bin) denn den Kostenverbrauch abschätzen können?! Wir handhaben die Honoararabrechnung anders. Ich habe ja nicht umsonst oft genug den Hinweis der angespannten finanziellen Situation gegeben. Ein weiterer finanzieller Schaden wäre mir nicht entstanden, da ich die Zahlungen der Anlagen direkt nach der Erstberatung eingestellt hatte. Da die Kanzlei auf diese LV-Fonds spezialisiert war, habe ich diese eingeschaltet. Ich bin davon ausgegangen, dass diese sich mit der Materie auskennen und denen die Reaktion der Vermittler bekannt sind... nämlich dass diese außergerichtlich keinerlei Zahlungen leisten bzw. reagieren. Somit wäre meiner Meinung nach richtig gewesen, dass der Anwalt gesagt hätte, dass ich mir das nie leisten kann... und einen Gerichtsprozeß schon mal gar nicht. Wenn die außergerichtliche Vertretung schon über 3000 EUR kostet... wieviel hätte mich dann die gerichtliche Vertretung gekostet? Sämtliche Kosten stehen doch in keinem Verhältnis zur Hauptforderung...
Meine Nachfrage besteht nun darin, ob die E-Mail ein ausreichender Beweis für eine Pflichtverletzung wäre?
Vielen Dank!
Sehr geehrte Ratsuchende,
Ihre Nachfrage will ich wie folgt beantworten:
Generell kann eine Email durchaus als Grundlage für eine Beweisführung dienen. Sie haben mit dieser Email den Anwalt ja aufgefordert, Sie zu informieren, wenn die Vorschusszahlungen verbraucht sind und dies hätte er dann auch tun sollen.
Insgesamt betrachtet bleibt der Sachverhalt trotzdem schwierig und die Erfolgsaussichten eines eventuellen Rechtsstreits sind nur sehr bedingt abschätzbar. In jedem Fall ist es sehr hilfreich, dass Sie den Anwalt schriftlich aufgefordert hatten, Ihnen mitzuteilen, wenn der Vorschuss "verbraucht" ist.
Problematisch sind hier zwei Aspekte:
1. Zunächst fallen, sobald der Anwalt sich mit einem Sachverhalt beschäftigt, grundsätzlich Kosten an. Ein Vorschuss ist auch dazu gedacht, dass der Anwalt sich sicher sein kann, wenigstens diesen Teil des Geldes zu bekommen. Ein Vorschuss ist aber im Regelfall nicht dazu gedacht, zunächst einmal "aufgebraucht" zu werden, um dann weiterzusehen, denn normalerweise erteilt man das Mandat ja vollumfänglich und nicht nur bis zum "Verbrauch des Vorschusses". Zumal sich die Aktivitäten eines Anwalts auch nicht so berechnen lassen, dass man sagen kann, man kann für Summe X genau dies und jenes machen. Die notwendigen Schritte werden ja durch den Sachverhalt bestimmt und nicht durch den Vorschuss. Von daher besteht auch keine grundsätzliche Pflicht, den Mandanten zu informieren, wenn die Arbeitsleistung ab Punkt X nicht mehr von den bisher geleisteten Zahlungen gedeckt werden kann; dieses Vorgehen ist nicht üblich. Ein "Vorschuss" besagt ja auch schon, dass weitere Kosten fällig werden. Trotzdem ist es meiner Einschätzung nach als sehr problematisch anzusehen, wenn Sie den Anwalt nachweislich um Information gegebeten haben und man Sie nicht entsprechend informiert hat, gerade wenn Sie sagen, dass Sie ab diesem Punkt dann keine weitere anwaltliche Vertretung mehr in Anspruch genommen hätten. Ich bitte Sie aber um Verständnis, dass ich nicht in letzter Konsequenz abzuschätzen vermag, wie dies bei einem eventuellen Rechtsstreit richterlich beurteilt werden würde, dazu bewegt sich dies alles zu sehr in einer Grauzone.
2. Grundsätzlich würde ich, wenn ich die von Ihnen genannten Summen bedenke, tendenziell eher auf einem allgemeinen Beratungsfehler seitens des Anwalts abstellen. Hier ist es offenbar von Anfang an zu Missverständnissen gekommen und es ist für mich hier nicht beurteilbar, wessen Versäumnis dies letztendlich ist. Fragwürdig ist für mich Folgendes: Wenn es um eine Forderung von 6000 Euro geht und die außergerichtliche Vertretung bereits über 3000 Euro kostet, steht dies so in keinem wirtschaftlichen Verhältnis. Deswegen ist fraglich, ob der Anwalt sie direkt darauf hingewiesen hat, dass Sie mit Kosten in Höhe von 3000 Euro rechnen müssten. Basierend auf dem gesunden Menschenverstand gehe ich davon aus, dass Sie sich als Mandantin vermutlich anders verhalten hätten, wenn Ihnen klar gewesen wäre, dass Sie über 3000 Euro Anwaltskosten werden zahlen müssen. Wenn der Anwalt Ihnen dies nicht von Anfang an klar gesagt hat, liegt hier meiner Einschätzung nach ein grundsätzlicher Beratungsfehler vor, denn die Wirtschaftlichkeit ist für Sie als Mandantin nicht mehr gegeben. Nun ist ja aber der Anwalt offenbar von einer anderen Summe (300.000 Euro) ausgegangen und es war vielleicht auch deswegen für ihn nicht klar, dass 3000 Euro Anwaltskosten für Sie nicht mehr wirtschaftlich sind. Wie es zu so einem Missverständnis kommen konnte und wer dafür in letzter Konsequenz verantwortlich ist, vermag ich leider nicht zu beurteilen.
Mit freundlichem Gruß
Thomas Zimmlinghaus
Rechtsanwalt