Sehr geehrte Fragestellerin,
gerne möchte ich versuchen, Ihnen einige Informationen an die Hand zu geben, die Ihnen helfen können, den von Ihnen geschilderten Fall einzusortieren.
In der Tat liegt hier bereits Einiges an Vorgeschichte vor. Grundsätzlich werden im Haushalt eines Antragstellers lebende minderjährige Kinder als "in derselben Bedarfsgemeinschaft lebend" eingestuft. Dass Ihre Tochter daher mit in den Bescheiden aufgeführt, jedoch betragsmäßig separat behandelt wurde, ist also vom Grunde her korrekt.
Ebenso korrekt dürfte die Rechtsauffassung der ARGE dazu sein, dass Ihnen bewusst war, dass ab dem 01.09.2013 kein Anspruch auf ALG II Bezug mehr bestand.
Es gibt gelegentlich Konstellationen, bei denen die Sach- und Rechtslage so unübersichtlich ist, dass die im Leistungsbezug stehende Person zunächst gar nicht wusste und auch nicht wissen musste, dass sie keinen Anspruch auf Zahlung hat. Erhält sie dennoch Zahlungen, kann sie dann als "gutgläubig" eingestuft werden und dem Amt eventuell entgegenhalten, "entreichert" zu sein, wenn nämlich die erhaltenen Beträge bereits ausgegeben sind, wenn das Amt an sie herantritt und eine Rückzahlung fordert.
Zwar haben Sie die Beträge vorliegend aufgrund der besonderen persönlichen Umstände ausgegeben. Allerdings sind Sie nicht als gutgläubig einzustufen, da Ihnen bewusst war, dass keine Leistungsberechtigung (mehr) bestand. Sie haben dies letztlich sogar selbst dadurch zum Ausdruck gebracht, dass Sie sich und Ihre Familie beim Amt abgemeldet haben.
Ich gehe daher von aus, dass Sie die Zuvielleistungen in der Tat zurückzahlen müssen.
Fordert das Amt ALG II Leistungen zurück, lauten die Rückforderungsbescheide regelmäßig auch jeweils auf die in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen einzeln. Es ist also auch korrekt, dass die Ihre Tochter betreffenden Zahlungen einzeln festgesetzt und zurückgefordert werden.
Sehr ungewöhnlich ist es allerdings, dass dies nunmehr erst so viel später erfolgt. Die Zahlungen sind ja bezüglich Ihrer Person und Ihres Mannes bereits geprüft und Gegenstand einer Rückzahlungsvereinbarung geworden. Dass dies bei Ihrer Tochter erst so spät erfolgt ist, ist in der Tat nicht üblich.
Rechtlich möglich wäre die Rückforderung aber dennoch, wenn Sie nicht bereits in der Rückzahlungsvereinbarung Ihres Mannes enthalten war. Ob dies der Fall ist, kann ich nicht beurteilen, da ich die Bescheide nicht kenne.
Ein Widerspruch könnte sich dann lohnen, wenn die Zahlungen zu Gunsten Ihrer Tochter bereits in der Rückforderung gegen Ihren Mann enthalten gewesen sein sollten. Dann würde ein Fehler bei der ARGE vorliegen.
Sollte dies aber nicht der Fall sein, kann die ARGE die Zahlungen nach wie vor zurückfordern. Verjährt ist die Forderung erst drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, also Ende 2016. Verwirkt wäre sie, wenn sie nach einem größeren Zeitablauf - den sehe ich hier durchaus - plötzlich eingefordert wird, wobei das Amt zuvor durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht hat, dass es Ihnen gegenüber keine (weiteren) Forderungen mehr geltend machen möchte.
Dies kann ich leider nicht ohne Weiteres bejahen. So lange es sich nur um ein Versehen dadurch handelt, dass die Gelder zu Gunsten Ihrer Tochter bislang einfach übersehen worden sind, reicht dies nicht aus.
Ich gehe also auf Basis der mir vorliegenden Informationen davon aus, dass Sie die Leistungen, die auf Ihre Tochter lauten, in der Tat zurückzahlen müssen. Es kann sich aber lohnen, unter Verweis auf die Besonderheiten Ihres Falles auch insoweit eine Ratenzahlung zu vereinbaren. In jedem Fall sollten Sie den genauen Inhalt der Vereinbarung mit Ihrem Mann prüfen oder von einem Anwalt prüfen lassen. Erst dann lässt sich genau sagen, ob der Forderungsbetrag gegen Ihre Tochter noch offen steht oder bereits mit erledigt ist.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben gedient zu haben. Im Falle von Verständnisfragen nutzen Sie bitte die Rückfragefunktion.
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Désirée Fritsch
Rechtsanwältin
Hallo Frau Fritsch!
Vielen Dank für Ihre schnelle Rückinfo und die detaillierten Ausführungen!!
Leider verstehe ich meine rechtliche Situation nicht exakt. Sehe ich das richtig, daß das Jobcenter die Forderung verwirkt hat, sofern wir den Fehler nachweisen können, daß die Forderung nicht in der Einigung mit meinem Mann enthalten ist?
Der Fehler wäre nachweisbar, da alle Bescheide an meinen Mann adressiert waren (nicht separat an die Tochter) und sowohl seine als auch die Leistungen an die Tochter gemeinsam aufgeführt sind.
Dies gälte aber nur für den Zeitraum 1.7.bis 31.8.2013.
Für den Zeitraum 1.9. bis 30.11.2013 liegen Bescheide, an meinen Mann adressiert, vor, aber getrennt nach Beträgen.
Könnten Sie das noch kurz klarstellen?
Vielen, herzlichen Dank für Ihre Mühe!!
Sehr geehrte Fragestellerin,
gerne erläutere ich Ihnen diesen Punkt noch einmal ergänzend.
Verwirkt wäre der Anspruch, wenn die Behörde durch Ihr Verhalten wörtlich oder schlüssig zum Ausdruck gebracht hätte, dass sie keinen Anspruch gegen Ihre Tochter (mehr) geltend machen möchte.
Hiervon bin ich nach Ihren anfänglichen Schilderungen nicht ausgegangen.
So, wie es sich nach dieser Ergänzung anhört, könnte es sein, dass die Ansprüche gegen die Tochter auch für den Zeitraum September bis November mit Inhalt der Vereinbarung waren.
Dann müsste dies aber auch in der Vereinbarung so vermerkt sein, z. B. indem dort auf die entsprechenden Schreiben und Aktenzeichen Bezug genommen wird.
Können Sie dies nachweisen, könnte eine Verwirkung gegeben sein, Ansonsten nicht.
Leider kann ich Ihnen diese Frage hier nicht abschließend beantworten, da mir Ihre Unterlagen nicht vorliegen.
Wenn Sie ergänzenden Beratungs- oder Vertretungsbedarf bei der endgültigen Klärung des Problems mit dem Amt, oder notfalls der Vereinbarung einer Ratenzahlung benötigen, können Sie sich gerne an meine Kanzlei wenden. Die Kontaktdaten finden Sie in meinem Profil.
Im Falle einer weitergehenden Beauftragung würde ich die hier bereits gezahlte Beratungsgebühr in Abzug bringen.
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Désirée Fritsch
Rechtsanwältin